„Medizinprodukte in Europa sicherer machen“
Die Sicherheit von Medizinprodukten sollte nach Ansicht der Abgeordneten des Bundestages europaweit weiter verbessert werden. Das bekräftigten Sprecher aller vier Fraktionen am Donnerstag, 17. Dezember 2015, in einer Debatte über einen Antrag der Grünen (18/6650), in dem darauf hingewiesen wird, dass seit Jahren immer wieder über unzureichend geprüfte, fehlerhafte oder sogar gefälschte Implantate berichtet werde. In einzelnen Fällen handele es sich um Betrug, wie etwa in dem vor einigen Jahren bekannt gewordenen Skandal um die mit Industriesilikon gefüllten, minderwertigen Brustimplantate aus Frankreich.
Produkthaftpflichtversicherung gefordert
In ihrem Antrag, den der Bundestq fordern die Grünen unter anderem eine Produkthaftpflichtversicherung für alle Hochrisiko-Medizinprodukte und Implantate. Ferner müssten Studien zu Medizinprodukten der höchsten Risikoklasse III und Implantaten erfasst und öffentlich zugänglich gemacht werden.
Für solche Produkte müssten außerdem klinische Prüfungen zum Nachweis der Wirksamkeit verpflichtend werden. Union und SPD halten die von den Grünen aufgezeigten Reformvorschläge für wenig zielführend, Die Linke schloss sich den Forderungen hingegen an. Der Antrag wurde schließlich mit den Stimmen von Union und SPD abgelehnt.
Grüne: Unrühmliche deutsche Rolle bei Trilogverhandlungen
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) forderte verschärfte Zulassungskriterien und erinnerte daran, dass immer wieder problematische Medizinprodukte auf den Markt kämen. Bei den derzeit laufenden sogenannten Trilogverhandlungen von EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat zu dem Themenkomplex spiele die deutsche Seite eine „unrühmliche“ Rolle, beklagte sie und fügte hinzu, wirtschaftliche Interessen dürften nicht das alleinige Kriterium bei der Zulassung und Bewertung von Medizinprodukten sein.
Als vorbildlich führte sie das Zulassungs- und Überwachungsverfahren in den USA an. Auch in Deutschland müsse der Schutz für Patienten wirksam verbessert werden.
Linke: Skandalöse Praxis beenden
Harald Weinberg (Die Linke) erinnerte gleichfalls an die lange Liste von Skandalen und Pannen im Bereich der Medizinprodukte. Gesundheitsschäden würden dabei in Kauf genommen, die Betroffenen blieben auf den Kosten sitzen. Weinberg forderte: „Diese skandalöse Praxis muss beendet werden.“
Es könne nicht sein, dass hierzulande Medizinprodukte quasi im „Freilandversuch“ an Menschen erprobt würden. Die derzeitige Praxis sei ein „Schlaraffenland“ für Hersteller und ein Albtraum für Patienten. Auch er lobte die in den USA gängigen Zulassungsverfahren sowie die dort übliche Transparenz als nachahmenswert.
CDU/CSU: Patientenwohl hat oberste Priorität
Redner von Union und SPD hielten der Opposition vor, kostspielige und bürokratische Änderungen anzustreben, die sich zum Nachteil der Patienten und der Wirtschaft auswirken würden. Heiko Schmelzle (CDU/CSU) versicherte, das Patientenwohl habe oberste Priorität. Ein Skandal wie der mit den minderwertigen Brustimplantaten der französischen Firma dürfe sich nicht wiederholen.
In der Folge seien auch schon Verbesserungen auf den Weg gebracht worden, so etwa der Implantate-Pass, mit dem ein Medizinprodukt in der Herstellung zurückverfolgt werden könne. Eine Haftpflichtversicherung für Hersteller auf freiwilliger Basis sei heute schon Marktstandard. Er wandte sich aber dagegen, eine Parallelstruktur zu den jetzigen Regelungen aufzubauen. Ein Systemwechsel für das Zulassungsverfahren werde nicht gebraucht.
„Vertrauen wieder herstellen“
Dietrich Monstadt (CDU/CSU) räumte ein, dass mit dem Silikonskandal in Frankreich das Zutrauen der Verbraucher in die Sicherheit der Medizinprodukte gelitten habe. Das Vertrauen müsse wieder hergestellt werden.
Die Forderung nach einem komplexen staatlichen Zulassungsverfahren wie in den USA sei aber falsch, zumal die Patienten davon profitierten, dass regelmäßig innovative Produkte schnell zur Verfügung stünden. Es müsse jetzt darum gehen, die Instrumente im bestehenden System nachzujustieren.
SPD: Wichtiger Leitmarkt in Deutschland
Auch die SPD-Redner wandten sich dagegen, Patienten und die Wirtschaft gegeneinander auszuspielen. Martina Stamm-Fibich (SPD) umriss die wirtschaftliche Bedeutung der Branche mit weltweit rund 400.000 Produkten. In Deutschland sei dies ein wichtiger Leitmarkt mit 95.000 Mitarbeitern und einem hohen Exportanteil.
Deutschland stehe bei den Innovationen in diesem Bereich global an zweiter Stelle. Es stehe aber außer Frage, dass Medizinprodukte vor allem sicher sein müssten. Die Risiken müssten bewertet und die Patienten geschützt werden. Auch sie sprach sich dafür aus, Verbesserungen im bestehenden System zu schaffen. Die EU-Verhandlungen befänden sich ja offenbar auch auf einem guten Weg. (pk/17.12.2015)