Ulla Jelpke unterstützt kurdischen Politiker
Die Verbindung von Ulla Jelpke zum türkischen Politiker Hatip Dicle währt schon gut 20 Jahre. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke ist seit Anfang der 90er Jahre immer wieder in das kurdische Gebiet der Türkei gereist und macht immer wieder auf das Schicksal der Kurden in der Türkei aufmerksam. Als sie in der vergangenen Legislaturperiode gebeten wurde, Dicle über das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Bundestages zu unterstützen, sagte sie sofort zu. Dicle wurde 1954 in Diyarbakır in Südostanatolien geboren. Er engagiert sich seit den siebziger Jahren politisch für die Rechte der Kurden. 1991 Jahre zog er erstmals ins nationale Parlament ein. Seine Partei wurde zwei Jahre später verboten, Dicle wurde zum Vorsitzenden der Nachfolgeorganisation gewählt. „1994 wurde er das erste Mal mit vier anderen Abgeordneten verhaftet“, erzählt Jelpke.
„Zehn Jahre hat er abgesessen“
Dicle und seinen Kollegen sei Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, gemeint ist die Arbeiterpartei Kurdistans PKK, vorgeworfen worden. Alle fünf wurden zu 15 Jahren Haft verurteilt. „Zehn Jahre hat er abgesessen, er ist nur freigekommen, weil die EU viel Druck gemacht hat“, sagt Jelpke.
Inwieweit Dicle tatsächlich in die PKK, die auch von der EU als terroristische Vereinigung eingestuft ist, involviert ist, kann die Dortmunder Abgeordnete nicht sagen. „Es ist unmöglich, keinen Kontakt zur PKK zu haben“, sagt sie über das politische Engagement von Kurden in der Türkei. „In der Guerilla war er definitiv nicht“, ist sie sich sicher. 2009 wurde er erneut festgenommen, diesmal im Zuge einer Operation gegen die verbotene Teilorganisation der PKK Koma Civakên Kurdistan.
Kandidatur aus dem Gefängnis heraus
Er kandidierte aber aus dem Gefängnis heraus zwei Jahre später als unabhängiger Kandidat für das nationale Parlament. Er gewann zwar den Sitz, das Mandat wurde ihm jedoch aufgrund seiner Haftstrafe aberkannt. Statt ihm durfte nun eine Kandidatin der Regierungspartei AKP ins Parlament einziehen, was die Zahl der AKP-Sitze naturgemäß um einen erhöhte.
„Ich mache seit Jahren die Verhältnisse im kurdischen Teil der Türkei öffentlich“, begründet Jelpke ihr Engagement. In wenigen Wochen wolle sie erneut für 14 Tage in die Region fahren und sich informieren. 1993 habe sie während eines Besuchs zum kurdischen Neujahrsfest massive Übergriffe türkischer Soldaten gesehen. „Wir haben miterlebt, wie die Leute mit Panzern in einen Fluss gedrängt wurden. Etwa 16 Leute sind ertrunken“, sagt Jelpke.
„Alle wurden gefilzt und bedroht“
Die Feiern seien eigentlich friedlich verlaufen, waren aber als Bestandteil der kurdischen Kultur von der Regierung verboten. Sie selbst und ihre Begleiter hätten sich an diesem Tag in Sicherheit bringen können, hätten aber ihr Hotel nicht verlassen dürfen. Bei einem späteren Treffen mit Abgeordneten seien erneut Soldaten erschienen: „Alle wurden gefilzt und bedroht.“
Sie selbst sei als Terroristin bezeichnet worden. Erst als Jelpke den Botschafter erreicht habe, seien die Soldaten abgezogen worden. Die Krönung für Jelpke: „Wir konnten belegen, dass dort deutsche Waffen eingesetzt wurden.“
„Irrtümer und Vorurteile ausräumen“
Jelpke unterstützt Dicle vor allem darin, dass sie die Situation der Kurden immer wieder thematisiert. „Aufklärung ist auch in Hatips Sinne.“ Es gehe ihr darum, Irrtümer und Vorurteile auszuräumen. „Dass alle Kurden Separatisten sind, die einen eigenen Staat wollen, stimmt seit spätestens Mitte der Neunziger nicht mehr“, nennt sie ein Beispiel. Das Verbot der PKK in Deutschland habe sie in Kleinen Anfragen im Bundestag hinterfragt. Es gehe ihr um die Frage, was hierzulande als terroristisch angesehen werde.
In den vergangenen Jahrzehnten habe sich die Situation der Kurden Gott sei Dank verbessert. „Inzwischen gibt es mehr als zehn Abgeordnete aus der kurdischen Region im Parlament.“ Auch sei die Region wirtschaftlich stärker geworden, an einigen Privatschulen gebe es sogar Kurdisch-Unterricht. „Aber leider noch nicht an öffentlichen Schulen“, sagt Jelpke.
Engagement für die Frauen in der Region
Sie engagiere sich auch viel für die Situation der Frauen in der Region. Einerseits sei sie beeindruckt von den Bemühungen um Gleichstellung. So gebe es viele Bürgermeisterinnen. Andererseits nähmen immer noch viele Väter Schulbesuche für Mädchen nicht ernst. „Ich fahre mit einer Kurdin zu den Patriarchen und werbe um Bildung für ihre Töchter.“
Hatip Dicle ist übrigens kürzlich nach fast fünf Jahren aus seiner Haft entlassen worden. Er kann daher erneut für die Parlamentswahl kandidieren. Allerdings läuft der Prozess gegen ihn weiter. Jelpke will daher die Patenschaft für ihn weiterführen. (ske/21.07.2014)