Mattfeldt: Beim Fracking noch viele Fragen offen
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt hat die von der Bundesregierung geplanten Neuregelungen zur Erdgasfördermethode Fracking als unzureichend kritisiert. „Die vorgelegten Gesetze gehen zwar in die richtige Richtung, doch werden darin wichtige Bereiche nicht geregelt“, kritisierte der Politiker aus dem niedersächsischen Langwedel in einem am Montag, 11. Mai 2015, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“. So bleibe offen, wie das beim Fracking anfallende, stark belastete Lagerstättenwasser umweltverträglich entsorgt werden soll. Seinen Forderungen hätten sich bereits mehr als hundert Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag angeschlossen, betont Mattfeldt. Das Interview im Wortlaut:
Herr Mattfeldt, Sie sind Unionsabgeordneter, lehnen das Gesetzespaket der Bundesregierung zum Fracking jedoch ab. Warum?
Zunächst will ich betonen, dass ich ein großer Verfechter der konventionellen Erdgasförderung war und bis heute bin. Allerdings soll das Gas so geborgen werden, dass Mensch, Natur und Umwelt nicht gefährdet werden. Ich weiß, wovon ich rede, denn seit zwanzig Jahren wird in unmittelbarer Nähe zu meinem Wohnhaus Erdgas gefördert. Die von der Regierung vorgelegten Gesetze gehen zwar in die richtige Richtung, doch werden darin wichtige Bereiche nicht geregelt. Unter anderem bleibt offen, wie das beim Fracking anfallende, stark belastete Lagerstättenwasser umweltverträglich entsorgt werden soll.
Wie viel Unterstützung haben Sie dafür in Ihrer Fraktion?
Ich bin selbst überrascht über den großen Zulauf. Weit über hundert Kolleginnen und Kollegen haben sich mir angeschlossen. Erst in der vergangenen Woche hat die CDU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen uns einstimmig unterstützt. Wir wollen im parlamentarischen Verfahren erhebliche Verschärfungen an den Gesetzentwürfen durchsetzen, um die großen Probleme, die es heute mit der konventionellen Gasförderung in Deutschland gibt, in den Griff zu bekommen. Bevor wir die nicht gelöst haben, brauchen wir gar nicht darüber reden, Erdgas auch unkonventionell, also in Schiefergestein, zu fördern.
Wo liegen die größten Probleme?
Bei einem Drittel aller Erdgasbohrungen in Deutschland wird schon heute Fracking eingesetzt. Beim Fracken selbst ist es bisher nie zu Umweltverschmutzungen gekommen, wohl aber beim unsachgemäßen Umgang mit dem Lagerstättenwasser. Zum Beispiel sind durch diffundierende Wasserleitungen im Umfeld von niedersächsischen Bohrstätten giftige Stoffe wie Benzol und Quecksilber ins Erdreich ausgetreten. Da wurden Grenzwerte um ein Zigfaches überschritten. Die Auswirkungen der Erdgasförderung spüre ich auch bei mir zu Hause. Wie viele meiner Nachbarn habe ich Risse in den Wänden, die durch Erdbeben infolge der Erdgasförderung entstanden sind. Ich bin sehr enttäuscht über die rot-grüne Landesregierung, die im Wahlkampf ein Moratorium gegen Fracking versprochen hat, das es bis heute nicht gibt.
Welche Lösungen schlagen Sie vor?
Ich habe mit meinen Mitstreitern und mittlerweile abgestimmt mit der Union ein Zehn-Punkte-Papier erarbeitet, in dem wir unter anderem eine Pflicht zur oberirdischen Aufbereitung des Lagerstättenwassers fordern. Die darin enthaltenen Schadstoffe müssen auf ein Minimalmaß reduziert werden, bevor es entsorgt wird. Wir reden dabei nicht von ein paar Litern. Allein in meinem Wahlkreis fallen jährlich 110 Millionen Liter giftiges Lagerstättenwasser an. Bisher wird das alles einfach wieder in das Erdreich verpresst, aber nicht dorthin, wo es herkommt, sondern lediglich in Tiefen zwischen 400 und tausend Metern. Das geht nicht.
Sie kritisieren, dass die Regierung die Förderung von Schiefergas oberhalb von 3.000 Metern Tiefe verbieten will. Was ist daran falsch?
Es ist eine willkürliche Festlegung, zu sagen, oberhalb von 3.000 Metern ist unkonventionelles Fracking und darunter sind andere geologische Formationen, also konventionelle Erdgasförderung. Denn Schiefergestein gibt es auch in 3.500 oder 4.000 Metern Tiefe. Ausschlaggebend in dieser Frage sollte daher die Geologie im Muttergestein sein. Das fordern wir auch in unserem Papier.
Um mehr Erfahrungen mit Fracking in Schiefergestein zu sammeln, soll es wissenschaftlich begleitete Probebohrungen oberhalb von 3.000 Metern geben. Wird das Verfahren so durch die Hintertür eingeführt?
Wir fordern, die Zahl der Probebohrungen auf maximal acht zu begrenzen. Die Befürchtungen teile ich aber auch so nicht. Wenn die Experten zu dem Schluss kommen sollten, dass unkonventionelles Fracking an einer konkreten Stelle unbedenklich ist, entscheidet immer noch das zuständige Landesbergamt über eine kommerzielle Nutzung. Dazu gehört ein Genehmigungsverfahren, eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung, die Beteiligung der Öffentlichkeit. Viele in der Union fordern darüber hinaus, einen Parlamentsvorbehalt. Angesichts dieser massiven Hürden kann ich mir nicht vorstellen, dass es in absehbarer Zeit unkonventionelles Fracking in Deutschland geben wird.
Warum nicht? In den USA boomt die Technologie, die Energiepreise sind dadurch erheblich gesunken. Könnte sich Deutschland daran nicht ein Beispiel nehmen?
Deutschland ist nicht mit der texanischen Tiefebene vergleichbar, sondern wir haben sehr verdichtete Siedlungsräume. Auch Niedersachsen ist nicht menschenleer. Wenn wir die Menschen vor Lärmemissionen und vergiftetem Trinkwasser schützen wollen, müssen wir uns fragen, ob wir an diesen Vorräten rütteln wollen oder sie gegebenenfalls für nachfolgende Generationen als Reserve bewahren möchten.
In Niedersachsen werden große Vorkommen an Schiefergas vermutet. Ist das nicht eine Riesenchance für Ihre Heimat?
Die Arbeitsplätze in der Erdgasindustrie sind wichtig und ich wünsche mir auch, dass es mehr werden. Aber mir geht es auch um die Arbeitsplätze in anderen Branchen, etwa in der Lebensmittelindustrie. Ein Beispiel: Ein Landwirt in meiner Region hat Kartoffeln angebaut, die an eine große Fast-Food-Kette geliefert wurden. Nachdem das mit dem Benzol passiert ist, hat er seinen Liefervertrag verloren, rein prophylaktisch, denn tatsächlich waren seine Kartoffeln nicht betroffen. Dieser Mann produziert heute keine Kartoffeln mehr, er musste seine Mitarbeiter entlassen. So etwas müssen wir in Zukunft verhindern.
Wie soll das gehen?
Die bestehenden Gesetze müssen der heutigen Technik angepasst werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir die so genannten Tabuzonen, in denen Fracking nicht eingesetzt werden darf, ausweiten müssen. Bisher plant die Bundesregierung ein Verbot beispielsweise in Wasserschutzgebieten oder bei Wasserentnahmestellen zur Herstellung von Getränken. Aber auch viele Unternehmen in der Lebensmittelindustrie nutzen eigene Brunnen für ihre Produktion. Auch sie müssen per Gesetz geschützt werden.
Als Argument für unkonventionelles Fracking wird auch gern die Versorgungssicherheit angeführt. Könnte Schiefergas eine Alternative zu russischem Gas sein, wenn Moskau nicht mehr liefern will?
Wenn Russland den Gashahn zudreht, werden wir die Lücke unmöglich durch eigene Vorkommen schließen können. Wir sind leider ein Energieimportland und das werden wir bleiben, ob mit Fracking oder ohne. In diesem Zusammenhang verwundert es auch, dass die Bundesregierung einem Verkauf des deutschen Öl- und Gaskonzerns RWE Dea an russische Eigentümer zugestimmt hat.
Die neuen Fracking-Regeln sollen im Juni den Bundestag passieren. Werden Sie sich mit Ihren Forderungen durchsetzen?
Ich bin sehr optimistisch. Wir haben schon bewirkt, dass die vorliegenden Gesetzentwürfe in weiten Teilen unsere Handschrift tragen. In den kommenden Wochen werden wir hart daran arbeiten, sie um die genannten Punkte zu ergänzen. Wenn uns das nicht gelingen sollte, wird es schwer werden, Mehrheiten herbeizuführen.
(joh/11.05.2015)