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Bildung

Finanzierung des Bildungssystems bleibt umstritten

Bücherregal

(© picture alliance)

Die Aufhebung des grundgesetzlichen Kooperationsverbots in Bildung und Wissenschaft und die Förderung von mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Wissenschaft sollen nach dem Willen von Bündnis 90/Die Grünen dazu beitragen, die Herausforderungen der Zukunft in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik auf Dauer besser zu bewältigen. Ein entsprechender Antrag (17/9565) der Fraktion war am Donnerstag, 9. Mai 2012, Thema einer 90-minütigen Debatte.

Nach Ansicht der Grünen ist das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot von Bund und Ländern in Bildung und Wissenschaft kontraproduktiv. In der Bildung sollen deshalb neue Wege in der Zusammenarbeit geöffnet werden, um mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen, die Pisa-Ergebnisse nachhaltig zu verbessern sowie Qualität und Leistungsfähigkeit des Bildungswesens zu steigern.

Grüne wollen Grundgesetzänderung

Deshalb fordert die Grünen-Fraktion in ihrem Antrag „Gemeinsam für gute Bildung und Wissenschaft — Grundgesetz für beide Zukunftsfelder ändern“ die Bundesregierung auf, einen Entwurf für eine Grundgesetzänderung vorzulegen, die eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bildungs- und Wissenschaftsbereich ermöglicht.

Solch ein Entwurf soll auch Finanzhilfen ermöglichen, die über kurzzeitige reine Investitionen hinausgehen, indem die Grundlage dafür geschaffen wird, dass der Bund den Ländern auf der Basis von Vereinbarungen Finanzhilfen zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit und der Weiterentwicklung des Bildungswesens sowie der Wissenschaft gewähren kann.

„Ausbau von Ganztagsschulen dringend geboten“

Zu Beginn der Debatte warb Sylvia Löhrmann, Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (Bündnis 90/Die Grünen) für den Antrag der Bundestagsfraktion ihrer Partei: „Wir müssen das System so reformieren, dass die Mittel direkt in den Schulen ankommen.“ Dabei sei der Ausbau von Ganztagsschulen „auch aus sozialpolitischen Gründen dringend geboten“.

Die finanzielle Unterstützung durch den Bund sei dabei laut Löhrmann unerlässlich. „Damit unsere Kinder eine Zukunft haben, brauchen sie eine bestmögliche Bildung; die Zukunft unseres Landes liegt in der Bildung unserer Kinder“, appellierte sie an das Parlament. 

SPD: Es ist was faul in der Bildungsrepublik

„7,5 Millionen funktionale Analphabeten gibt es in Deutschland“, eröffnete die SPD-Abgeordnete Dagmar Ziegler ihre Rede, „1,5 Millionen Menschen sind in Deutschland ohne Schulabschluss.“ Diese Zahlen seien erschreckend. „Es ist was faul in der Bildungsrepublik Deutschland, und ein Grund dafür ist das Kooperationsverbot“, argumentierte Ziegler.

„Der Bund hat das Geld, aber keine Kompetenzen. Die Länder haben die Kompetenzen, aber kein Geld.“ Deshalb, so ihre Schlussfolgerung, müssten sie kooperieren. „Alle wissen, dass das Kooperationsverbot ein Fehler war, den wir korrigieren müssen.“ Darüber herrsche fraktionsübergreifende Einigkeit.

FDP: Bund hat unendlich viel getan

Die Redner der Koalitionsfraktionen wiesen den Antrag der Grünen-Fraktion als kontraproduktiv zurück. Im Gegenzug warben sie für einen eigenen Entwurf der Bundesregierung. Allen fünf Bundestagsfraktionen liegt seit Kurzem ein Referentenentwurf aus dem Bildungsministerium vor, der ebenfalls einen Vorschlag für eine Grundgesetzänderung beinhaltet.

„Wir wollen für den Wissenschaftsbereich ein Ende des Kooperationsverbots erreichen“, erklärte Dr. Martin Neumann von der FDP-Fraktion. Das sei zwar nur ein „Minimalkompromiss“, aber die Kompromissbereitschaft der Länder sei begrenzt. Bevor es zu gar keiner Einigung komme, sollten alle Beteiligten lieber „nichts riskieren“. Der Bund habe, betonte Neumann, in den Bereichen Bildung und Forschung „unendlich viel getan und finanziell geleistet“.

CDU/CSU: Bildungsföderalismus hat sich bewährt

Ähnlich argumentierte auch der CDU/CSU-Abgeordnete Florian Hahn. „Man muss Bildung und Wissenschaft getrennt von einander betrachten“, erklärte er. Der Bildungsföderalismus sei „historisch gewachsen“ und bilde das „Fundament unserer Republik, und das ist auch gut so“. Der Bildungsföderalismus fördere den Wettbewerb zwischen den Ländern „um die beste Politik“auf der einen Seite und lasse ihnen auf der anderen Seite die Freiheiten für eigene Entscheidungen. Das Prinzip habe sich in der Praxis bewährt.

Allerdings, fügte Hahn einschränkend hinzu, müsse die „Uneinigkeit“ aufgehoben werden: „Es kann nicht sein, dass ein Schüler, der von Bremen nach Bayern umzieht, den Anforderungen nicht gewachsen ist.“

Linke: Wichtige Entscheidungen werden blockiert

Die Abgeordnete der Fraktion Die Linke, Dr. Rosemarie Hein, warf eine Vielzahl von Fragen auf. Beispielsweise fragte sie, warum 50.000 Erzieher in der frühkindlichen Bildung fehlten: „Warum kommen wir bei der Inklusion so schwer voran?“ Die Antwort sei banal, einige Länder und die Regierung würden wichtige Entscheidungen blockieren.

Ihre Fraktion fordere, Bildungshürden bundesweit abzubauen. Zwar gebe es einheitliche Bildungsstandards, Bildungsabschlüsse würden derzeit allerdings nicht bundesweit anerkannt werden. Auch Hein nannte beispielhaft den Umzug einer Familie mit schulpflichtigen Kindern in ein anderes Bundesland. „Man muss sich nur dazu bekennen, dass Bildung eine Gemeinschaftsangelegenheit ist“, sagte sie. Und dann müsse „man alle Bildungsabschlüsse überall anerkennen“.

Bundesrat: Kooperationsverbot muss korrigiert werden

Für den Bundesrat sprach dann der thüringische Kultusminister Christoph Matschie (SPD). „Das Kooperationsverbot war zwar falsch und muss korrigiert werden. Kein Bürger versteht, dass wir uns von einander abgrenzen, anstatt gemeinsam anzupacken.“ Es bedürfe fortan der konstruktiven Zusammenarbeit. „Der Antrag der Grünen zeigt genau in die richtige Richtung“, befand Matschie.

Der Antrag der Koalitionsfraktionen hingegen werde den Anforderungen nicht gerecht werden. Er monierte, dass die Länder ihre eigenen Einnahmen nicht beeinflussen könnten, da die Steuerhoheit beim Bund liege. Dabei würden die Ausgaben für Bildung steigen. „Laden Sie die Länder zu einem Dialog ein“, forderte Matschie, „suchen Sie mit den Ländern zusammen nach echten Lösungen.“

Ministerin: Wissenschaftsbetrieb internationalisieren

Prof. Dr. Annette Schavan (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung, wies den Antrag der Grünen zurück und betonte, dass der Bund den Ländern keinesfalls mehr Gelder für Bildung zur Verfügung stellen werde. 2011 hätten manche Bundesländer weniger Geld für Bildung ausgegeben als 2010, argumentierte die Ministerin. „Der Bund hat auch eine Schuldenbremse.“

Die Bundesregierung habe bereits die Einsetzung eines Bildungsrats mit Vertretern von Bund und Ländern analog zum Wissenschaftsrat beschlossen. Letzterer habe sich bereits bewährt. Die Bundesregierung wolle die Internationalisierung des Wissenschaftsbetriebs voranbringen, das sei einer „der wichtigsten Vorschläge überhaupt“. Interfraktionell wurde abschließend die Überweisung des Antrags in die zuständigen Ausschüsse vereinbart.