Regierungserklärung zur Griechenlandhilfe
Der Bundestag tritt am Mittwoch, 19. August 2015, um 9 Uhr im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes zu einer Sondersitzung zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages für eine Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands nach dem Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Dazu hat das Bundesministerium der Finanzen einen 144-seitigen Antrag (18/5780) und eine 69-seitige Unterrichtung mit dem griechischen Privatisierungsprogramm und dem Vermögensentwicklungsplan (18/5788) vorgelegt, über den der Bundestag namentlich abstimmt. Zu Beginn der Sitzung gibt Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) eine 20-minütige Regierungserklärung ab, an die sich bis gegen 12.05 eine Aussprache sowie die Abstimmung anschließt.
Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Erste Tranche von 26 Milliarden Euro
Das Finanzministerium möchte, dass der Bundestag eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität mit Griechenland annimmt und einem entsprechenden Memorandum of Understanding nach dem Vertrag über den Europäischen Stabilitätsmechanismus zustimmt. Zugleich soll das Parlament die Auszahlung der ersten Tranche der Finanzhilfe an Griechenland in Höhe von 26 Milliarden Euro billigen.
Ein zustimmender Beschluss würde es dem Vertreter der Bundesregierung im Gouverneursrat des ESM, Finanzminister Wolfgang Schäuble, ermöglichen, einem Vorschlag des Geschäftsführenden Direktors des ESM, Klaus Regling, für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität zwischen Griechenland und dem ESM sowie einem Memorandum of Understanding, konkretisiert und ergänzt durch eine Erklärung der Eurogruppe, zuzustimmen. Zugleich würde die Zustimmung des Bundestages den Vertreter der Bundesregierung im Direktorium des ESM, Staatssekretär Dr. Thomas Steffen vom Bundesfinanzministerium, ermächtigen, dem Entwurf einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität sowie der Auszahlung der ersten Tranche von 26 Milliarden Euro auf der Basis bestimmter Konditionen zuzustimmen.
Gouverneursrat und Direktorium wollen die Beschlüsse am Mittwoch, 19. August, um 19 Uhr fassen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) werde sich an der Auszahlung der ersten Tranche nicht beteiligen und habe seine weitere finanzielle Beteiligung vom erfolgreichen Abschluss der ersten Programmüberprüfung im Herbst dieses Jahres einschließlich der Bestätigung der Schuldentragfähigkeit abhängig gemacht, betont das Finanzministerium.
Makroökonomisches Anpassungsprogramm
Die Finanzminister der Eurozone haben am Freitag, 14. August, den Entwurf einer Vereinbarung zwischen Griechenland und den europäischen Institutionen geprüft und durch eine Erklärung konkretisiert beziehungsweise ergänzt, heißt es in dem Antrag. Die damit erzielte Vereinbarung entspreche den Zielen und Eckpunkten, die die Staats- und Regierungschefs der Eurozone auf dem Eurogipfel am 12. Juli als Voraussetzungen für ein neues, drittes Programm formuliert haben und die Grundlage des Bundestagsbeschlusses vom 17. Juli waren. Der Bundestag hatte damals zugestimmt, dass die europäischen Institutionen zusammen mit dem IWF mit Griechenland eine Vereinbarung für eine spezifische wirtschaftliche Konditionalität (Memorandum of Understanding) zu einem neuen makroökonomischen Anpassungsprogramm aushandeln.
Durch das Maßnahmenpaket sollen die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in Griechenland wiederhergestellt, die Finanzstabilität gewahrt, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Investitionen gefördert und die öffentliche Verwaltung reformiert werden. Für den griechischen Staatshaushalt werde dabei ein Haushaltssaldo ohne Zinsaufwendungen von minus 0,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2015, plus 0,5 Prozent im Jahr 2016, plus 1,75 Prozent im Jahr 2017 und plus 3,5 Prozent ab dem Jahr 2018 verankert, schreibt das Finanzministerium.
Darlehen von bis zu 86 Milliarden Euro
Der noch nicht gedeckte Finanzierungsbedarf werde nach Schätzung der vier Institutionen Europäische Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und Europäischer Stabilitätsmechanismus bis zu 86 Milliarden Euro betragen. Davon würden rund 54,1 Milliarden Euro für den Schuldendienst, rund sieben Milliarden Euro für den Abbau von Zahlungsrückständen, 7,6 Milliarden Euro zum Aufbau von Reserven und bis zu 25 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung von Banken benötigt. Bedarfsmindernd seien nach Schätzung der Institutionen bis 2018 rund zwei Milliarden Euro aus veranschlagten Haushaltsprimärüberschüssen berücksichtigt sowie rund 5,2 Milliarden Euro aus Privatisierungserlösen veranschlagt.
Vorgesehen ist, dass die Finanzhilfe als Darlehen in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro abzüglich einer erwarteten Beteiligung des IWF gewährt wird. Die maximale durchschnittliche Laufzeit der Darlehenstranchen soll 32,5 Jahre betragen. Griechenland soll bis spätestens 20. August 2018 Darlehenstranchen beantragen können. „Die Gebühren und Zinsen für das Darlehen richten sich nach der ESM-Preisgestaltungsleitlinie“, heißt es weiter. Das verbleibende mögliche Ausleihvolumen des ESM würde dann noch rund 369 Milliarden Euro betragen.
Entschließungsantrag der Grünen
Bündnis 90/Die Grünen haben einen Entschließungsantrag zur Regierungserklärung (18/5789) vorgelegt, in dem das dritte Kreditpaket als notwendig bezeichnet wird, um einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone („Grexit“) zu verhindern. Kritisiert wird darin, dass „eine verbindliche Vereinbarung über die notwendige Schuldenerleichterung weiter vertagt wird“. Die Empfehlungen des IWF zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands müssten berücksichtigt werden.
Der Reformprozess und die wirtschaftliche Erholung Griechenlands müssten so weit unterstützt werden, so die Grünen, dass das Land seine Schulden auf Basis einer wachsenden Wirtschaft zurückzahlen könne, heißt es weiter. Dringend erforderlich sei, den Finanzsektor zu stabilisieren und die Banken angesichts der akuten Kreditklemme für griechische Unternehmen zu rekapitalisieren. Griechenland brauche dringend Investitionen. Voraussetzung dafür sei, dass Griechenlands Zukunft im Euro nicht infrage gestellt wird. (vom/18.08.2015)