Bundestag entscheidet über Finanzhilfen für Spanien
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert hat für Donnerstag, 19. Juli 2012, 14 Uhr, eine Sondersitzung des Bundestages einberufen. In dieser Sitzung soll über eine Finanzhilfe zur Rekapitalisierung spanischer Banken entschieden werden (17/10320, 17/10321). Zu Beginn der Sitzung gibt Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) eine Regierungserklärung zur „Sicherung der Stabilität in der Eurozone — Finanzhilfen für Spanien“ ab.
Die spanische Regierung hatte am 25. Juni offiziell eine Finanzhilfe bei den EU-Mitgliedstaaten mit Euro-Währung (Eurogruppe) beantragt. Die Finanzhilfe würde vom vorläufigen Euro-Rettungsfonds EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) bereitgestellt, jedenfalls solange, bis der dauerhafte Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) zur Verfügung steht. Die Euro-Finanzminister hatten sich bereits im Vorfeld bereit erklärt, allein für Spanien bis zu 100 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.
Sondersitzung des Haushaltsausschusses
Bereits am Mittwoch, 18. Juli, tritt um 18 Uhr der Haushaltsausschuss zu einer nichtöffentlichen Sondersitzung zusammen. „Wir werden die Bundesregierung noch einmal ausführlich befragen, warum sie die Hilfe für die spanischen Banken für erforderlich hält und welche Bedingungen mit Spanien ausgehandelt wurden“, erklärt die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Petra Merkel (SPD): „Bundesfinanzminister Schäuble muss hier Überzeugungsarbeit leisten.“
Dem Ausschuss liegt bislang neben dem Hilfsantrag Spaniens und einer vertraulichen Bewertung durch die sogenannte Troika (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds) der Entwurf des „Memorandum of Understanding“ vor, das die Bedingungen für die Finanzhilfe durch die EFSF festschreibt. Die endgültige Fassung wurde dem Bundestag inzwischen zusammen mit dem Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zu der Hilfsmaßnahme zugeleitet.
... und weiterer Ausschüsse
Dass der Haushaltsausschuss am Mittwoch bereits eine positive Empfehlung für die Finanzhilfen abgibt, hält die Ausschussvorsitzende für eher unwahrscheinlich: „Ich gehe davon aus, dass die Kolleginnen und Kollegen am Donnerstagvormittag noch intensiv in ihren Fraktionen diskutieren werden, bevor dann am Nachmittag im Plenum entschieden wird.“
Vor dem Haushaltsausschuss werden sich der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie unter Vorsitz von Ernst Hinsken (CDU/CSU) sowie der Finanzausschuss unter Vorsitz von Dr. Birgit Reinemund (FDP) bereits ab 16 Uhr mit dem Antrag Spaniens befassen. Um 17 Uhr beginnt die ebenfalls nichtöffentliche Sondersitzung des Rechtsausschusses unter Vorsitz von Siegfried Kauder (CDU/CSU) zum Thema. Bereits um 12.45 Uhr trifft sich der Europaausschuss unter Vorsitz von Gunther Krichbaum (CDU/CSU) mit Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) zu einer nichtöffentlichen Sondersitzung.
Übernahme von Gewährleistungen
Mit der Zustimmung des Bundestages wird das Bundesfinanzministerium ermächtigt, die für die Finanzierungsgeschäfte der EFSF notwendigen Gewährleistungen zu übernehmen. Außerdem beantragt Schäuble die Zustimmung des Bundestages, um die Rechte und Pflichten der EFSF aus der Finanzhilfe ohne materielle Änderung auf den ESM zu übertragen, sobald dieser in Kraft getreten ist. Die Finanzhilfe soll übertragen werden, ohne dem ESM einen bevorrechtigten Gläubigerstatus zu verleihen. Der deutsche Anteil für die zu übernehmenden Garantien beträgt nach Angabend es Finanzministeriums 29,07 Prozent. „Unmittelbare Belastungen des Bundeshaushalts ergeben sich aus der Maßnahme nicht“, heißt es in dem Antrag.
Der Minister begründet ihn damit, die Finanzhilfe sei unabweisbar, um die Sicherung der Stabilität in der Eurozone insgesamt zu gewährleisten. Er bezieht sich auf die Einschätzung der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank, der Europäischen Bankenaufsicht und des Internationalen Währungsfonds, wonach es dringend notwendig sei, Teile des spanischen Bankensektors zu restruktuieren und zu rekapitalisieren und den Marktzugang Spaniens zu besseren, nachhaltigen Finanzierungskonditionen zu wahren. Der Verzicht auf den bevorrechtigten Gläubigerstatus des ESM bei der Übertragung der Finanzhilfe sei eine einzelfallbezogene Maßnahme. Sie diene dazu, den Zugang Spaniens zu den Finanzmärkten zu erhalten.
Spanische Regierung soll für Verpflichtungen einstehen
Die Finanzhilfen sollen an den staatlichen Fonds FROB als Bevollmächtigten der spanischen Regierung ausgezahlt werden, der die Hilfen an die betreffenden Banken weiterleitet. Die Programmlaufzeit soll 18 Monate betragen. Neben dem Fonds soll auch die spanische Regierung Vertragspartner der EFSF und später des ESM werden und für die aus dem Kredit erwachsenden Verpflichtungen gegenüber EFSF und ESM einstehen.
Eine erste Tranche von 30 Milliarden Euro soll bereits Ende Juli bereitgestellt und von der EFSF zunächst in Reserve gehalten werden. Sie soll nur ausgezahlt werden können, wenn im spanischen Bankensektor akute Notfälle auftreten und sehr schnelles Handeln erforderlich würde, heißt es in Schäubles Antrag. Jede Verwendung von Mitteln aus dieser Tranche erfordere einen „begründeten und quantifizierten Antrag“ der spanischen Zentralbank und die anschließende Billigung durch die EU-Kommission und eine Arbeitsgruppe der 17 Euro-Mitgliedstaten im Benehmen mit der Europäischen Zentralbank.
Euro-Finanzministertreffen in Brüssel
In ihrer monatlichen Sitzung haben die Finanzminister des Euro-Währungsgebiets am Montag, 9. Juli 2012, in Brüssel die beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni gefassten Beschlüsse konkretisiert. Die Instrumente der EFSF und künftig auch des ESM sollen auf der Grundlage der existierenden Richtlinien („Guidelines“) so effizient und flexibel wie möglich genutzt werden können.
Finanzielle Hilfe gibt es nach einer Mitteilung des Bundesfinanzministeriums auch weiterhin nur dann, wenn ein formeller Antrag gestellt wird. Außerdem müssen konkrete Auflagen in einer Vereinbarung (Memorandum of Understanding) rechtlich fixiert sein, und die Erfüllung dieser Auflagen muss regelmäßig kontrolliert werden.
„Europäische Bankenaufsicht unabdingbar“
Die Europäische Kommission wird den Angaben zufolge im Herbst Gesetzgebungsvorschläge für eine europäische Bankenaufsicht unter Beteiligung der Europäischen Zentralbank vorlegen. Aufgrund zahlreicher noch zu klärender technischer, prozeduraler und juristischer Fragen und des Aufbaus der Aufsicht werde die Umsetzung einige Zeit in Anspruch nehmen.
Eine funktionierende, effiziente europäische Bankenaufsicht ist aus Sicht der Bundesregierung die unabdingbare Voraussetzung für die vom Europäischen Rat diskutierte Möglichkeit der direkten Bankenrekapitalisierung durch den ESM. Erste technische Diskussionen dazu sollen ebenfalls im Herbst 2012 auf technischer Ebene beginnen.
Memorandum of Understanding
Die Troika hat einen ersten Entwurf für ein Memorandum of Understandig hinsichtlich der Rekapitalisierung der spanischen Banken durch die EFSF/den ESM vorgestellt. Der formelle Beschluss hierüber und über ein Finanzhilfeabkommen soll nach dem Willen der Regierung rasch folgen, nachdem der Bundestag und die übrigen nationalen Parlamente die Gelegenheit zur Beschlussfassung hatten.
Der Beschluss der Staats- und Regierungschefs der Eurozone Ende Juni, beim Übergang des spanischen Programms von der EFSF auf den ESM in diesem speziellen Fall auf den bevorrechtigten Gläubigerstatus des ESM zu verzichten, wurde beim Finanzministertreffen angesichts der Besonderheit des spanischen Programms und der Einmaligkeit des Transfers von EFSF auf ESM bestätigt.
Griechenland, Zypern, Irland, Portugal
Der neue griechische Finanzminister Yannis Stournaras hat in Brüssel die Pläne der neuen griechischen Regierung vorgestellt. Ein positiver Überprüfungsbericht der Troika bleibt aus Sicht der Bundesregierung die Voraussetzung für Auszahlungen weiterer Tranchen.
Da Zypern ebenfalls Hilfe durch die Stabilitätsmechanismen beantragt hat, soll die Aushandlung eines Memorandums of Understanding in Kürze beginnen, heißt es weiter. Weitere Schritte seien aber erst nach der Sommerpause zu erwarten. Die Perspektive für Irland und Portugal wird von Regierungsseite weiterhin als sehr vielversprechend eingeschätzt. „Die Programme belegen, dass der Weg der Strukturreformen richtig ist“, heißt es in der Mitteilung. Eine Sondersitzung der Eurogruppe zum spanischen Bankenrekapitalisierungsprogramm findet voraussichtlich am Freitag, 20. Juli, statt. (vom)