Franzosen und Deutsche rücken zusammen
Emil ist 14 Jahre alt und hält das Aufnahmegerät fest in seiner Hand, seine Knie schlottern – auch wenn sich der Knirps davon nichts anmerken lässt. Die Eindrücke, die auf den Nachwuchsjournalisten rund um den Plenarsaal am Dienstag, 22. Januar 2013, zum 50. Jahrestag der Unterzeichung des Élysée-Vertrages einwirken, sind überwältigend. Nicht nur für ihn. Jedermann, der an diesem Tag Zutritt zum Reichstagsgebäude hat, weiß um die Bedeutung des Freundschaftsvertrages, der im Januar 1963 zwischen Deutschland und Frankreich geschlossen wurde.
400 Franzosen im Deutschen Bundestag
„Mein Vater hat im Krieg gekämpft. Er wäre stolz gewesen, mich hier heute zu sehen – hier am Ort, der deutschen Demokratie“, sagt die Abgeordnete der französischen Nationalversammlung, Colette Capdevielle. Fast das komplette französische Parlament – rund 400 Abgeordnete – waren am Dienstag in den Deutschen Bundestag gekommen, um gemeinsam mit ihren deutschen Kollegen den Jahrestag der deutsch-französischen Freundschaft zu feiern.
Colette Capdevielle ist beeindruckt, sofort zückt sie ihren Fotoapparat, posiert stolz im Plenarsaal. „Deutschland ist ein befreundetes Land. Der Empfang war herzlich“, freut sich die Abgeordnete der Assemblée nationale, bevor sie zum Mittagessen in die Paul-Löbe-Halle geht.
„Beide Länder können voneinander lernen“
Die Festveranstaltung mit gemeinsamer Sitzung beider Parlamente soll vor allem in Zeiten der europäischen Krise die Stärke der Beziehung unterstreichen. „Mit keinem anderen Parlament hat Deutschland so enge Beziehungen“, betont Dr. Andreas Schockenhoff, der Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Gemeinsame Anhörungen und gegenseitige Ausschussbesuche stünden immer wieder auf der Tagesordnung und seien wichtig, so Schockenhoff.
Dennoch könnten Deutschland und Frankreich in einigen Bereichen noch mehr zusammenrücken – in der Haushalts-und Steuerpolitik sowie in der Außen-und Sicherheitspolitik, nennt Schockenhoff als Beispiel. Colette Capdeville findet, gerade in der Krise könnte die Beziehung noch enger gestaltet werden. „Beide Länder können voneinander lernen“, sagt die französische Abgeordnete.
„Wir brauchen ein deutsch-französisches Familienrecht“
Vor allem aber in der Jugendarbeit haben beide Länder in den vergangenen Jahren kooperiert. Der französische Abgeordnete Pierre-Yves Le Borgn' sieht dennoch Nachholbedarf in der beruflichen Ausbildung und Familienpolitik. „Wir brauchen ein deutsch-französisches Familienrecht. Das ist das, was den Menschen in Deutschland und Frankreich wichtig ist.“
Auch für den 14-jährigen Emil steht der Blick in die Zukunft im Mittelpunkt. Der Schüler hat eine französische Mutter und einen deutschen Vater, besucht eine französische Schule in Berlin. Am Dienstag interviewte er als Reporter für ein Online-Jugendportal die deutschen und französischen Abgeordneten. Nach dem Abitur möchte er Medizin studieren – wo, das weiß er noch nicht, entweder in Deutschland oder in Frankreich. Emil ist ein lebendiges Beispiel der Freundschaft beider Länder. (ldi/22.01.2013)