Thierse eröffnet Fotoausstellung zu Roma-Flüchtlingen
Große Kinderaugen schauen den Besucher aus nahezu jedem Bild an. Die Fotos zeigen fröhliche kleine Menschen, aber auch Müll und große Armut. „Die vergessenen Flüchtlinge Südosteuropas“ heißt die Fotoausstellung im Paul-Löbe-Haus des Bundestages, die die Situation von Roma und anderen Flüchtlingen in einem Camp in Montenegro dokumentiert.
„Ständiger Anstoß der Erinnerung“
Bundestagsvizepräsident Dr. Wolfgang Thierse (SPD) eröffnete sie am Donnerstag, 6. Juni 2013, zusammen mit Mitja Drobnič, dem Botschafter der Europäischen Union in Montenegro, und Christian Schmidt, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verteidigung und Vorstandsmitglied der Organisation Help – Hilfe zur Selbsthilfe.
Nur wenige hundert Meter vom Paul-Löbe-Haus entfernt stehe das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, sagte Thierse. Es sei ein „ständiger Anstoß der Erinnerung“. Das Denkmal „mahnt uns, wachsam zu sein und fordert uns auf, heutigen Formen von Rassismus entgegenzutreten“. Über Roma werde nur im Zusammenhang mit Konflikten berichtet. „Es muss sich also nachhaltig etwas ändern“, folgerte Thierse.
Zustände im Flüchtlingslager Konik
Die Ausstellung könnte dazu beitragen aufzuklären. Zum einen zeige sie die Zustände im Flüchtlingslager Konik in der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica. Zum anderen dokumentiere sie die Bemühungen von Help, einer von Parlamentariern des Bundestages gegründeten Organisation, die „nicht über die Familien hinweg, sondern mit ihnen zusammen“ die Situation verbessern wolle. „Die Roma bedürfen besonderer Unterstützung“, sagte Thierse. Auch weil ihre Integration in die Gesellschaft noch nicht ganz gelungen sei.
Die Fotografen Judith Büthe, Pavle Ćalasan und Tim Freccia zeigen durch ihre Linse Momentaufnahmen vom Leben der Roma in Montenegro. Kameramann Carsten Deinert ergänzt die Ausstellung mit Filmsequenzen vom Besuch in Konik im Sommer 2012. Die meisten Roma-Familien in Konik sind 1999 aus dem Kosovo nach Montenegro geflohen und leben in einfachen Behausungen neben der Mülldeponie.
„Es gibt Fortschritte“
„Die Flüchtlingswelle hat das Land voll getroffen“, sagte Drobnič in Erinnerung an die Kriege im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren: „Montenegro hat bewusst die Grenzen geöffnet.“ Die Einwohner hätten ihren Nachbarn helfen wollen. Viele der Flüchtlinge seien inzwischen wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt, aber unter anderem in Konik lebten noch viele, die keine andere Bleibe gefunden hätten.
Die Verbesserung der Situation der Flüchtlinge sei eine der Auflagen für einen Beitritt des Landes zur EU. Montenegro arbeite daran, auch mit Hilfe der Europäischen Union. Es gebe inzwischen Fortschritte. Zurzeit gehe es darum Wohnungen zu bauen, damit die Menschen in Konik nicht mehr in Containern wohnen müssten.
„Hilfe zur Selbsthilfe“
„Hilfe muss substanziell geleistet werden und kann nur Hilfe zur Selbsthilfe sein“, erklärte Schmidt das Prinzip von Help. Die Nichtregierungsorganisation sei 1981 von Abgeordneten aller Fraktionen des Bundestages gegründet worden. Anlass war der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan.
Inzwischen engagiere sich Help weltweit mit einem jährlichen Projektvolumen von 20 bis 30 Millionen Euro. Konik sei „der Stadtteil der vergessenen Flüchtlinge“, ein sozialer Brennpunkt, in dem nicht nur, aber vor allem Roma seit mehr als 13 Jahren in Baracken lebten.
Ausstellung bis 28. Juni zu sehen
Help unterstütze die Familien unter anderem durch regelmäßige Tanzworkshops für Kinder. Die Organisation habe dafür die Turnhalle einer nahegelegenen Schule renoviert. Die Kinder erhielten so eine seltene Gelegenheit, ihr Selbstwertgefühl zu steigern und andere Menschen kennenzulernen. Die Lehrer, selbst ehemalige Flüchtlinge, vermittelten ihnen Lebensfreude. „Die Fotos zeigen, dass das mitten in Europa ist“, sagte Schmidt.
Die Ausstellung kann bis zum 28. Juni 2013 montags von 9 bis 15 Uhr, dienstags bis donnerstags von 9 bis 16 Uhr sowie freitags von 9 bis 14 Uhr besichtigt werden. Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich (Telefon: 030/227-38883, E-Mail: info-ausstellungen-plh@bundestag.de). Der Eintritt ist frei. (ske/06.06.2013)