Fraktionen wollen Reform des Lebensmittelbuches
Einer Reform des Deutsche Lebensmittelbuches und der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission stehen alle Fraktionen des Bundestages offen gegenüber. Ein von den Koalitionsfraktionen dazu vorgelegter Antrag (18/7238) stieß dennoch am Donnerstag, 14. Januar 2016, bei den Oppositionsfraktionen aus inhaltlichen Gründen, aber auch aufgrund der Tatsache, dass die Vorlage ohne weitere Beratung im Ernährungsausschuss zur Abstimmung gestellt wurde, auf Kritik.
Klarheit, Wahrheit, Arbeitsverweigerung
Eine sofortige Abstimmung sei völlig daneben, obwohl sich in dem Antrag Ansätze fänden, die unterstützenswert seien, befand Karin Binder (Die Linke). Der Antrag widme dem Transparenzgedanken bei der Arbeit der Kommission zu wenig Raum, bemängelte Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen) und kritisierte zugleich den abwesenden Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU), dem sie Arbeitsverweigerung vorwarf.
Die Reform werde zu mehr Klarheit und Wahrheit für die Verbraucher führen, zeigte sich hingegen Gitta Connemann (CDU/CSU) überzeugt. Elvira Drobinski-Weiß (SPD) sprach von einer guten Vorlage, „um eine neues Kapitel in der Geschichte der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission zu schreiben“.
Sammlung von Leitsätzen
Bei dem Deutschen Lebensmittelbuch handelt es sich um eine Sammlung von Leitsätzen, in denen über 2.000 Lebensmittel und deren Beschaffenheit beschrieben werden, die von der Lebensmittel-Kommission erstellt werden. Die Lebensmittelbuch-Kommission arbeitet ehrenamtlich und ist paritätisch mit Vertretern der Verbraucher, der Lebensmittelüberwachung, der Wirtschaft und der Wissenschaft besetzt.
Ziel des Koalitionsantrags ist es, die Leitsätze nachvollziehbar und transparent zu fassen. Unter anderem sollen die Nutzung des Internetportals www.lebensmittelklarheit.de und die Begleitforschung in die Erstellung der Leitsätze einbezogen werden.
CDU/CSU: Verbraucher fühlen sich getäuscht
Eine Reform des Lebensmittelbuches und der Lebensmittel-Kommission werde eher heute als morgen benötigt, sagte Gitta Connemann. Die Leitsätze seien zum Teil veraltet, zum Teil hätten sie „mit der gängigen Verbraucherauffassung nichts zu tun“. Als Beleg führte Connemann die Kalbsleberwurst an, die zum überwiegenden Teil aus Schweinefleisch bestehe. Bei ihrer Herstellung hielten sich die Produzenten an die auch vom Lebensmittelbuch vorgegebenen Regeln.
„Sie täuschen die Verbraucher nicht, aber die Verbraucher fühlen sich getäuscht“, sagte die Unionsabgeordnete. Anspruch der Reform, so Connemann, müssten Klarheit und Wahrheit sein. Nicht gerüttelt werden soll ihrer Aussage nach an der paritätischen Zusammensetzung der Kommission. Benötigt würden aber klare Ziele, straffere Verfahren und mehr Transparenz. „Der Eindruck von Geheimniskrämerei darf nicht entstehen, denn das führt zu Misstrauen“, warnte sie und sprach sich dafür aus, die Internetplattform www.lebensmittelklarheit.de. stärker in die Arbeit der Kommission einzubeziehen.
Linke: Verbindliche Forderungen fehlen
Das Motto Wahrheit und Klarheit habe bei der Kommission bislang nicht gegolten, beklagte Karin Binder. Außerdem hätten die Vertreter der Lebensmittelwirtschaft die Arbeit der Kommission, der ein Konsensprinzip auferlegt worden sei, ständig unterlaufen, in dem sie alles abgelehnt hätten, „was eine ehrliche Verbraucheraufklärung beinhaltet“. Zwar hätten sich die Verbraucher auf der erwähnten Internetplattform beschweren können, doch habe das die Kommission nicht interessiert, sagte die Linke-Abgeordnete.
Was den vorgelegten Antrag angeht, so teile sie vieles an der Analyse. Es fehle jedoch an verbindlichen Forderungen. „Mehr Verbindlichkeit – dann wird ein Schuh daraus“, sagte Binder. Ihrer Ansicht nach sollten aber auch andere Ideen geprüft werden. So habe die Verbrauerschutzorganisation foodwatch vorgeschlagen, die Lebensmittel-Kommission aufzulösen und die Verantwortung für die Festlegung der Leitsätze einer Bundesbehörde wie dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zu übergeben.
SPD: An den Erwartungen der Konsumenten orientieren
Die Menschen wollen sich darauf verlassen können, dass in den Lebensmitteln auch das ist, was außen darauf steht, sagte Elvira Drobinski-Weiß (SPD). Dass dem derzeit nicht so ist, zeigten die vielen Täuschungen, die auf der Internetplattform www.lebensmittelklarheit.de angezeigt würden. Die SPD-Abgeordnete sprach sich dafür aus, die Erkenntnisse der Plattform in die Arbeit der Kommission einfließen zu lassen.
Sie verwies zugleich auf die Vereinbarung des Koalitionsvertrages, wonach sich künftig die Leitsätze im Deutschen Lebensmittelbuch klar an den Erwartungen der Konsumenten orientieren müssten. „Damit kommt der Verbraucherforschung bei der Erarbeitung der Leitsätze eine ganz wichtige Funktion zu“, sagte Drobinski-Weiß. Derzeit gebe es aber in der Gruppe der Wissenschaftler der Kommission niemanden, der systematisch hinterfragt, was die Verbraucher tatsächlich mit einer bestimmten Produktbezeichnung verknüpfen, bemängelte sie.
Grüne: Staatlich abgesicherte Verbrauchertäuschung
Man müsse weg von der „staatlich abgesicherten Verbrauchertäuschung“, betonte Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen). Künftig müsse die Bezeichnung des Lebensmittels der Verbrauchererwartung entsprechen, forderte die Grünen-Abgeordnete. Zudem müsse in der Kommission Transparenz herrschen, damit nachvollziehbar ist, wer welches Interesse vertreten hat.
Maisch attestierte der Großen Koalition, durchaus gute Vorschläge gemacht zu haben. So etwa vor einem Jahr, als gesündere Lebensmittel im Supermarkt, die Reduzierung von Zucker und Salz, eine Verbesserung der Kita- und Schulverpflegung, die Eindämmung der Lebensmittelverschwendung und das Ende der Quengelkassen im Supermarkt gefordert worden seien. „Davon ist aber nichts umgesetzt worden“, kritisierte Maisch und warf Minister Schmidt Arbeitsverweigerung vor. Ein weiterer Beleg dafür sei, dass der Gesetzentwurf zum Lebens- und Futtermittelgesetzbuch „seit Monaten auf dem Ministerschreibtisch herumgammelt“.
Ministerium: Leitsätze verständliche formulieren
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesagrarministerium, Dr. Maria Flachsbarth (CDU), sprach über Eckpunkte der seitens ihres Ministeriums angedachten Reform. So sei unter anderem eine Straffung der Strukturen vorgesehen. Die Grundstruktur hat sich aber laut Flachsbarth bewährt und soll ebenso wie das Konsensprinzip erhalten bleiben.
Bei der Aktualisierung der Leitsätze, so die Staatssekretärin weiter, sollen auch Erkenntnisse aus dem Internetportal einfließen. Zudem sollen die Leitsätze „in verständlichem Deutsch formuliert werden“.
Direkte Abstimmung der Anträge
Im Anschluss an die Debatte stimmte der Bundestag über den Antrag der Koalitionsfraktionen sowie über einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/242), der eine „echte“ Reform der Lebensmittelbuch-Kommission forderte, ab.
Während die Vorlage von Unions- und SPD-Fraktion angenommen wurde, fand der Grünen-Antrag keine Mehrheit. (hau/14.01.2016)