Besorgt über die aktuelle Entwicklung in Ungarn
Die Opposition im Deutschen Bundestag fordert deutlichere Worte der Regierung zur Entwicklung in Ungarn. Dies wurde am Donnerstag, 14. März 2013, in einer Aktuellen Stunde zum „Standpunkt der Bundesregierung zu den beschlossenen Verfassungsänderungen in Ungarn im Hinblick auf die Einhaltung europäischer Grundwerte“ deutlich, die auf Antrag der SPD stattfand. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dr. Frank-Walter Steinmeier, betonte, die Deutschen seien „nicht die ersten“, die berufen wären zu „moralischer Empörung bei politischen Fehlentwicklungen“ in Ungarn. Deutschland habe Ungarn viel zu verdanken, weil das Land vor 23 Jahren „Menschlichkeit gezeigt“ und den Mut gehabt habe, „den eisernen Vorhang zu überwinden“, und damit den Weg für die deutsche Einheit freigemacht habe.
SPD: Dumpfer und völkischer Nationalismus
Dennoch dürfe man angesichts der aktuellen Entwicklungen nicht schweigen. Mit der vierten Verfassungsreform innerhalb von zwei Jahren würden Rechtsstaat und Demokratie in Ungarn beschädigt. Das Verfassungsgericht sei entmachtet worden, es seien massenhaft Richter und Staatsanwälte entlassen worden, man habe die Befugnisse des Parlaments beschränkt. All dies werde von einem „dumpfen und völkischen Nationalismus“ begleitet.
Fremdenfeindlichkeit und Ausfälle gegen Andersdenkende würden „gesellschaftsfähig in Ungarn“. Er dürfe erwarten, so Steinmeier, dass die Europäische Kommission dafür „mehr als laue Worte“ finde. Steinmeier wies darauf hin, dass die Union der Bundeskanzlerin und die ungarische Fidesz-Partei eine „Parteifamilie“ seien. Man dürfe nun das erwarten, was der SPD im Fall der Slowakei mit ihrer Parteifamilie „abgerungen“ worden sei: „Nicht mehr und nicht weniger.“
Linke: Grundrechte werden mit Füßen getreten
Auf diese Verwandtschaft verwies auch Stefan Liebich, Abgeordneter der Linken. Er habe allerdings den Eindruck, dass hier „Blut dicker als Wasser“ sei.
Man könne mehr erwarten, als dass die Union zulasse, dass ihre Parteifreunde die Grundrechte von Europäerinnen und Europäern „mit Füßen treten“. Die Ereignisse in Ungarn müssten „besorgt stimmen“.
Grüne erwarten „klare Worte nach Budapest“
Der Grünen-Abgeordnete Manuel Sarrazin sprach von einer „Nichtreaktion“ Merkels. Die Kanzlerin habe nicht die klaren und vernünftigen Worte wie etwa das Auswärtige Amt gefunden und sei bei dem Thema offenkundig „nicht gut aufgestellt“. Es gehe dabei aber um die Frage der europäischen Grundwerte. Auch wenn insbesondere die Grünen Ungarn „unglaublich dankbar“ seien, was es geleistet habe, müsse man die Frage stellen, ob das Verfahren der Verfassungsänderung, das so knapp gewesen sei, dass nicht einmal die Venedig-Kommission des Europarates habe reagieren können, der Stil sei, mit dem in Ungarn mit der Opposition und den europäischen Partnern umgegangen werde.
Sarrazin sagte, er erwarte eine klare Aussage der Bundesregierung, ob die Entwicklung in Ungarn noch mit den Werten der EU nach Artikel 2 des EU-Vertrags in Übereinstimmung sei. Es sei im deutschen Interesse, „klare Worte nach Budapest“ zu senden.
CDU/CSU mahnt zur Zurückhaltung
Die Koalitionsfraktionen teilen zwar die Besorgnis über die politische Entwicklung in Ungarn, mahnen aber zur Zurückhaltung. So betonte Gunther Krichbaum (CDU/CSU), der Hinweis sei wichtig, dass man sich „im Plenarsaal, nicht im Gerichtssaal“ befinde und kein Land auf der Anklagebank sitze. Man müsse zu den Geschehnissen Stellung beziehen, dies „mit Bestimmtheit, aber auch mit Augenmaß“. Es gehe dabei nicht um eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes.
Er begrüße die gemeinsame Initiative des Außenministers Guido Westerwelle (FDP) mit Amtskollegen aus Dänemark, Finnland und den Niederlanden, um künftig schneller auf Fehlentwicklungen reagieren zu können. Die Gewaltenteilung sei das „Herzstück der Demokratie“; die Grundwerte der EU seien identitätstiftend innerhalb der Gemeinschaft. Diese Debatte dürfe nicht über Ungarn, sondern müsse mit Ungarn geführt werden.
FDP gegen „oberlehrerhafte Kritik“
Für die Liberalen unterstrich Joachim Spatz, die Bundesregierung habe sich „eindeutig geäußert“. Es gebe zwei Wege, dies zu tun: Man könne auf informellem Wege einwirken und auf offizielle Weise reagieren. Beides sei geschehen. Die Kritik müsse in einer Art geäußert werden, die dem Problem angemessen und „nicht oberlehrerhaft“ sei.
Es gebe eine Einladung des ungarischen Parlamentspräsidenten an den Bundestag, sich der Diskussion zu stellen. Spatz forderte seine Kollegen auf, sich dabei über das „unglückliche Gesetzesverfahren“ in „Kollegialität und Freundschaft“ zu äußern. (suk/14.03.2013)