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Parlament

Wahlkämpfer mit US-Erfahrung: Martin Gerster

Martin Gerster, SPD

Martin Gerster, SPD (© DBT/Unger)

Er war Radioreporter und Wahlkampfmanager, dann kandidierte er 2005 erstmals selbst für den Bundestag: Hier ist Martin Gerster (SPD) Mitglied im Finanz- sowie im Sportausschuss und macht sich als sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion insbesondere für die Aufnahme des Sports als Staatsziel ins Grundgesetz stark.

Beinahe lebensgroß stand sie in seinem kleinen Abgeordnetenbüro: Hillary Clinton. Martin Gerster (SPD) hatte den Pappaufsteller aus New York mitgebracht, als Erinnerung an seine freiwillige Arbeit als Wahlkampfhelfer in der „Hillary Clinton for Senate“- Kampagne, die die frühere First Lady der USA 2001 erfolgreich in den Senat gebracht hatte. Kürzlich kündigte Clinton, heute Außenministerin, ihren Abschied aus dem Amt an.

Sportpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten

Ganz anders ihr früherer Praktikant: Der sportpolitische Sprecher der Sozialdemokraten hat nach sieben Jahren im Bundestag längst noch nicht genug von der Politik. Klar, dass er im kommenden Jahr wieder in den Wahlkampf ziehen und zum dritten Mal für den Bundestag kandidieren will. Hillarys Bild ziert heute nicht mehr Gersters inzwischen größer gewordenes Parlamentsbüro, die Erinnerung an ihre Wahlkampfkampagne ist jedoch noch sehr lebendig. Einiges hat er sich abgeguckt: Bürgernähe, Offenheit, Serviceorientierung und nicht zuletzt Begeisterungsfähigkeit – wie der 41-jährige Abgeordnete aus dem schwäbischen Biberach an der Riss sein Mandat wahrnimmt, hat viel mit den Erfahrungen zu tun, die er in der amerikanischen Wahlkampfarbeit gesammelt hat.

Dabei hatte Martin Gerster gar nicht vor, in die Politik zu gehen. Schon als Schüler wird er zwar Mitglied der SPD – doch es ist zunächst vor allem ein Akt der Abgrenzung und des Protests gegen die in seiner Heimatstadt dominierende CDU, in der auch sein Vater aktiv ist. „Mir ist richtig aufgestoßen, dass man damals in der CDU sein musste, um für voll genommen zu werden“, erinnert er sich. „Wenn ich als Schülerzeitungsredakteur den Bürgermeister für ein Interview angefragt habe, dann wurde gefragt: ‚Ja, Sie sind doch in der CDU, oder?“ Politik interessiert Gerster, er engagiert sich auch im Jugendparlament der Stadt, doch beruflich träumt er davon, Journalist zu werden.

„Wahlkampf ist doch das Tollste“

Nach dem Abitur 1991 bekommt er dazu die Möglichkeit: Die private Hörfunkstation „Radio 7“ sucht einen Volontär, und Gerster kann dort tun, was ihm am meisten liegt: über Sport und Politik berichten. „Ich habe damals die Region kennengelernt und viele der Entscheidungsträger interviewt“, erzählt er. So wie Matthias Weisheit (SPD), den damaligen Biberacher Wahlkreisabgeordneten .

Es ist ein Zusammentreffen mit Folgen: Weisheit will Gerster 1994 für seinen Bundestagswahlkampf. Dieser hat gerade begonnen, Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaft in Mainz zu studieren und ist überrascht: „Ich hatte noch nie einen Wahlkampf organisiert!“ Aber der Student macht seine Sache gut und ist auch 1998 wieder im Team: Er moderiert eine Kundgebung mit dem damaligen Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder (SPD) – „vor 12.000 Leuten auf dem Ulmer Domplatz“, wie Gerster stolz betont. Spätestens da ist er vom ‚Virus Politik’ infiziert: „Ich dachte, Wahlkampf ist doch das Tollste“.

Wahlkampfhelfer für Hillary Clinton

1999 fliegt er in die USA, um zunächst beim „Democratic National Committee“ und für die Kampagne „Hillary Clinton for Senate“ als Wahlkampfhelfer zu arbeiten. Eine Erfahrung, die ihn noch heute als Politiker prägt: Wenn er in seinem Wahlkreis den Bürgern „Hausbesuche“ abstattet und dabei rote Rosen verteilt oder handgeschriebene Glückwunschkarten an erfolgreiche Sportler, Jubilare oder Filmpreisgewinner verschickt, dann hat ihn dazu nicht unmaßgeblich die amerikanische Art, Politik und Wahlkampf zu gestalten, inspiriert.

„Nach meinem USA-Besuch bekamen meine Eltern eine Weihnachtskarte von Bill Clinton – handsigniert. Sie waren völlig aus dem Häuschen. Da habe ich gemerkt, welche Emotionen so ein einfacher Gruß auslösen kann.“

Bundestagswahl 2005: Der Martin macht’s!

2001 geht der Wahlkampf in Baden-Württemberg weiter: Die SPD-Kandidatin Ute Vogt will Erwin Teufel (CDU) als Ministerpräsident ablösen, Gerster soll die Kampagne organisieren. Der Machtwechsel gelingt zwar nicht, doch Vogt wird Fraktionschefin und Oppositionsführerin im Landtag. 2002, den Magister-Abschluss in der Tasche, folgt ihr Gerster als parlamentarischer Berater in den Stuttgarter Landtag.

Zudem übernimmt er den Vorsitz im SPD-Kreisverband Biberach. Immer näher ist Gerster inzwischen über die Stationen als Journalist, Wahlkampfhelfer und Referent der Politik gekommen, doch eine eigene Kandidatur kann er sich nicht vorstellen – bis 2004 plötzlich Matthias Weisheit stirbt, der Mann, „der mir die Tür zur Politik geöffnet hat“. Während Gerster noch zögert, ist für die Biberacher SPD klar: „Der Martin macht’s!“ So findet er sich aufgrund der vorgezogenen Neuwahl 2005 schneller als erwartet im eigenen Wahlkampf und schließlich im Bundestag wieder.

„Sport gehört ins Grundgesetz“

Sieben Jahre ist das inzwischen her. An seine erste Rede am Pult unter dem Bundesadler, damals zum Thema Schulsport, erinnert er sich noch lebhaft: „Als Radiomoderator hatte ich natürlich schon Erfahrung damit, öffentlich zu sprechen. Doch im Plenum eine Rede zu halten, ist schon etwas ganz Besonderes.“ Die Förderung und der Schutz des Sports ist ihm bis heute als sportpolitischem Sprecher ein großes Anliegen. 

Deshalb macht sich Gerster auch für eine Verankerung des Sports als Staatsziel im Grundgesetz stark. Einen Gesetzentwurf hat seine Fraktion gerade vorgelegt. „Der Sport kann für die Gesellschaft eine ganz herausragende Rolle spielen, denken wir an die Prävention von Krankheiten, die Integration von Migranten oder die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Deshalb gehört er meiner Meinung nach auch in den Rang eines Verfassungsguts. Wenn der Tierschutz im Grundgesetz ist, dann gehört der Sport auch rein.“

„Bundespolitik wie im Brennglas“

Seit 2007 sitzt Gerster zudem im Finanzausschuss, tritt hier unter anderem für eine verbesserte Geldwäscheprävention und strengere Verfolgung von Steuerhinterziehungsdelikten ein. Neu ist dagegen sein Einsatz im Haushaltsausschuss: Im Juni 2012 wurde er stellvertretendes Mitglied, ist seitdem zuständig für den Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Selbst für einen inzwischen routinierten Politiker eine spannende Aufgabe. Vor wenigen Wochen nahm Gerster zum ersten Mal an der sogenannten Bereinigungssitzung teil, in welcher der Haushaltsausschuss im Beisein der Minister abschließend den Bundeshaushalt diskutiert und letzte Änderungen vornimmt.

„Beeindruckend und spannend“ sei das für ihn gewesen, sagt er. „Man bekommt einen tiefen Einblick in die Diskussionen in jedem Ressort und erlebt, wie die Minister auf Fragen der Parlamentarier reagieren – man erlebt Bundespolitik wie im Brennglas.“ (sas/04.12.2012)