Streit über Kommission zu Auslandseinsätzen
Was bedeutet eine zunehmend gemeinsame europäische Verteidigungspolitik für die Parlamentsbeteiligung? Über eine Kommission zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, die das überprüfen soll, ist es am Freitag, 14. März 2014, im Bundestag zu einer heftigen Kontroverse gekommen. Die beiden Oppositionsfraktionen erklärten sich nicht bereit, sich an einer solchen Kommission, wie sie die Koalitionsfraktionen einsetzen wollen, zu beteiligen.
Während die Koalitionsfraktionen ursprünglich bereits an diesem Freitag über die Einsetzung der Kommission abstimmen wollten, erklärten sie sich nun angesichts der Vorbehalte der Opposition bereit, ihren entsprechenden Antrag (18/766) zur weiteren Beratung an die Ausschüsse zu überweisen, was das Plenum schließlich auch so beschloss.
SPD: Europäischer Integration Rechnung tragen
Wie Niels Annen (SPD) erläuterte, solle die einzusetzende Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr „Vorschläge erarbeiten, wie bei fortschreitender Integration der Parlamentsvorbehalt gesichert werden kann“. Diesen Vorbehalt hatte das Bundesverfassungsgericht mit mehreren Entscheidungen festgelegt. Er besagt, dass die Bundesregierung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundestages Soldaten zu bewaffneten Einsätzen ins Ausland schicken darf.
Annen wies nun darauf hin, dass es in Europa und in der Nato einen Trend zu integrierten Stäben gibt, die internationale Aktivitäten befehligen. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz von 2005 gebe keine Antwort auf die Frage, ob und wie der Parlamentsvorbehalt bei der Entsendung deutscher Soldaten in solche Stäbe angewandt werden soll. Eine der Aufgaben der einzusetzenden Kommission solle es daher sein, dem Bundestag Vorschläge zur Regelung dieses Sachverhalts zu erarbeiten.
Kommission soll das Parlament stärken
Nach den Vorstellungen der Koalitionsfraktionen sollen der Kommission 16 Mitglieder angehören, von denen sieben von der CDU/CSU, fünf von der SPD und je zwei von der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen benannt werden. Ihre Vorschläge soll die Kommission binnen Jahresfrist erarbeiten und dem Parlament zur Entscheidung vorlegen.
Großen Wert legte Annen auf die Feststellung, dass die Arbeit der Kommission dazu dienen solle, die Parlamentsrechte zu stärken. „Für unsere Soldatinnen und Soldaten ist es wichtig zu wissen, dass dies hier der Ort ist, an dem über jeden Einsatz diskutiert und entschieden wird“, sagte Annen. „Ein wichtigeres Signal zur Unterstützung der schwierigen Arbeit der Bundeswehr kann es nicht geben.“
Linke fürchtet Abbau von Parlamentsrechten
Redner der Opposition lasen allerdings aus dem Koalitionsantrag heraus, dass die Kommission nicht den Auftrag bekommen solle, „Parlamentsrechte zurückzunehmen“, wie Wolfgang Gehrcke (Die Linke) formulierte. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende äußerte angesichts der Ukraine-Krise die Befürchtung, dass Europa wieder in „eine Phase des Kalten Krieges, mindestens der Aufrüstung“ zurückkomme: „Vor diesem Hintergrund Parlamentsrechte abbauen zu wollen, ist einfach unverantwortlich.“
Gehrcke äußerte zwar sein Bedauern, dass der Parlamentsvorbehalt bisher keinen einzigen Auslandseinsatz verhindert habe. Sein Wert liege aber in der dadurch herbeigeführten Transparenz und, wie Gehrckes Fraktionskollege Dr. Alexander S. Neu ergänzte, in der namentlichen Abstimmung: „Keiner der Volksvertreter hier im Haus kann sich gewissermaßen anonym verstecken. Jeder muss Gefahr laufen, in seinem Wahlkreis, in seinem Kreisverband Rede und Antwort stehen zu müssen.“
Grüne: Schlechter Stil
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnt die Kommission in der von der Koalition vorgeschlagenen Version ab. „Ihre politische Absicht ist es, den Parlamentsvorbehalt zu relativieren“, kritisierte Dr. Frithjof Schmidt. Er bezeichnete es zudem als schlechten Stil, dass die Opposition aus der Presse von der geplanten Kommission und sogar schon ihrer „ausgeguckten“ Führung erfahren habe, nämlich dem früheren Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) als Vorsitzendem und dem ehemaligen Verteidigungs-Staatssekretär Walter Kolbow (SPD) als Stellvertreter. „Spiegel-Online grüßt das ahnungslose Parlament“, bemerkte Schmidt dazu.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen legte einen eigenen Antrag zur Einrichtung einer Kommission mit einem weiteren Auftrag vor (18/775). An die Kollegen aus der Koalition gerichtet erklärte Schmidt die Bereitschaft, „über eine ergebnisoffene Enquete-Kommission zu reden“.
CDU/CSU signalisiert Gesprächsbereitschaft
Umgekehrt erklärten sich Redner der Koalitionsfraktionen bereit, in den Ausschussberatungen auf Vorbehalte der Grünen einzugehen. So unterstützte Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) deren Vorschlag, der Kommission Sachverständige zur Seite zu stellen. An ihrem Auftrag wollte er allerdings nicht rütteln lassen. Es sei Ziel der Koalition, die „Integration der europäischen Verteidigungspolitik voranzubringen“, erklärte Schockenhoff. „Wenn Europa seine Interessen wahren und seiner Verantwortung in der globalisierten Welt auch künftig nachkommen will“, werde es auch einen „wirksamen militärischen Beitrag leisten müssen“.
Die Kommission solle „Handlungsoptionen erarbeiten“, wie bei der Ausgestaltung der Parlamentsbeteiligung „der fortschreitenden Integration Rechnung getragen werden könnte“, erklärte Schockenhoff. Entscheidungen über mögliche Änderungen des Parlamentsbeteiligungsgesetzes würden aber anschließend im Bundestag getroffen. (pst/14.03.2014)