„Verzeichnis radioaktiver Abfälle“ in der Kritik
In der achten Sitzung der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ (Endlager-Kommission) unter Vorsitz von Michael Müller haben sich die Mitglieder am Montag, 19. Januar 2015, zunächst mit der Abfallbilanz und dem Entwurf des „Nationalen Entsorgungsprogramms“ beschäftigt. Zudem waren die Konsequenzen eines Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts zur Zwischenlagerung am Standort Brunsbüttel Thema.
„Wir brauchen eine detailgetreue Aufstellung“
Die Diskussion drehte sich um das bereits seit einigen Monaten vorliegende „Verzeichnis radioaktiver Abfälle“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und den Entwurf für das „Nationale Entsorgungsprogramm“.
Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die aus seiner Sicht fehlende Tiefe der Dokumente. „Wir brauchen eine deutlich detailreichere Aufstellung für unsere Arbeit“, sagte Wenzel. Dies gelte zum Beispiel für die Eigenschaften des radioaktiven Inventars. Wichtig sei zudem, die Daten über die Abfallstoffe in den öffentlichen Bestand zu überführen.
„Alle Angaben öffentlich erfassen“
Vertreter der Wissenschaft in dem Gremium hielten hingegen eine solch detailgetreue Bilanz für nicht zwingend notwendig für die Arbeit der Kommission. Michael Sailer sagte, dass die bisher vorliegenden Daten ausreichend seien, um Kriterien und Verfahren der Endlagersuche auszuloten. Detaillierte Daten wären hingegen zu einem späteren Zeitpunkt zum Beispiel nötig, um Sicherheitsanalysen zu hinterfragen.
Ähnlich äußerten sich Prof. Dr. Bruno Thomauske und Prof. Dr.-Ing. Wolfram Kudla. Sailer verwies allerdings auch auf die Notwendigkeit, alle Angaben öffentlich zu erfassen. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass die privaten Abfallinhaber sehr verschlossen sind.
Enge Zusammenarbeit mit den Ländern
Ein Vertreter des Umweltministeriums verwies darauf, dass eine detaillierte Aufstellung im Grundsatz möglich sei. Dazu bedürfe es aber einer engen Zusammenarbeit mit den Ländern und deren jeweiligen Atomaufsichtsbehörden, bei denen die „fundiertesten Kenntnisse“ lägen. Die vorgelegten Dokumente hätten sich an Vorgaben einer EU-Richtlinie orientiert. Hinsichtlich der Datenerfassung berichtete der Vertreter des Ministeriums, dass eine entsprechende gesetzliche Grundlage angestrebt werde, um mehr „Verbindlichkeit“ zu schaffen.
Die Kommissionsmitglieder thematisierten zudem einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom vergangenen Freitag, 16. Januar. Das Gericht hatte laut Medienberichten eine Beschwerde des Umweltministeriums gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hatte damals geurteilt, dass die Sicherheitsprüfung für das Atommüll-Zwischenlager in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein nicht ausgereicht habe.
Betrieb in Brunsbüttel geduldet
Damit hob das Leipziger Gericht nun faktisch die Genehmigung für das Zwischenlager auf. Der Vertreter des Umweltministeriums erklärte, dass das Ministerium noch keine abschließende Position zu dem Beschluss ausgearbeitet habe. Er betonte – ebenso wie Wolfram König, Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz –, dass das Gericht keine Aussage über die tatsächliche Sicherheit am Endlagerstandort getroffen, sondern vor allem auf Verfahrensfragen abgestellt habe.
Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Kommissionsmitglied und Umweltminister Schleswig-Holsteins, verteidigte seine Entscheidung, den Betrieb am Standort durch eine atomrechtliche Anordnung bis Anfang 2018 zu dulden. Dies sei keine Umgehung des Urteils, sondern notwendig, um eine Rechtsgrundlage zu schaffen. Die gesetzte Frist für das ordnungsgemäße Genehmigungsverfahren sei ehrgeizig, aber machbar, sagte der Minister. (scr/19.01.2015)