„Weil ich damals noch nicht so perfekt war wie heute“
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hat sich am Donnerstag, 27. September 2012, vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss Vorwürfen entgegengestellt, die Bundesregierung sei bei der Erkundung des Standorts Gorleben in den neunziger Jahren nicht nach Recht und Gesetz vorgegangen. „Alle Mutmaßungen, Verdächtigungen und Unterstellungen weise ich zurück“, sagte sie. Merkel agierte zwischen 1994 und 1998 als Bundesumweltministerin. In ihrer Amtszeit kam es zu Änderungen am Erkundungskonzept für den Gorlebener Salzstock.
„Der Gedanke einer Billiglösung stand für mich nie im Raum“, sagte Merkel. „Ich wollte Fortschritte bei der Erkundung.“ Für diese standen aber nicht alle Salzrechte zur Verfügung. Daher entschied man sich, vorerst eine Nordostpassage in Gorleben zu erkunden. Es sei immer klar erkennbar gewesen, sagte Merkel, dass eine Erkundung bei Vorhandensein aller Salzrechte optimal wäre.
„Langer, wohldurchdachter Prozess“
Die Entscheidung für eine eingeschränkte Erkundung beschrieb die Kanzlerin als „einen langen, wohldurchdachten Prozess, bei dem die Interessen der Energieversorgungsunternehmen eine untergeordnete Rolle gespielt haben“.
Der 1. Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, ob es bei der Entscheidung der Bundesregierung, sich im Jahr 1983 bei der Suche nach einem Endlager für Atommüll auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu politischen Einflussnahmen oder Manipulationen gekommen ist.
„Zügige Erkundung ist notwendig“
Merkel sagte, die Energieversorgungsunternehmen hätten damals für ein Erkundungsmoratorium plädiert. Dies sei von ihr als „Verschiebebahnhof“ klassifiziert worden. „Wir waren der Meinung, dass eine zügige Erkundung notwendig ist.“ Die Behörden seien damals zur Überzeugung gelangt, die Sicherheit könne auch bei einer Nordost-Erkundung gewährleistet werden.
Als einen Grund für die eingeschränkte Erkundung führte Merkel erheblich reduzierte Abfallmengen an. Dabei sei darauf hingewiesen worden, dass sich bei einer schrumpfenden Erkundung die Risiken erhöhen würden. „Die Aussicht auf Eignungshöffigkeit schrumpft mit der Fläche.“ Dennoch sei man sich einig gewesen, eine Erkundung sei sinnvoll.
„Es gibt keinen besseren Standort als Gorleben“
erner erörterten die Abgeordneten eine Pressekonferenz und Interviews der damaligen Bundesumweltministerin, mit denen sie im Jahr 1995 eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vorgestellt hatte. Darin waren Ersatzstandorte untersucht worden – für den Fall, dass sich Gorleben als nicht geeignet herausstellen sollte.
Dennoch hatte Merkel damals zum Beispiel in einem Radiointerview gesagt: „Ergebnis des Gutachtens ist: Es gibt keinen besseren Standort als Gorleben.“ Gorleben indes war in dieser Studie gar nicht berücksichtigt worden. Heute nun sagte Merkel, sie habe lediglich darauf hingewiesen, dass Gorleben „nicht als ungeeignet dastand“.
Schlussfolgerung des Gesamtbefundes
Auf die Frage von Abgeordneten, warum sie damals die Ergebnisse der Studie nicht so differenziert dargestellt habe wie heute, sagte Merkel: „Weil ich damals noch nicht so perfekt war wie heute.“ Auf die Frage, ob sie keinen Widerspruch zwischen einer schriftlichen Pressemitteilung aus dem Bundesumweltministerium und ihrem Radiointerview sehe, antwortete die Kanzlerin: „Von der Intention her: nein.“
Ihre damalige Aussage, Gorleben bleibe erste Wahl, sei eine Schlussfolgerung des Gesamtbefundes gewesen: „Hier die Erkundung von Gorleben und dort lediglich Literaturstudien.“ Die BGR-Studie aus den neunziger Jahren erklärte Merkel für sinnvoll – auch für die Zukunft: „Die Nichteignung von Gorleben würde der der Zeitpunkt sein, an dem man auf die BGR-Studie zurückgreift.“ (jr/27.09.2012)