Fragen zum Lärmschutz bei Sportanlagen
In der Fragestunde (18/4139) am Mittwoch, 4. März 2015, erkundigt sich Katrin Kunert (Die Linke), in welchem Zeitrahmen die Bundesregierung glaubt, den Konflikt zwischen der Nutzung von Sportanlagen und dem Ruhebedürfnis der Anwohner durch gesetzliche Regelungen lösen zu können. Kunert plädiert im Interview für einen „fairen Interessenausgleich“. Einen Kompromiss werde es nur geben, „wenn alle Parteien aufeinander zugehen und Stadtentwickler von Anfang an bestehende Sportanlagen berücksichtigen“.
Aus Sicht der Sportpolitikerin müssten sowohl der „Altanlagenbonus“ erhalten bleiben als auch die Regelungen zum Kinderlärm auf alle Sportanlagen angewandt werden. „Eine Lösung um den Preis der Einschränkung des Sports darf es nicht geben“, fordert sie. Am Handeln der Bundesregierung in dieser Frage übt die Linke-Abgeordnete Kritik. Immer wieder sei davon die Rede, dass es noch Prüfbedarf gebe und der Diskussionsprozess noch nicht beendet sei. Zu Unrecht, wie Kunert findet: „Es liegen genügend Lösungsvorschläge aller wichtigen Akteure auf dem Tisch. Jetzt muss endlich politisch entschieden werden“, fordert sie. Das Interview im Wortlaut:
Frau Kunert, die Sportstättennutzung gerät mit dem Anspruch auf Lärmschutz für die Anwohner solcher Sportstätten immer öfter in Konflikt. Wie kommt es aus ihrer Sicht zu dieser Entwicklung?
Etwa seit dem Jahr 2000 nehmen diese Konflikte wieder zu. Dies hängt zusammen mit veränderten Rahmenbedingungen. Erstens werden immer mehr Wohnungen in der Nähe von Sportanlagen gebaut. Zweitens sind Menschen generell einer steigenden Lärmbelastung ausgesetzt - durch zunehmenden Straßen-, Schienen- und Flugverkehr. Sie werden also immer sensibler, was das Thema Lärm angeht. Jeglicher Lärm stört. Das Ruhebedürfnis steigt. Drittens ist es gerade in den letzten 15 Jahren zu enormen Veränderungen im Arbeitsleben gekommen. Es gibt flexiblere Arbeitszeiten, aber auch mehr Stress. Immer öfter werden Sportanlagen in den Abendstunden und an den Wochenenden genutzt. Die Menschen wollen aber auch ausruhen und sie klagen sich diese Ruhe per Gericht ein.
Oft bekommen sie dabei auch Recht. Der organisierte Sport beklagt nun, dass als Folge solcher Gerichtsentscheidungen die Nutzung der Sportstätten immer stärker eingeschränkt wird. Als Sportpolitikerin werden Sie das bedauern. Andererseits haben Sie ja auch das Recht auf entspannte Ruhe für die Anwohner angesprochen. Was kann getan werden, um einen Kompromiss zu erzielen?
Mir geht es um einen fairen Interessenausgleich zwischen der Nutzung von Sportanlagen und dem Ruhebedürfnis der Anwohner. Das eine darf nicht über das andere gestellt werden. Allerdings: Sportanlagen waren immer zuerst da. Konflikte entstanden und entstehen, wenn Wohnbebauung hinzukam oder noch hinzukommt. In der Stadtentwicklung wurde versäumt, darüber zu reden, wie beides - Sport und Wohnen - funktionieren kann. Einen Kompromiss wird es nur geben, wenn alle Parteien aufeinander zugehen und Stadtentwickler von Anfang an bestehende Sportanlagen berücksichtigen, auch in der Bürgerbeteiligung. Unsinnige Regelungen - wie Kinderlärm nur in Kitas, auf Spiel- und Bolzplätzen, aber nicht auf Sportanlagen - müssen aufgehoben werden. Auch kann es nicht länger hingenommen werden, dass der Verkehrslärm geringer bewertet wird als Sportlärm. Den Sportvereinen wäre schon viel geholfen, wenn die Nutzungszeiten für Sportanlagen geändert werden, also in den Abendstunden und an den Wochenenden mehr Sport getrieben werden kann. Der Altanlagenbonus müsste erhalten bleiben und die Regelungen zum Kinderlärm müssten auf alle Sportanlagen angewandt werden. Eine Lösung um den Preis der Einschränkung des Sports darf es nicht geben.
In der Fragestunde erkundigen Sie sich nach dem Zeitplan der Bundesregierung für die Lösung des Problems. Geht es Ihnen zu langsam?
Ja, mir geht es zu langsam. Ich bin seit 2005 im Bundestag. Seitdem begleitet mich dieses Problem. Und seit 2009 prüfen unterschiedliche Regierungskoalitionen mögliche Änderungen der Lärmschutzbedingungen für Sport- und Spielplätze. Nur für Letztere wurden in der vergangenen Wahlperiode Regelungen geändert. Auch in dieser Wahlperiode will man erst einmal prüfen. In einer Sportausschusssitzung Anfang dieses Jahres meinte der Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium Florian Pronold (SPD), dass der Diskussionsprozess zu der Frage noch nicht abgeschlossen sei. Ich finde, es liegen genügend Lösungsvorschläge aller wichtigen Akteure auf dem Tisch. Jetzt muss endlich politisch entschieden werden. Es geht um eine bundesweit geltende Regelung.
Sie sprachen vom Altanlagenbonus. Was ist darunter zu verstehen?
Vor 1991 errichtete Sportanlagen unterliegen hinsichtlich der Nutzung nicht so strengen Richtlinien, daher „Altanlagenbonus“. Wenn diese Anlagen aber modernisiert oder saniert werden müssen, gelten sie nicht mehr als „Altanlagen“. Der Bonus entfällt - mit der Folge von Nutzungseinschränkungen oder Schließungen von Sportanlagen. Daher fordern der Städtetag und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) auch die Sicherung des „Altanlagenbonus“. Das Land Nordrhein Westfalen hat hierzu bereits einen Erlass herausgegeben, der den Bestandsschutz bestehender Sportanlagen regelt und präzisiert, Zudem sind darin Baumaßnahmen aufgeführt, die nicht zum Verlust des Altanlagenbonus führen. Betriebszeitenbeschränkungen können aufgrund von bestimmten Modernisierungs-, Sanierungs-, Umbau- und Neubaumaßnahmen bei Sportanlagen, die vor dem 18. Juli 1991 errichtet wurden, nicht auferlegt werden. Diese Regelung könnte Vorbild für eine Bundesregelung sein.
Ebenfalls angesprochen haben Sie auch Regelungen, wonach Kinderlärm nur in Kitas, auf Spiel- und Bolzplätzen geduldet wird, aber nicht auf Sportanlagen. Was ist damit gemeint?
Mit der Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes in der letzten Wahlperiode wird Kinderlärm unterschiedlich behandelt. So dürften Kinder auf einem Bolzplatz oder in einer Kita entsprechend der 2011 gesetzlich festgeschriebenen „Kinderlärm-Privilegierung“ Lärm verursachen. Auf einem danebengelegenen Sportplatz im Vereinstraining können dieselben Kinder dies nur mit Einschränkungen und nur zu bestimmten Zeiten.
Was passiert in dem Fall, dass es zu keinem tragfähigen Kompromiss kommt?
Im Sportausschuss hatte der Vertreter des Deutschen Fußballbundes (DFB) sehr anschaulich die Folgen beschrieben. Die Sportanlagen könnten nur noch eingeschränkt genutzt werden. Das bedeutet für den DFB: weniger Mannschaften; weniger Trainings- und Sportangebote, weniger Trainer, weniger Engagierte, weniger Vereine. Alles in allem würde das dazu führen, dass weniger Sport getrieben wird. Das aber liegt nicht in unser aller Interesse.
(hau/03.03.2015)