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Recht

Kein Konsens beim Thema Majestätsbeleidigung

Die Affäre Böhmermann hat den Straftatbestand der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ins Blickfeld gerückt. Ob er abgeschafft werden soll, darüber herrscht im Bundestag keineswegs Konsens. Das zeigte sich am Donnerstag, 12. Mai 2016, bei der ersten Lesung von zwei Gesetzentwürfen der Opposition mit diesem Ziel. Der Gesetzentwurf der Grünen „zur Änderung des Strafgesetzbuches - Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen (§ 103 StGB)“ (18/8123) zielt auf dessen schnellstmögliche Abschaffung. Der Gesetzentwurf der Linken „zur Änderung des Strafgesetzbuches – Neuordnung der Beleidigungsdelikte“ (18/8272) sieht vor, auch die Paragrafen 90 (Verunglimpfung des Bundespräsidenten) und 188 (üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens) zu streichen.

Grüne: Kanzlerin will Erdoğan alles recht machen

Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) sagte mit Bezug auf die Erklärung der Bundeskanzlerin, sie wolle den Strafrechtsparagrafen 103 zum Jahr 2018 abschaffen, dieser gehöre „nicht erst in der nächsten Legislaturperiode, sondern jetzt sofort“ gestrichen. Der „Majestätsbeleidigungsparagraf“ passe nicht mehr in unsere Zeit. „Auch Majestäten sind Menschen, und alle Menschen sind durch den Paragrafen 185 vor Beleidigung geschützt“, sagte Ströbele.

Ströbele fragte, wo das Problem sei, dies sofort zu tun, und lieferte seine Antwort gleich mit: „Das Problem ist die Majestät Erdoğan, die ein nachhaltig gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit, zur Meinungsfreiheit und zur Kunstfreiheit hat, und das Problem ist die Kanzlerin, die versucht, diesem Herrn Erdoğan, dieser Majestät, alles recht zu machen.“

CDU/CSU legt sich nicht auf Streichung fest

Dem setzte Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) entgegen, die Entscheidung über den Paragrafen 103 müsse am Ende und nicht am Anfang einer Diskussion stehen. „Wir sollten nicht den Fehler machen, ein Einzelfallgesetz zu debattieren“, mahnte Ullrich. Die Gesetzgebung brauche keine Schnellschüsse, und für das Strafrecht gebe es „besondere Sorgfaltspflichten“. Diese Sorgfalt ließen die Gesetzentwürfe von Grünen und Linker vermissen.

Man müsse einen Paragrafen immer im Zusammenhang mit den Paragrafen davor und dahinter betrachten, das lerne jeder Jurastudent im ersten Semester, führte Ullrich aus. Würde man nur Paragraf 103 streichen, würde jemand, der einem Diplomaten ins Gesicht spuckt, weniger hart bestraft als jemand, der dessen Flagge am Auto bespuckt. Paragraf 103 schütze nicht in erster Linie die Ehre einer Person, sondern die auswärtigen Beziehungen des Bundes.

Ullrich forderte eine „klug abgewägte Reform“, die dem Rechnung trägt. Reden könne man über Dinge wie das Strafmaß und die Verfolgungsermächtigung zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nach Paragraf 103. Diese hatte die Bundesregierung im Fall Erdoğan/Böhmermann nach einer kontroversen Entscheidung erteilt.

„Gesetze werden vom Parlament gemacht“

Daraufhin stellte Hans-Christian Ströbele die Zwischenfrage, wie Ullrich zu der Ankündigung von Bundeskanzlerin Merkel am 15. April stehe, einen Gesetzentwurf zur Aufhebung von Paragraf 103 vorzulegen. Ullrichs Antwort: „In diesem Land werden die Gesetze vom Parlament gemacht und nicht von der Regierung.“

Er kündigte an, über einen Gesetzentwurf der Regierung in Ruhe zu debattieren und nicht dem „süßen Gift“ zu erliegen, „ein Einzelfallgesetz zu machen, das verfassungswidrig wäre“.

Linke: Die Grünen sind inkonsequent

Dies veranlasste Harald Petzold (Die Linke) zu der Replik: „Jetzt haben wir es amtlich, dass die Kanzlerin offensichtlich ein verfassungswidriges Gesetz vorgeschlagen hat.“ Petzold bezeichnete den Paragrafen 103 und die anderen von seiner Fraktion zur Streichung vorgeschlagenen Straftatbestände als „Sonderregelungen“, die gegen die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz verstießen.

Inkonsequent seien die Grünen, die nur die Sonderregelung für ausländische Staatsoberhäupter streichen wollten, nicht aber die für das eigene Staatsoberhaupt, sagte Petzold. An die SPD, aus der sich bereits mehrere Politiker für eine schnelle Streichung von Paragraf 103 ausgesprochen haben, appellierte Petzold, die dafür vorhandene parlamentarische Mehrheit zu nutzen.

SPD: Sofort streichen und nicht erst 2018

Darauf ging die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Eva Högl nicht ein. Sie bestätigte aber, dass ihre Fraktion die Paragrafen 103 und 104a (Verfolgungsermächtigung) streichen wolle, und fügte an die „lieben Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion“ an: „Sofort streichen und nicht erst 2018, dann hätten wir die richtige Entscheidung getroffen.“

Zuvor hatte Högl ausgeführt, dass alle Menschen gleichermaßen die Achtung ihrer Würde verdienten, „ohne Ansehen der Person“. Der Fall Böhmermann habe aber „vor Augen geführt“, dass im Strafgesetzbuch etwas stehe, das dem widerspricht. Deshalb solle Paragraf 103 gestrichen werden. Auch habe sich gezeigt, dass die Bestimmung nicht die auswärtigen Beziehungen schütze, sondern in Verbindung mit Paragraf 104a „gerade zu diplomatischen Verwicklungen geführt“ habe.

Unmut über Vortrag des Böhmermann-Gedichts

Betretene Gesichter im Plenarsaal verursachte der CDU-Abgeordnete Detlef Seif, indem er das umstrittene Böhmermann-Gedicht ausführlich zitierte, um zu zeigen: „Hier wird eine Person in ihrer Ehre ganz klar angesprochen.“ Die Justiz habe nun zu entscheiden, ob dies von der Meinungs- und Pressefreiheit noch gedeckt ist. Mehrere nachfolgende Redner reagierten empört auf diesen Vortrag, und Bundestagsvizepräsidentin Edelgard Bulmahn (SPD) mahnte, „zu berücksichtigen, dass wir im deutschen Parlament sind, und dass auch bei Zitaten das nicht völlig vergessen wird“.

Wieder einmütig beschloss der Bundestag schließlich, die beiden Gesetzentwürfe in den federführenden Rechtsausschuss und die mitberatenden Ausschüsse zu überweisen. (pst/12.05.2016)