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Recht

Geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid wird bestraft

Die Sterbehilfe wird in Deutschland neu geregelt. Der Bundestag entschied sich am Freitag, 6. November 2015, für die Annahme eines von den Abgeordneten Michael Brand (CDU/CSU), Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Die Linke) und Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) und anderen fraktionsübergreifend initiierten Gesetzentwurfs (18/5373). Darin ist vorgesehen, geschäftsmäßige Suizidbeihilfe unter Strafe zu stellen und einen entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch zu schaffen. Davon betroffen sind Vereine, Organisationen und Einzelpersonen, die mit gewerbsmäßiger Absicht Suizidassistenz anbieten. Ihnen droht bei einer Verurteilung eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Angehörige oder dem Suizidwilligen nahestehende Personen, die im Einzelfall handeln, sind hingegen von der Strafandrohung ausgenommen.

Entscheidung im Stimmzettelverfahren

Die Entscheidung fiel im sogenannten Stimmzettelverfahren. Dies war nötig geworden, da sich im Vorfeld die Initiatoren der vier Gesetzentwürfe zum Thema Sterbehilfe nicht auf eine Reihenfolge für die Einzelabstimmung der Vorlagen einigen konnten. Neben dem Brand-Entwurf lagen den Abgeordneten noch drei weitere Gesetzentwürfe vor. In der dritten Beratung erhielt der Brand-Griese-Gesetzentwurf 360 von 602 Stimmen. Es gab 233 Gegenstimmen und neun Enthaltungen. In der zweiten Lesung lang der Entwurf mit 309 Ja-Stimmen vor dem Hintze-Reimann-Entwurf mit 128 Stimmen, dem Künast-Sitte-Entwurf mit 52 Stimmen und dem Sensburg-Dörflinger-Entwurf mit 37 Stimmen. 70 Abgeordnete lehnten alle vier Vorlagen ab, es gab drei Enthaltungen. In der dritten Beratung wurde nur noch über den Brand-Griese-Entwurf abgestimmt, weil dieser in der zweiten Beratung mehr Stimmen erhalten hatte als alle übrigen Gesetzentwürfe und die Nein-Stimmen zusammen.

Eine Gruppe um die Abgeordneten Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Petra Sitte (Die Linke) und Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) sprach sich in ihrem Entwurf (18/5375) für die Straffreiheit des Suizids und der Beihilfe aus. Für Ärzte sah der Entwurf vor, dass sie freiwillig beim Suizid assistieren und dabei nicht durch berufsständische Regelung eingeschränkt werden dürfen. Beihilfe sollte auch von Vereinen oder Organisationen geleistet werden, sofern diese nicht gewerbsmäßig handeln. Nur die kommerzielle Beihilfe zur Selbsttötung sollte demnach strafbar sein.

„Anstiftung und Beihilfe zum Suizid unter Strafe stellen“

In der Vorlage der Gruppe um die Abgeordneten Prof. Dr. Patrick Sensburg, Thomas Dörflinger, Peter Beyer und Hubert Hüppe (alle CDU/CSU) (18/5376) war eine Verschärfung des Strafrechts vorgesehen, um sowohl die Anstiftung als auch die Beihilfe zum Suizid unter Strafe zu stellen. Ausnahmen, etwa für Ärzte und Angehörige oder für bestimmte Krankheitsbilder, sollte es danach nicht geben.

Die dritte Gruppe um Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU/CSU), Dr. Carola Reimann, Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach und Burkhard Lischka (alle SPD) (18/5374) wollte ärztliche Suizidbeihilfe ermöglichen. Dazu war in dem Entwurf vorgesehen, eine entsprechende Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch zu schaffen, die die ärztliche Assistenz zur Selbsttötung erlaubt und anleitet. Voraussetzung für die Suizidassistenz soll sein, dass der volljährige Patient unter einer unheilbaren, tödlichen Krankheit leidet und ein krankheitsbedingtes Leiden durch Suizid abwenden möchte.

Intensive Debatte

Der Entscheidung ging eine intensive Debatte voraus, in der sich die Befürworter des Künast-Entwurfes und des Hintze-Entwurfs deutlich von dem Sensburg-Entwurf aber auch vom dem Brand-Entwurf distanzierten. Der Sensburg-Entwurf verhindere selbstbestimmtes Handeln, während der Brand-Entwurf die Suizidhilfe von Ärzten strafrechtlich relevant mache.

Befürworter der Sensburg-Initiative betonten, sie seien für ein Verbot der Hilfe zur Selbsttötung, da Sterbehilfe keine Alternative zur Pflege und Sterbebegleitung sein dürfe. Die Anhänger des Brand-Entwurfs wandten sich gegen den Vorwurf, ihr Entwurf beinhalte eine Kriminalisierung von Ärzten.

„Entwurf führt zu keiner Kriminalisierung“

Michael Brand sagte, in dem Entwurf werde eine präzise Trennung gezogen zwischen Ärzten, „die in schweren Situationen nach ihrem Gewissen handeln und anderen, die es darauf anlegen, geschäftsmäßig, mit Absicht und auf Wiederholung angelegt, die Suizidbeihilfe zu fördern“. Sowohl die Bundesärztekammer als auch Palliativmediziner hätten im Übrigen deutlich gemacht, dass dieser Entwurf zu keiner Kriminalisierung führe.

Brand verwies auch darauf, dass sich in Deutschland immer mehr kommerzielle Vereine ansiedelten, die für Suizidbegleitung werben würden. Die Erfahrungen aus Nachbarländern, wie etwa der Schweiz oder Holland zeigten: „Auch bei der Sterbehilfe schafft das Angebot eine Nachfrage.“

Wo die Palliativmedizin nicht mehr helfen kann

„Geschäftsmäßig“, das sei der Schlüsselbegriff in dem Brand-Entwurf, sagte Peter Hintze. Dies bedeute, dass es eine auf Wiederholung angelegte Handlung sein müsse. „Ein Schmerzmediziner, der Patienten zweimal hilft, steht schon im Widerholungsverdacht“, gab Hintze zu bedenken. Die Staatsanwaltschaft würde so geradezu aufgefordert zu ermitteln, mit der Folge, dass Ärzte sich zurückziehen und ihre Patienten in dieser existenziellen Not allein lassen würden.

Es gebe, so Hintze, auch Grenzen, wo die Palliativmedizin nicht mehr helfen könne. Es sei daher ein „Gebot der Nächstenliebe, den Sterbenden beim friedlichen Entschlafen zu helfen“, sagte der Unionsabgeordnete. Seiner Ansicht nach müsse sich der Staat in der größten existenziellen Not des Menschen zurückhalten. „Sagen Sie Nein zu einem Verbot und Ja zu unseren freiheitlichen Entwurf, der das Gewissen schützt und die Selbstbestimmung der Menschen sichert“, rief er die Abgeordneten auf.

Nur gewerbsmäßige Sterbehilfe verbieten

Für das Recht auf Selbstbestimmung in der Frage des Sterbens sprach sich auch Renate Künast aus. Die deutliche Mehrheit der Bevölkerung sei der Ansicht, „dass der Staat sich in der Frage, wie ich gehe, raushalten soll“, sagte sie. Dazu gehöre auch, dass über dem Arzt, dem man sich anvertrauen möchte, nicht das Damoklesschwert einer Gefängnisstrafe hängen dürfe.

Wenn an der Formulierung „geschäftsmäßig“ festgehalten werde, habe das zur Folge, dass der Arzt auf die Frage nach einer Sterbehilfe immer sagen müsse, „nein, das gehört nicht zu meinem Beschäftigungsfeld“. Wichtig sei hingegen, die Möglichkeit für ein offenes Beratungsgespräch zu geben. Der von ihr mitinitiierte Entwurf sehe daher vor, lediglich das gewerbsmäßige Anbieten der Sterbehilfe zu verbieten.

Gegen die Hilfe bei der Selbsttötung

Nicht durch die Hand eines anderen sondern an der Hand eines anderen sollen die Menschen sterben, sagte Patrick Sensburg. Er sei gegen die Hilfe bei der Selbsttötung und für die Steigerung der Akzeptanz der Palliativmedizin und den Ausbau von Hospizen. Sensburg verwies auf viele europäische Staaten, in denen die Suizidassistenz verboten sei. Dazu gehöre auch Großbritannien. Dessen Premierminister David Cameron habe in der Debatte ausgeführt, der Druck auf alte, schwache und depressive Menschen würde zunehmen, wenn es kein Verbot gebe.

Statt auf Pflege, Betreuung und Palliativmedizin zu setzen machten die Abgeordneten-Gruppen um Peter Hintze und Renate Künast Angst mit dem Szenario eines Qualtodes, dem sie die Hilfe zur Selbsttötung als humane Tat gegenüberstellten. „Das ist unseriös“, urteilte Sensburg.

Für Beibehaltung des Status quo

Für die Beibehaltung des Status quo sprach sich Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) aus. Über den von ihr mitgetragenen Antrag (18/6546) wurde schlussendlich angesichts der Mehrheitsentscheidung für den Brand-Entwurf nicht abgestimmt. Keul hatte argumentiert, für ein selbstbestimmtes Handeln brauche es die Straffreiheit.

Es gebe im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte, dass die heutige Rechtslage in Deutschland zu einem Anstieg assistierter Suizide geführt hätte. „Es geht um derart geringe Fallzahlen, dass ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht erkennbar ist“, sagte sie. (hau/06.11.2015)