Große Koalition: Viel geschafft, noch viel zu tun
Besonders freundlich ist die Stimmung so knapp vor der zweiten Halbzeit nicht. Kurz bevor das Kabinett nach kurzer Sommerpause am 12. August wieder zusammenkam und die schwarz-rote Koalition in die zweite Hälfte der Legislatur startete, hat SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi den Koalitionspartner CSU „in der Trotzecke“ verortet und Zweifel am Zusammenhalt des Regierungsbündnisses gesät. Dabei kann die Bilanz sich bislang sehen lassen. Bis zur Halbzeitpause sind viele der Vorhaben des Koalitionsvertrages abgehandelt worden: So gibt es in Deutschland seit dem 1. Januar 2015 einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Von dem Herzensprojekt der SPD profitieren rund 3,6 Millionen Menschen.
Rente mit 63, schwarze Null
Auch ihre Vorstellungen in Sachen Rente konnten die Sozialdemokraten durchboxen: Seit dem 1. Juli 2014 können Menschen, die 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, ohne Abschläge schon mit 63 Jahren in Rente gehen. Gleichzeitig bekommen Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, seither mehr Rente - das wiederum war ein besonderes Anliegen der Union.
Besonders stolz ist man bei CDU und CSU auch auf den ausgeglichenen Haushalt, der 2014 erstmals seit 1969 vorgelegt wurde. Die schwarze Null und das Versprechen, dass es keine Steuererhöhungen geben wird, gilt der Union als besondere Errungenschaft.
Tarifeinheit, Mietpreisbremse, Frauenquote
Tarifeinheitsgesetz, Mietpreisbremse und Frauenquote werden dagegen auf Seiten der Sozialdemokraten verbucht: Mit dem Grundsatz, dass in einem Betrieb der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Unternehmen gilt, der Vorgabe, dass die Aufsichtsräte von rund 100 börsennotierten Unternehmen mit 30 Prozent Frauen besetzt werden müssen und das Verbot sprunghafter Mieterhöhungen bei Neuvermietungen in speziell ausgewiesenen Gegenden haben sie durchgesetzt, zum Teil gegen den erheblichen Widerstand des Koalitionspartners.
Gleichzeitig hat die Koalition wieder zwei Projekte auf dem Tisch, die eigentlich abgeschlossen waren. Weil die EU-Kommission moniert, die Maut, die nur ausländische Fahrer belasten soll, verstoße gegen Europarecht, ist die Infrastrukturabgabe aus dem Hause Dobrindt (CSU) vorerst auf Eis gelegt. Doch auch ein zweites Projekt, für das die CSU gegen alle Widerstände gekämpft hat, muss neu verhandelt werden: Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld gekippt. Bayern will es zwar weiterzahlen, Bund und Länder müssen nun aber verhandeln, was mit den freiwerdenden Mitteln, die im Haushalt eingeplant waren, passieren wird.
Erbschaftsteuer und Finanzausgleich
Auf dem Plan stehen für die kommenden Monate zudem die Verhandlungen über die Erbschaftssteuer und den künftigen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Ebenfalls vereinbart: Die Energiewende soll vorangebracht werden, Deutschland zum führenden digitalen Standort Europas gemacht werden.
Für emotionale Diskussionen werden zeitnah vor allem drei Themen sorgen: die Flüchtlingspolitik, die weitere Griechenlandhilfe und die gesetzliche Regelung der Sterbebegleitung. Weil derzeit so viele Flüchtlinge wie nie nach Deutschland kommen, Kommunen über Überforderung klagen und Asylverfahren viel zu lange dauern, wollen sich die Partner auf einem Flüchtlingsgipfel im September auf das weitere Vorgehen einigen. Krach ist schon jetzt programmiert: Die Union würde gern weitere Balkanländer zu sicheren Herkunftsstaaten erklären. Die SPD will dem um den Preis eines Einwanderungsgesetzes zustimmen. Das aber lehnt die CSU strikt ab.
Griechenland und Sterbebegleitung
Auch die prekäre Situation Griechenlands wird den Bundestag wohl schnell wieder beschäftigen: Er müsste einem weiteren Hilfspaket zustimmen. Doch vor allem in der CDU wächst die Zahl der Kritiker.
Über Fraktionsgrenzen hinweg finden sich dagegen Abgeordnete rund um verschiedene Gesetzentwürfe zur Sterbebegleitung. Für die Abstimmung im November ist nicht vorgesehen, dass man sich innerhalb der Fraktionen zunächst auf eine gemeinsame Position verständigt. Vielmehr sollen die Parlamentarier nur auf ihr Gewissen hören. (suk/24.08.2015)