+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Parlament

Medienpreis für ein Lehrstück über Parteifreundschaft

Feind, Todfeind, Parteifreund“ – so hatte das Hamburger Abendblatt in seiner Ausgabe vom 29. Dezember 2011 ein vierseitiges Dossier überschrieben, das Vorgänge in der schleswig-holsteinischen CDU von 2009 bis zum Sturz des Spitzenkandidaten Christian von Boetticher im September 2011 („Lolita-Affäre“) nachzeichnet. Die vier Autoren des Beitrags – Karsten Kammholz, Volker ter Haseborg, Ulf B. Christen und Lars-Marten Nagel –  wurden für ihre akribische Recherche am Mittwoch, 27. Februar 2013, mit dem Medienpreis Politik 2012 aus den Händen von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert belohnt. Der Bundestag vergab diesen Preis erstmals 1993 und in diesem Jahr zum 14. Mal. Er ist mit 5.000 Euro dotiert.

Vor 80 Jahren brannte der Reichstag

Anlass zur Verleihung des Medienpreises ist traditionell der Presseempfang des Bundestagspräsidenten, ein Treffpunkt von Medienvertretern und Abgeordneten. Im Reichstagsgebäude erinnerte Lammert gleich an zwei schicksalsträchtige Gedenktage. Vor 80 Jahren, am 27. Februar 1933, brannte der Reichstag. Heute erscheine dieser Brand als ein Fanal, „als ob damals nicht nur ein Parlamentsgebäude, sondern eine Demokratie in Brand gesteckt worden wäre“.

Der Präsident erinnerte an die „diabolische Präzision“, mit der die vier Wochen zuvor an die Macht Gelangten noch in derselben Nacht Tausende Oppositionelle verhaften ließen, an die Notverordnung, die am Tag darauf die Substanz der Weimarer Republik außer Kraft gesetzt habe. Ein halbes Jahr hätten sie gebraucht, um die Weimarer Demokratie zu liquidieren.

Bundestag setzt keine Kommission ein

Lammert stellte in diesem Zusammenhang klar, dass er den Vorschlag nicht aufgreifen werde, wonach der Bundestag eine Kommission einsetzen sollte, um den Streit unter Historikern über die wahren Brandstifter klären zu lassen.

Das zweite Ereignis an einem 27. Februar, auf das Lammert aufmerksam machte, war die an die 50 Stunden dauernde Bundestagsdebatte im Jahre 1955 über die Pariser Verträge, die das Besatzungsstatut der Bundesrepublik beendeten und dem westdeutschen Teilstaat die Souveränität zurückgaben.

Plenarprotokolle seit 1949 digital verfügbar

Diese Debatte ist nun wie alle Debatten des Bundestages seit 1949 digitalisiert und kann online auf www.bundestag.de/dokumente nachgelesen und ausgedruckt werden. Alle Plenarprotokolle und Bundestagsdrucksachen aller bisherigen 17 Wahlperioden, zusammen rund 75.000 Dokumente mit 1,5 Millionen Seiten, sind abrufbar. Bislang waren erst die Dokumente seit 1976, dem Beginn der achten Wahlperiode, digitalisiert.

Der zweite Versuch der deutschen Demokratie ist „offenkundig besser gelungen“, sagte Lammert. Mehr als 60 Jahre „liegen hinter uns“, davon mehr als 20 Jahre nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit.

Lammert würdigt Tissy Bruns

Ist die Republik in diesen 60 Jahren zu einer „Republik der Wichtigtuer“ geworden? Aus diesem Buch der am 20. Februar nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 62 Jahren verstorbenen Journalistin Tissy Bruns zitierte Lammert unter anderem den Satz, Berlin-Mitte sei zu einer Bühne von Politik und Medien geworden, die von der Lebenswirklichkeit der Bürger weiter entfernt sei als das „Raumschiff Bonn“. Für den Bundestagspräsidenten ist dies eine „besonders bemerkenswerte Bestandsaufnahme des besonderen Verhältnisses von Politik und Medien“.

Tissy Bruns war über Jahre Mitglied der Jury des Medienpreises Politik des Bundestages. Mit ihrer „bemerkenswerten Biografie“ und ihrer „eindrucksvollen beruflichen Laufbahn“ habe sie bei Politikern wie Journalisten gleich hohes Ansehen genossen, sagte Norbert Lammert: „Ich möchte hier stellvertretend unseren Respekt und großen Dank für ihr Engagement zum Ausdruck bringen.“

„Lehrstück über Parteifreundschaft“

„Tissy Bruns war einer der führenden Köpfe im Berliner Journalistenzirkel“, sagte der Journalist Peter Limbourg von der ProSiebenSat.1 Media AG, der als Jurymitglied über das Auswahlverfahren beim Medienpreis Politik berichtete. 60 Beiträge hätten sich um den Medienpreis Politik 2012 beworben, angesichts des sehr hohen Niveaus sei die Wahl nicht leicht gefallen.

Den  gekürte Beitrag bezeichnen die Autoren selbst als „Lehrstück über Parteifreundschaft“. Neben der Ereignisgeschichte, die streng chronologisch gegliedert ist, werden die Netzwerke, Seilschaften, Freundschaften und Feindschaften im Beziehungsgeflecht des CDU-Politikers Christian von Boetticher aufgearbeitet.

Ein Text ohne Konjunktive

Torsten Kleditzsch von der Freien Presse in Chemnitz, Jurymitglied wie Limbourg, nannte das Dossier ein gedrucktes Argument für die Leistungsfähigkeit des Journalismus. Der Text komme ohne Konjunktive und sprachliche Pirouetten aus, enthalte kein Sowohl-als-auch.

„Er präsentiert Daten. Das ist es, was der Journalismus seinen Konkurrenten voraus haben sollte.“ Als Vertreter einer Regionalzeitung freute sich Kleditzsch besonders, dass in diesem Jahr ein regionales Medium den Medienpreis erhalten hat.

„Im Land der Leidenschaft“

Ein weiterer der drei nominierten Beiträge setzt sich ebenfalls mit der Landespolitik in Schleswig-Holstein auseinander. „Im Land der Leidenschaft“ ist der Beitrag betitelt, den die Autoren Andreas Große Halbuer und Christian Salewski am 4. Mai 2012 in der damals noch existierenden „Financial Times Deutschland“ veröffentlicht hatten. Im Mittelpunkt steht dabei die politische Kultur in Schleswig-Holstein.

Der Plenarsaal mit seinem spektakulären Blick auf die Börde sei die Bühne für das ganz große politische Drama. Die Urkatastrophe trage den Namen Barschel. Engholm, Pfeiffer, der „Heide-Mord“ und die Lolita-Affäre„ werden als weitere Stichworte für das besondere politische Klima in Kiel genannt.

“Demokraten„ – ein Film von Levi Salomon

Berlin ist der Schauplatz des dritten nominierten Beitrags “Demokraten„ des Regisseurs und Produzenten Levi Salomon, der mit seinem Filmteam fünf Kandidaten für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2011 im Wahlkampf begleitet hatte.

Ob in verrauchten Stammkneipen, Szenetreffs, Wahlständen: die Kamera ist stets dabei und führt dem Zuschauer vor Augen, wie Demokratie im Alltag und vor Ort fernab der “großen„ Bundespolitik funktioniert. (vom/27.02.2013)