Das Hohe Haus aus zwei Blickwinkeln betrachtet
Am Ende schien es fast, als hätte das Streitgespräch noch etwas mehr Streit vertragen können. „Sie waren weniger streitlustig als ich gedacht habe“, resümierte Prof. Dr. Ulrich Schöler, Leiter Wissenschaft und Außenbeziehungen der Bundestagsverwaltung, nachdem der Buchautor Prof. Dr. Roger Willemsen und die CDU-Fraktionsvorsitzende im rheinland-pfälzischen Landtag, Julia Klöckner, sich mit der Frage auseinandergesetzt hatten, ob niemand mehr gute Reden im Parlament zu halten braucht. Anlass für dieses W-Forum der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages am Dienstag, 18. November 2014, war Willemsens Buch „Das Hohe Haus - Ein Jahr im Parlament“.
Streitbar und umstritten
Ein Jahr lang, 2013, hat Willemsen, langjähriger Publizist und Moderator, von der Tribüne des Plenarsaals aus Bundestagsdebatten verfolgt und darüber einen Bestseller geschrieben, der sich bis heute fast 200.000 Mal verkauft hat.
Ein „streitbares wie umstrittenes Buch“, sagte Ulrich Schöler. Denn dass Willemsens Wahrnehmungen auf der Tribüne von einer Abgeordneten wie Julia Klöckner, die dem Bundestag von 2001 bis 2011 angehörte, nur geteilt würden, war nicht zu erwarten. Klöckner hatte in Willemsens Buch „vieles Treffsichere“ gefunden, aber auch Punkte, über die sie diskutieren wolle.
„Den Laden zusammenhalten“
Sein Impuls sei die Frage gewesen, warum sich das Volk nicht für das Parlament interessiert, sagte der Autor. Umgekehrt habe er als mündiger Bürger wissen wollen: Was weiß das Parlament von mir? Nimmt das Parlament selber wichtig, was es tut? Das Parlament müsse daran gemessen werden können, was es der Öffentlichkeit zu verstehen gibt. Zwar sehe er die Notwendigkeit einer Fraktionsdisziplin ein, doch wird aus seiner Sicht zu oft davon Gebrauch davon gemacht - aus „karrieretechnischen Gründen“.
Juli Klöckner machte deutlich, dass es im Plenarsaal nicht darum gehe, den anderen von der eigenen Position zu überzeugen. Wer das glaube, sei nicht in den Gremien und Ausschüssen gewesen, in denen „Hunderte von Stunden“ an einem Gesetz gearbeitet werde. Sie wandte sich auch gegen die Vorstellung, ein Parlament wäre besser mit mehr Solisten, die öfter mal gegen die eigene Fraktion stimmen würden, wie Willemsen es sich wünscht. „Man muss den Laden zusammenhalten, verlässlich sein.“
Die politische Biografie
Wenn es ein Merkel-kritisches Buch sei, sagte Willemsen, dann deshalb, weil die Kanzlerin zur „Depolitisierung bei kritischen Themen“ beitrage. Dem hielt Julia Klöckner entgegen, die Kanzlerin sei deeskalierend, nicht zuspitzend. „Vielleicht liegt es doch daran, was einer sagt, ob er Ihr Wohlgefallen findet“, mutmaßte sie.
Kein Mensch werde seine politische Biografie verleugnen können, entgegnete Willemsen. Seine habe mit der RAF-Zeit, mit Wackersdorf und der Studentenbewegung zu tun. „Ich kann nur jedem wünschen, eine politische Biografie zu erwerben“, betonte er. (vom/18.11.2014)