Die Beschlüsse des Bundestages am 22. und 23. März
Der Bundestag hat am Donnerstag, 22. März, und Freitag, 23. März 2012, folgende Beschlüsse, zum Teil ohne vorherige abschließende Aussprache, gefasst:
Entgeltgleichheit von Männern und Frauen: Bei Enthaltung der Linksfraktion und gegen das Votum von SPD und Grünen hat der Bundestag am 23. März einen Antrag der SPD (17/5038) abgelehnt, Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen gesetzlich durchzusetzen. Darin wurde die Regierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Durchsetzung von Entgeltgleichheit vorzulegen, um Unternehmen zu veranlassen, ihre Entgeltsysteme diskriminierungsfrei zu gestalten. Bei Enthaltung von SPD und Linksfraktion und gegen die Stimmen der Grünen fand ein Antrag der Grünen (17/4852) keine Mehrheit, der Gleichstellung als Innovationspolitik bezeichnet hatte. Die Grünen hatten von der Regierung ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft verlangt. Danach sollten zunächst Großunternehmen verpflichtet werden, mindestens drei Gleichstellungmaßnahmen umzusetzen und eine verbindliche Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände von mindestens 40 Prozent bis 2017 einzuführen. Der Bundestag folgte bei seinem Votum einer Empfehlung des Familienausschusses (17/5821).
Kleingruppenhaltung für Legehennen: Jeweils gegen das Votum der Opposition abgelehnt hat der Bundestag am 23. März Anträge der SPD (17/9038), die Kleingruppenhaltung für Legehennen endgültig zu beenden, und von Bündnis 90/Die Grünen (17/9035), die Verordnung zur Kleingruppenhaltung unverzüglich in Kraft zu setzen. Der Bundesrat hatte am 2. März 2012 beschlossen, die Kleingruppenhaltung nur noch bis 2023 und in Härtefällen bis 2025 zuzulassen. Die SPD forderte eine bundeseinheitliche Regelung, um artwidrige Tierhaltungen zu beenden und wie die Grünen gefordert, die Verordnung mit den Übergangsfristen (Bundesrat-Drucksache 95 / 12) sofort in Kraft zu setzen.
Klimabilanz der Landwirtschaft Bei Enthaltung von Linksfraktion und Grünen und gegen die Stimmen der SPD hat der Bundestag am 23. März einen Antrag der SPD „Herausforderung Klimawandel – Landwirtschaft 2050“ (17/1575) abgelehnt. Die SPD hatte ein Sofortprogramm gefordert, um die größten Treibhausgasquellen der Landwirtschaft zu schließen und das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft zu fördern. Bei Enthaltung der SPD und gegen die Stimmen der Grünen fand ein Antrag der Grünen (17/2487) keine Mehrheit, die Düngeverordnung im Sinne des Klimaschutzes zu überarbeiten und auf nationaler Ebene eine Stickstoffüberschussabgabe einzuführen, um den Stickstoffeinsatz in der Landwirtschaft zu optimieren. Der Bundestag folgte dabei einer Empfehlung des Landwirtschaftsausschusses (17/4888).
Europäische Grundlagenforschung: Bei Enthaltung der Linksfraktion und der Grünen und gegen das Votum der SPD hat der Bundestag mit den Stimmen der Koalition am 22. März einen Antrag der SPD (17/3483) abgelehnt, die sich für eine Stärkung der breit aufgestellten europäischen Grundlagenforschung eingesetzt hatte. Er schloss sich dabei einer Empfehlung des Forschungsausschusses (17/9025) an. Die SPD hatte die Bundesregierung aufgefordert, sich für geringere administrative Hürden und bessere finanzielle und organisatorische Autonomie des Europäischen Forschungsrates einzusetzen. Vor allem sollten die Mehrkosten für den Internationalen Thermonuklearen Experimental-Reaktor (ITER) nicht zulasten der Finanzierung des Forschungsrates gehen. Stattdessen sollten andere Finanzierungsmöglichkeiten erwogen werden, so die SPD.
Streichung des Begriffs „Rasse“: Der Bundestag hat am 22. März einen Antrag der Linksfraktion (17/4036) abgelehnt, der die Streichung des Begriffes „Rasse“ aus der deutschen Rechtsordnung und internationalen Dokumenten zum Ziel hatte. Die Linke begründete ihren Vorstoß damit, dass dieser Begriff wissenschaftlich widerlegt und historisch wie ideologisch extrem belastet sei.
Ungarisches Mediengesetz: Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am 22. März einen gemeinsamen Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/4429) abgelehnt, der sich auf das ungarische Mediengesetz bezog und darauf abzielte, „europäische Grundwerte und Grundrechte“ zu verteidigen. Beide Fraktionen wollten die Bundesregierung auffordern, gegenüber der ungarischen Regierung deutlich zu machen, dass das ungarische Mediengesetz nicht im Einklang mit den gemeinsamen Werten und Prinzipien stehe. Auch sollte die Europäische Kommission ihre Überprüfung des Gesetzes auf seine Übereinstimmung mit den Werten und Prinzipien der EU veröffentlichen. Der Bundestag schloss sich einer Empfehlung des Europaausschusses (17/8710) an.
Kolonialverbrechen in Deutsch-Südwestafrika: Mit Koalitionsmehrheit hat der Bundestag am 22. März einen gemeinsamen Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/9033 neu) abgelehnt, in dem die Bundesregierung aufgefordert worden war, die Beziehungen zu Namibia zu stärken und Deutschlands historischer Verantwortung gerecht zu werden. Die Fraktionen hatten unter anderem die Einsetzung einer deutsch-namibischen Parlamentariergruppe vorgeschlagen und gefordert, die schwere Schuld anzuerkennen, die deutsche Kolonialtruppen mit den Verbrechen an den Herero, Nama, Damara und San in der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika auf sich geladen haben. Der Vernichtungskrieg von 1904 bis 1908 sei ein Kriegsverbrechen und Völkermord gewesen. Bei Enthaltung von SPD und Grünen fand ein Antrag der Linken (17/8767) keine Mehrheit, in dem die Bundesregierung aufgefordert worden war, den Völkermord an namibischen Stämmen anzuerkennen und mit der namibischen Regierung in einen Dialog über den Versöhnungsprozess und Wiedergutmachungsleistungen einzutreten.
Investitionen in Antipersonenminen und Streumunition: Gegen die Stimmen der Antragsteller hat der Bundestag am 22. März einen gemeinsamen Antrag von SPD, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen (17/7339) abgelehnt, Investitionen in Antipersonenminen und Streumunition gesetzlich zu verbieten und die steuerliche Förderung zu beenden. Die Bundesregierung sollte aufgefordert werden, als Anteilseigner öffentlich-rechtlicher oder privater Banken Investitionen in die Herstellung und Entwicklung dieser Minen und Munition zu verhindern und bei der Anlage staatlicher Finanzvermögen entsprechende Investitionen auszuschließen. Der Bundestag folgte einer Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (17/8016).
Betreuungskommunikation für Soldaten im Einsatz: Bei teilweiser Enthaltung, teilweisen Gegenstimmen aus der Linksfraktion hat der Bundestag am 22. März einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen (17/8895) angenommen. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, die Unterkünfte der Bundeswehr in allen Einsatzgebieten so auszustatten, dass die Videotelefonie ermöglicht wird. Auch soll der Schutz der Privatsphäre der Soldatinnen und Soldaten bei der Videotelefonie in Gemeinschaftsbereichen verbessert werden. Ebenso soll die Regierung ein Konzept für eine kostenfreie Internetnutzung in den Unterkünften vorlegen. Telefonate aus dem Einsatz nach Deutschland sollen ohne zeitliche Beschränkung kostenlos möglich sein. Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen lehnte der Bundestag einen Antrag der Linksfraktion (17/8795) ab, die darüber hinaus den ungehinderten Zugang zu Rundfunk-, Presse- und Onlineberichterstattung sowie zusätzliche Steckplätze für Laptops und fest installierte Rechner verlangt hatte. Einvernehmlich erklärte das Parlament einen Antrag der Grünen zur Internettelefonie in Afghanistan (17/5908) für erledigt. Der Bundestag folgte dabei einer Empfehlung des Verteidigungsausschusses (17/9057).
Forschung zur Sicherung der weltweiten Ernährung:Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am 22. März einen Antrag von CDU/CSU und FDP zur „Forschung zur Sicherung der weltweiten Ernährung“ (17/6504) angenommen. Er schloss sich dabei einer Empfehlung des Forschungsausschusses (17/9024) an. Damit wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Gesamtbetrachtung des Ernährungssystems und einen breiten systemischen Ansatz zu verfolgen, internationale Forschungskooperationen anzustreben und bei der Netzwerkbildung den Schwerpunkt auf Afrika zu legen. Sie soll ferner das Informations- und Wissensmanagement ausbauen, den Wissenstransfer sicherstellen und die Forschungsergebnisse öffentlich zugänglich machen.
Votum für marktwirtschaftliche Industriepolitik:Die Bundesregierung soll bei der Industriepolitik weiter auf den „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ setzen. Dies beschloss der Bundestag am 22. März mit der Mehrheit von Union und FDP, als er einen Antrag dieser Fraktionen (17/8585) ohne vorherige abschließende Aussprache annahm. Der Bundestag betont, die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Konsum- und Investitionsgütern solle ebenso wie die Entwicklung neuer Produktionstechnologien in der sozialen Marktwirtschaft den Märkten überlassen werden. Die Bundesregierung solle aber klare und verlässliche Rahmenbedingungen für industrielle Innovation und Produktion setzen. Direkte staatliche Eingriffe seien zu beschränken. Auch dürfe nicht auf Ausgabenprogramme für einzelne Branchen gesetzt werden.
Grenzüberschreitende Gewässer: Einstimmig hat der Bundestag am 22. März auf Empfehlung des Umweltausschusses (17/8925) einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Übereinkommens vom 17. März 1992 zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen (17/8725) angenommen. Anlass für die Änderung ist die Öffnung des Vertrags für Staaten, die außerhalb der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (Economic Commission for Europe, UN ECE) liegen. Der UN ECE mit Sitz in Genf gehören alle europäischen Staaten, alle nichteuropäischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die USA, Kanada und Israel an.
Funktionaler Luftraumblock „Europe Central“: Bei Enthaltung der Linksfraktion hat der Bundestag am 22. März dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vertrag vom 2. Dezember 2010 über die Errichtung des Funktionalen Luftraumblocks „Europe Central“ zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz zugestimmt (FABEC-Vertrag). Er folgte damit einer Empfehlung des Verkehrsausschusses (17/8957). Der Vertrag regelt die Zusammenarbeit im Bereich der Flugsicherung mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems Flugsicherung zu verbessern. Die Flugsicherungsorganisationen werden verpflichtet, ihre Zusammenarbeit zu intensivieren, damit der neue „funktionale Luftraumblock Zentraleuropa“ wie ein einheitlicher Luftraum in Erscheinung tritt.
Außenwirtschaftsrecht geändert: Der Bundestag hat am 22. März einstimmig darauf verzichtet, die 93. Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (17/8539) zu ändern. Mit der Verordnung werden Beschlüsse der Vereinten Nationen und der Europäischen Union zu Waffenembargos umgesetzt und Anpassungen an EU-Recht vorgenommen.Bei Enthaltung der Linksfraktion verzichtete das Parlament ebenso darauf, die 161. Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Einfuhrliste (17/8324), einer Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz, zu ändern. Damit wird unter anderem auf die Vorlage von Ursprungsnachweisen bei der Einfuhr bestimmter Textilwaren verzichtet. Der Bundestag folgte in beiden Fällen einer Empfehlung des Wirtschaftsausschusses (17/9056).
Beschlüsse zu Petitionen: Ohne Aussprache hat der Bundestag am 22. März Beschlüsse zu einer Reihe von Petitionen gefasst. Im Einzelnen wurden die Empfehlungen des Petitionsausschusses zu den Sammelübersichten 404 bis 411 übernommen (17/8904, 17/8905, 17/8906, 17/8907, 17/8908, 17/8909, 17/8910, 17/8911). (vom)