Streit um Strafbefreiung durch Selbstanzeige
Uli Hoeneß, Alice Schwarzer, André Schmitz – die öffentliche Bloßstellung prominenter Steuerhinterzieher hat die politische Debatte befeuert. Dabei geriet insbesondere das in den Fällen Hoeneß und Schwarzer zur Anwendung gekommene Rechtsinstrument der strafbefreienden Selbstanzeige heftig in die Kritik. Danach wird auf ein Strafverfahren verzichtet, wenn ein von den Behörden noch nicht erkannter Steuerhinterzieher sich selbst anzeigt und die hinterzogenen Steuern zuzüglich sechs Prozent Zinsen pro Jahr nachzahlt. Sofern mehr als 50.000 Euro pro Jahr hinterzogen wurden, sind weitere fünf Prozent Strafzuschlag fällig, damit auf die Strafverfolgung verzichtet wird.
Bis in diese Tage hinein haben prominente Sozialdemokraten wie der Finanzexperte und Bundestagsabgeordnete Joachim Poß, aber auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Christian Bäumler, eine Abschaffung dieses Instruments gefordert. In der Aktuellen Stunde zum Thema „Haltung der Bundesregierung zur strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung“ am Mittwoch, 12. Februar 2014, blieb die Fraktion Die Linke, welche die Debatte beantragt hatte, allerdings allein mit dieser Forderung. Sozialdemokratische Redner dagegen forderten im Einklang mit den Koalitionskollegen von CDU und CSU eine Verschärfung der bestehenden Regelung. Auch von Bündnis 90/Die Grünen kam dafür Unterstützung.
Linke: Strafbefreiung nur bei Bagatellen
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Klaus Ernst, warnte vor dem „Eindruck, als würde der Staat alles tun, um insbesondere Vermögende vor einer Strafverfolgung zu schützen“. Die bei größeren Steuerhinterziehungen fällige Strafzahlung bezeichnete Ernst als „Freikaufgebühr“. Der ehemalige Vorsitzende der Partei Die Linke fragte: „Warum ist ein Ladendiebstahl eine Straftat, gegebenenfalls mit gravierenden Folgen, während ein Steuerhinterzieher oft nicht mal vorbestraft ist, obwohl er zigtausend Euro hinterzogen hat?“ Ernst forderte, die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige auf wirkliche Bagatellfälle zu beschränken.
Richard Pitterle (Die Linke) kritisiert die Verjährungsfristen, die dazu führten, dass jemand, der 30 Jahre Steuern hinterzogen habe, bei einer Selbstanzeige nur für fünf oder zehn Jahre nachzahlen muss. Er sei damit wesentlich besser gestellt als ein ehrlicher Steuerzahler. Pitterle appellierte an die Sozialdemokraten, wenigstens einer Abschaffung der Selbstanzeige für „Steuertouristen“ zuzustimmen. Im Bundestag sei dafür „eine Mehrheit vorhanden. Warum nutzen wir sie nicht?“
Schäuble kündigt Änderungen an
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) beantwortete die Position der Fraktion Die Linke mit dem Spruch: „Sie hängen keinen, sie hätten ihn denn.“ Es sei ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss. Einzig im Steuerrecht bestehe die Pflicht zur vollständigen Offenbarung seiner Verhältnisse. Würde die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige abgeschafft, könnten Anwälte in Steuerstrafprozessen die Verwendung von Steuererklärungen als Beweismaterial ablehnen, da sich der Angeklagte damit selbst belastet. Deshalb und nicht in erster Linie wegen möglicher Mehreinnahmen des Staates müsse es die strafbefreiende Selbstanzeige weiterhin geben.
Schäuble verwies aber auf eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die gerade Änderungsvorschläge erarbeitet habe und diese nun in die Diskussion einbringen werde. Er gehe davon aus, sagte Schäuble, dass die Regelung zum Strafzuschlag verschärft und eventuell auch die Verjährungsfrist verlängert wird.
Grüne Kritik an Wowereit
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnte Lisa Paus die Strafbefreiung zwar nicht grundsätzlich ab, verwies aber darauf, dass sie früher „nicht zu großen Mehreinnahmen geführt“ habe. Das habe sich erst geändert, seit deutsche Finanzbehörden CDs mit Daten von Steuerflüchtlingen aufgekauft haben. Zudem lobte Paus die Blockade des Steuerabkommens mit der Schweiz durch die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat Ende 2012. Nur deswegen seien die Fälle Hoeneß und Schwarzer bekannt geworden.
Im Fall des vor einer Woche wegen seiner bekannt gewordenen Steuerhinterziehung zurückgetretenen Berliner Kultur-Staatssekretärs André Schmitz kritisierte Paus den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, der seit 2012 von dem Steuervergehen gewusst und Schmitz trotzdem im Amt belassen hatte. „Ich als Berlinerin schäme mich dafür, dass die SPD in Pofalla-Pose die Affäre Wowereit für beendet erklärt und zur Tagesordnung übergeht“, sagte Paus. Das zeige, dass „trotz aller Lippenbekenntnisse relevante Teile der SPD Steuerbetrug immer noch für ein Kavaliersdelikt halten“.
Paus' Fraktionskollege Dr. Thomas Gambke unterstützte Überlegungen der Koalition, die Bedingungen für die Strafbefreiung zu verschärfen, mahnte aber zu Augenmaß. Es dürfe nicht dazu kommen, dass derjenige, der sich selbst anzeigt, schlechter gestellt wird als „derjenige, der erwischt wird“.
SPD will, dass sich Ehrlichkeit lohnt
In der Aktuellen Stunde sprachen fünf Parlamentsneulinge, darunter Andreas Schwarz (SPD). Als bisheriger Bürgermeister wisse er um die Notwendigkeit ausreichender Steuereinnahmen, führte Schwarz aus. Und als Unternehmer sei er überzeugt, „dass die meisten Unternehmer in diesem Land ehrliche Steuerzahler sind“.
Schwarz verwahrte sich gegen die Verharmlosung von Steuerhinterziehung durch das Wort „Steuersünder“ und forderte „weitere Verschärfungen“ beim Instrument der Selbstanzeige: „Wir müssen unbedingt den Eindruck vermeiden, dass jemand, der Steuern hinterzieht und zum Instrument der Selbstanzeige greift, am Ende noch besser dasteht als der ehrliche Steuerzahler und die ehrliche Steuerzahlerin.“ (pst/12.02.2014)