Dushica ist gegen die Schließung von Grenzen
Das Internationale Parlamentsstipendium (IPS) des Bundestages hat in Mazedonien einen guten Klang. Nicht zuletzt, weil es mit Kornelija Utevska-Gligorovska eine ehemalige IPS-Stipendiatin zur langjährigen Botschafterin ihres Landes in Deutschland gebracht hat. Das war auch Dushica Bojkovska bekannt, als sie sich für das Stipendium bewarb. „Klar war das eine zusätzliche Motivation für mich“, sagt die 25-Jährige, die derzeit ihr Praktikum im Rahmen des IPS im Büro des Bundestagsabgeordneten Dirk Vöpel (SPD) verbringt. Unterstützung bei der Bewerbung für das IPS bekam sie von einem ihrer Professoren an der Juristischen Fakultät der Universität Skopje. Und der wusste worum es geht: Dr. Aleksandar Spasov war einst selber als Stipendiat im Bundestag. Das IPS-Netzwerk – es funktioniert ganz offensichtlich gut in Mazedonien.
Deutschunterricht für Anfänger gegeben
Mitentscheidend dafür, dass Dushica Bojkovska derzeit in Berlin ist, sind natürlich ihre guten Deutschkenntnisse. Eine Passion der Familie, sozusagen. „Mein Großvater war Professor an der Philologischen Fakultät der Universität Skopje“, erzählt sie. Er gab die Leidenschaft für die deutsche Sprache und die deutsche Kultur Dushica Bojkovskas Mutter weiter und die an ihre Tochter.
„Im Gymnasium war ich in einer sogenannten deutschen Klasse, in der sechs Wochenstunden Deutsch unterrichtet wurden“, sagt sie. Als dann an der Uni die Entscheidung für Jura fiel, wollte sie von Deutsch nicht lassen – und studierte Germanistik gleich mal mit. Inzwischen ist sie fertige Juristin, den Master hat sie in Strafrecht gemacht. Zudem hat sie an einer Privatschule auch schon Deutschunterricht für Anfänger gegeben.
„Juristische Karriere fortsetzen“
Wie es beruflich im Anschluss an die Zeit in Berlin weitergeht, weiß sie noch nicht ganz genau. Grundsätzlich würde sie gern „meine juristische Karriere fortsetzen und aber auch etwas tun, was mit den Beziehungen zwischen Mazedonien und Deutschland zu tun hat“. Was das Justizwesen angeht, so schaut sie hier in Deutschland besonders darauf, wie das Prinzip der Gewaltenteilung funktioniert. In ihrer Heimat nämlich gibt es darüber großen Streit.
Es geht um mögliche Wahlfälschung, Begnadigungen durch den Präsidenten und ein seltsames Verfassungsgerichtsurteil. Dushica Bojkovska erläutert: „Staatspräsident Gjorge Ivanov hat 56 Personen, die unter anderem der Wahlfälschung angeklagt waren, persönlich begnadigt.“ Berufen habe er sich dabei auf ein Gesetz aus dem Jahr 1993, aus dem aber gerade jener Artikel, den er genutzt hat, im Jahr 2009 entfernt worden sei.
„Viele gehen auf die Straße und protestieren“
Daraufhin habe wiederum das Verfassungsgericht geurteilt, die Streichung des Artikels im Jahr 2009 sei verfassungswidrig gewesen – das Handeln des Präsidenten mithin in Ordnung. Dazu komme noch, so Dushica Bojkovska, dass einige der Begnadigten, die ja noch gar nicht verurteilt waren, ihre Begnadigung ablehnen, weil sie diese als schuldig dastehen lässt…
Eine undurchsichtige Situation, die sich offenbar zu einer Staatskrise ausgeweitet hat. Viele Menschen würden auf die Straße gehen und protestieren, sagt die junge Mazedonierin. Sie wünscht sich, dass der politische Dialog innerhalb der Parteien im Land wieder aufgenommen wird.
„Seit 2005 EU-Beitrittskandidat“
Eigentlich sollte am 5. Juni die schon einmal verschobene Parlamentswahl stattfinden. Die Opposition moniere aber unkorrekte Wählerlisten, die zugunsten der aktuellen Regierung genutzt werden könnten, sagt sie. Das alles bringe ihr Heimatland, das seit Dezember 2005 EU-Beitrittskandidat ist, der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen nicht gerade näher, bedauert Dushica Bojkovska.
Ein anderes Problem hat Mazedonien zuletzt in den Fokus der internationalen Berichterstattung gerückt. Die Schließung der Grenze zu Griechenland und damit das faktische Ende der sogenannten Balkanroute für Flüchtlinge. Eine Entscheidung, die auf der einen Seite zu viel Kritik an der mazedonischen Regierung – auch aus Deutschland - geführt hat. In deren Folge aber auch die Flüchtlingszahlen in Deutschland rapide zurückgingen.
„Gegen die Schließung von Grenzen“
Dushica Bojkovska ist grundsätzlich gegen die Schließung von Grenzen. „Flüchtlinge aufzunehmen entspricht den Kriterien einer offenen und demokratischen Gesellschaft“, sagt sie. Die 25-Jährige unterstützt es nicht, dass Mazedonien keine Flüchtlinge mehr ins Land lässt. Kann aber verstehen, warum die Regierung so gehandelt hat.
Ein Erklärungsversuch: Zu Beginn im vergangenen Herbst, so sagt sie, sei das Land nicht vorbereitet gewesen auf den Flüchtlingsansturm. „Es gab Probleme bei der Versorgung der Flüchtlinge und auch beim Transport.“ Damals, so erinnert sich Dushica Bojkovska, habe sie oft die deutschen und zugleich die mazedonischen Nachrichten gesehen. „Da wurde die Situation völlig gegensätzlich dargestellt“, sagt sie.
„Ein Transitland für Flüchtlinge“
Während es von deutschen Medien viel Kritik gab, sei in Mazedonien versucht worden, eine Lösung für die Probleme zu finden. „Als der Transport organisiert war, wurde die Grenze geöffnet und die Flüchtlinge konnten durch“, sagt sie. Im Land selber habe niemand bleiben wollen. Mazedonien sei sozusagen ein Transitland für Flüchtlinge geworden.
Warum dann im März die Grenze geschlossen wurde – darüber kann sie auch nur Mutmaßungen anstellen. „Eigentlich hat Mazedonien kein eigenes Interesse an der Öffnung oder Schließung der Grenze.“ Es gebe aber Länder, die ein Interesse daran hätten, dass die mazedonische Grenze gesichert ist, fügt sie hinzu.
„Man muss optimistisch sein“
Dann verweist sie noch auf ein Problem, welches hätte entstehen können, wäre die Grenze offen geblieben. Da abzusehen gewesen sei, dass andere Länder ihre Grenzen schließen würden, „wären die Flüchtlinge nicht in ihre Wunschländer gekommen und hätten in Mazedonien bleiben müssen, obwohl sie dort gar kein Asyl beantragen wollten“, so Dushica Bojkovska. Das Zwei-Millionen-Einwohnerland hätte aber kein Geld gehabt, sich um so viele Flüchtlinge zu kümmern.
Eine schwierige Situation, doch die 25-Jährige hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich sowohl die Staatskrise in ihrem Heimatland als auch die Flüchtlingskrise lösen lassen. „Man muss optimistisch sein“, fordert sie. (hau/17.05.2016)