Oppositionsrechte in dieser Wahlperiode
Der Bundestag befasst sich am Donnerstag, 3. April 2014, ab etwa 14.50 Uhr erneut mit den Rechten der parlamentarischen Minderheit. Zu der auf eine Stunde veranschlagten Debatte stehen neben einem Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD zur „Änderung der Geschäftsordnung zur besonderen Anwendung der Minderheitenrechte in der 18. Wahlperiode“ (18/481) auch zwei gemeinsame Vorlagen der Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen (18/379, 18/380) sowie ein Gesetzentwurf der Linksfraktion (18/838) zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Parlaments. Beide Oppositionsfraktionen stellen in der laufenden Legislaturperiode zusammen ein Fünftel der Bundestagsabgeordneten. Über den gemeinsamen Antrag von CDU/CSU und SPD sowie über den Gesetzentwurf der Linken stimmt der Bundestag namentlich ab. Der Geschäftsordnungausschuss hat empfohlen, den Koalitionsantrag anzunehmen und die übrigen Vorlagen abzulehnen (18/997).
Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
„Schutz der parlamentarischen Minderheit“
Die Koalition schreibt in ihrem Antrag, das Grundgesetz und die Geschäftsordnung des Bundestages brächten „Verantwortlichkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten der Mehrheit und der nicht die Regierung tragenden Fraktionen zu einem angemessenen Ausgleich“. Die Regeln des Grundgesetzes und der Geschäftsordnung würden „grundsätzlich auch der politischen Konstellation der 18. Wahlperiode gerecht“.
Dabei gehe der „Schutz der parlamentarischen Minderheit nicht dahin, die Minderheit vor Sachentscheidungen der Mehrheit zu bewahren, wohl aber dahin, der Minderheit zu ermöglichen, ihren Standpunkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen“.
„Besondere Anwendung der Minderheitenrechte“
Nach dem Willen der Unions- und der SPD-Fraktion soll in die Geschäftsordnung des Bundestages ein Paragraf 126a mit dem Titel „Besondere Anwendung der Minderheitenrechte in der 18. Wahlperiode“ eingefügt werden. Danach sollen eine Reihe von Minderheitenrechten, die an die Erfüllung von Mindestquoren gebunden sind, auch unter den „Mehrheitsverhältnissen der 18. Wahlporiode Anwendung finden können“.
So soll etwa die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses oder einer Enquete-Kommission, die bislang auf Antrag eines Viertels der Bundestagsabgeordneten eingesetzt werden müssen, in der laufenden Legislaturperiode „auf Antrag aller Mitglieder der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen“, erfolgen.
Unterschiedliche Debattenformate
Der Antrag sieht zudem eine Regelung zur Verteilung der Redezeiten auf die Fraktionen vor. Danach sollen bei Redezeiten von insgesamt 25 Minuten jeweils vier Minuten auf Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen entfallen und bei dem sogenannten Debattenformat „S“ (wie „Standard“) mit Redezeiten von insgesamt 38 Minuten jeweils fünf Minuten auf die beiden Oppositionsfraktionen.
Bei dem einstündigen Debattenformat „M“ (wie „Mittel“) sind in der Vorlage jeweils acht Minuten Redezeit pro Oppositionsfraktion vorgesehen und bei dem Format „L“ (wie „Lang“) mit Redezeiten von insgesamt 96 Minuten jeweils zwölf Minuten pro Oppositionsfraktion.
Zusätzliche Redeminute
Beim sogenannten „XL“-Format mit 125 Minuten Gesamtredezeit entfallen laut Antrag auf die Fraktion Die Linke 17 Minuten Redezeit und auf die Grünen-Fraktion 16 Minuten; beim „XXL“-Format mit einer Gesamtredezeit von 224 Minuten soll die Linksfraktion 33 Minuten lang zu Wort kommen und die Grünen-Fraktion 31 Minuten.
Bei den Debattenformaten „S“ und „M“ sollen laut Antrag Die Linke und die Grünen bei der ersten Beratung eigener Initiativen zudem je eine zusätzliche Redeminute erhalten.
Höherer Oppositionszuschlag
Eine Neuregelung beinhaltet der Koalitionsantrag auch in Bezug auf die Geldleistungen, auf die die Fraktionen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Anspruch haben. Diese Geldleistungen „setzen sich aus einem Grundbetrag für jede Fraktion, aus einem Betrag für jedes Mitglied und einem weiteren Zuschlag für jede Fraktion, die nicht die Bundesregierung trägt (Oppositionszuschlag), zusammen“, wie es in der Vorlage heißt. Danach soll für die Dauer dieser Wahlperiode dieser Oppositionszuschlag „auf den Betrag für jedes Mitglied von zehn Prozent auf 15 Prozent“ erhöht werden. Dies solle erstmalig im Beschluss über den Haushalt 2014 festgelegt werden.
Die beiden Oppositionsfraktionen schreiben in ihrem gemeinsamen Gesetzentwurf „zur Sicherung der Oppositionsrechte in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages“, im deutschen parlamentarischen System sei „die Kontrolle der Regierungsmacht letztlich im Kern ,nur der Opposition überlassen‘“.
„Kontrollrechte drohen Wirksamkeit zu verlieren“
Die Geschäftsordnung des Bundestages und zahlreiche gesetzliche Regelungen seien jedoch nicht auf eine Situation ausgerichtet, in der die Koalitionsfraktionen über mehr als zwei Drittel der Bundestagssitze verfügen. Zahlreiche Kontrollrechte drohten ihre Wirksamkeit zu verlieren, „weil die gegenwärtige Große Koalition über eine solche übergroße Mehrheit“ verfüge.
Laut Links- und Grünen-Fraktion beseitigt ihr Gesetzentwurf „die Probleme, soweit sie durch Gesetzesänderungen zu lösen sind“. Grundprinzip sei dabei, „dass die jeweilige Rechtsposition den beiden Oppositionsfraktionen des 18. Deutschen Bundestages zur gemeinsamen Ausübung zur Verfügung gestellt wird“.
„Gegenwärtige Ausnahmekonstellation“
Die Gültigkeit der Regelung werde dabei grundsätzlich auf die 18. Legislaturperiode beschränkt, „da nicht damit zu rechnen ist, dass die gegenwärtige Ausnahmekonstellation in Zukunft häufiger auftritt“.
„Keine Lösung für das dargestellte Problem“ könne eine „schlichte Beteuerung der Koalitionsfraktionen – etwa in einem Bundestagsantrag – sein, ihre überaus starke Rechtsposition gegenüber der Opposition wohlwollend und zurückhaltend auszuüben“, heißt es in der Vorlage weiter. Wer eine wirksame Opposition für notwendig halte, dürfe sie nicht „vom Wohlwollen im Einzelfall abhängig machen“.
„Auf ausgewogene Repräsentanz achten“
In einem gemeinsamen Antrag fordern die beiden Oppositionsfraktionen zudem, dass Rechte, die die Geschäftsordnung des Bundestages einer qualifizierten Minderheit verleiht, auch „von zwei Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen“, gemeinsam ausgeübt werden können. Dies solle für Ausschussberatungen entsprechend gelten.
Ferner soll die Stärke der Fraktionen bei Vereinbarungen über Tagesordnungspunkte und Redezeiten nach dem Willen der Links- und der Grünen-Fraktion nicht der wesentliche Verteilungsmaßstab sein. „Vielmehr ist auf eine ausgewogene Repräsentanz der Oppositionsfraktionen zu achten“, heißt es in der Vorlage.
„Opposition überwacht die Regierung“
Die Linksfraktion dringt ferner mit ihrem weiteren Gesetzentwurf darauf, dass im Grundgesetz geregelte Rechte der parlamentarischen Minderheit künftig nicht nur von einem Viertel beziehungsweise einem Drittel der Mitglieder des Bundestages ausgeübt werden können, „sondern auch von der Gesamtheit der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen“. Dies betrifft unter anderem die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sowie die Erhebung einer Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht.
Zur Begründung schreibt die Fraktion in der Vorlage, dass im parlamentarischen Regierungssystem in erster Linie nicht die Mehrheit die Regierung überwache, sondern diese Aufgabe vorwiegend von der Opposition wahrgenommen werde.
Gegen Abhängigkeit vom „guten Willen“
Die Wahrnehmung „wichtiger im Grundgesetz geregelter Minderheitsrechte wie die verpflichtende Einrichtung eines Untersuchungsausschusses oder die Erhebung einer abstrakten Normenkontrolle“ sei jedoch „an bestimmte Quoren gebunden, welche die Opposition unter einer von den beiden stärksten Fraktionen im Bundestag getragenen Regierungskoalition (...) typischerweise nicht erreicht“.
Sie könne daher „ihre Aufgabe als parlamentarische Kontrollinstanz der Bundesregierung nicht wirksam wahrnehmen, wenn sie vom guten Willen der Regierungsfraktionen abhängig ist“. (sto/02.04.2014)