„Den Missbrauch der EU-Freizügigkeit verhindern“
Wer das europäische Freizügigkeitsrecht missbraucht soll härter bestraft werden. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/2581, 18/3004) vor, über den der Bundestag am Donnerstag, 6. November 2014, im Anschluss an die um 15.10 Uhr beginnende 45-minütige Debatte abstimmt. Dazu liegen die Beschlussempfehlung des Innenausschusses (18/3077), ein Änderungsantrag der Grünen (18/3079) sowie Entschließungsanträge der Linken (18/3080) und der Grünen (18/3081) vor. Das Gesetz enthält unter anderem ein befristetes Wiedereinreiseverbot im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug bezüglich des Freizügigkeitsrechts.
Zugleich sollen Wiedereinreiseverbote von Amts wegen befristet werden statt wie bisher nur auf Antrag. Die Beschaffung von Aufenthaltskarten oder anderen Aufenthaltsbescheinigungen gemäß Freizügigkeitsgesetz/EU durch unrichtige oder unvollständige Angaben soll unter Strafe gestellt und das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche „unter Berücksichtigung der Vorgaben des Unionsrechts“ befristet werden.
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„Wiedereinreisesperren besonders problematisch“
Vorgesehen ist in dem Entwurf zudem, dass der Bund die Kommunen „wegen der besonderen Herausforderungen, die sich aus dem verstärkten Zuzug aus anderen EU-Mitgliedstaaten ergeben, zusätzlich zu den bereits beschlossenen Hilfen in diesem Jahr um weitere 25 Millionen Euro entlastet“.
Während einer Expertenanhörung vor dem Innenausschuss stieß die Regierungsvorlage auf ein geteiltes Echo. So wurden die vorgesehenen Wiedereinreisesperren von Dr. Klaus Dienelt, Richter am Verwaltungsgericht Darmstadt, als „besonders problematisch“ bezeichnet, da sie nicht mit dem EU-Recht vereinbar und auch nicht erforderlich sei.
„Missbrauch von Leistungen nicht das Hauptproblem“
Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Daniel Thym von der Universität Konstanz erkannte hingegen keine Rechtsbedenken gegenüber der Neuregelung bei den Wiedereinreisesperren. Zugleich verwies er darauf, dass es in der EU kein unbedingtes Recht auf Freizügigkeit gebe. An der europarechtlichen Konformität der Befristung der Arbeitsuche gebe es daher keinen Zweifel.
Die Vertreterin des Deutschen Landkreistages, Dr. Irene Vorholz, begrüßte die Wiedereinreisesperren. Es stelle sich jedoch die Frage, wie praktikabel diese seien. Die missbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen sei vor Ort nicht die Hauptproblematik, sagte Dr. Franziska Giffey vom Berliner Bezirksamt Neukölln. Vielmehr gebe es zunehmend Eigentümer und Arbeitgeber, die die Armutswanderung insbesondere aus Bulgarien und Rumänien ausnutzen würden, um daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln.
„Betroffene Kommunen substanziell entlasten“
Bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes Ende September begründete Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) die Vorlage. Gerade weil man die Freizügigkeit in Europa erhalten und ihre Akzeptanz in der Gesellschaft sichern wolle, sei es wichtig, gegen einen Missbrauch dieses Rechts wirkungsvoll vorzugehen, sagte de Maizière. Zugleich wolle man mit dem Gesetz die betroffenen Kommunen „substanziell entlasten“.
Dr. Lars Castellucci (SPD) machte deutlich, man könne die Zuwanderung nicht einfach laufen lassen. „Man muss sie steuern, man muss sie gestalten“, sagte er. Wenn die europäische Freizügigkeit missbraucht werde, um vom deutschen Sozialleistungssystem zu profitieren, leidet das Vertrauen, sagte Andrea Lindholz (CDU/CSU). „Betrug und Missbrauch dürfen wir nicht dulden; denn auch das schadet der europäischen Idee“, betonte sie.
„Sie kommen hierher, um zu arbeiten“
Zuwanderer aus Osteuropa kämen nicht nach Deutschland, um Sozialleistungen zu beziehen, sagte hingegen Ulla Jelpke (Die Linke). „Sie kommen hierher, um zu arbeiten“, fügte sie hinzu. Schärfere Überprüfungen beim Kindergeldbezug und Einreisesperren widersprächen klar dem Gedanken der europäischen Freizügigkeit und würden von ihrer Fraktion abgelehnt werden, sagte Jelpke.
Wiedereinreisesperren seien „von vorne bis hinten EU-rechtswidrig und verstoßen gegen den Wortlaut europäischen Rechts“, sagte Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen). Zudem sei die geplante Entlastung der Kommunen in Höhe von 25 Millionen Euro unzureichend. (hau/30.10.2014)