Vertragliches Bekenntnis zu soliden Staatshaushalten
Der zuvor im Kabinett gebilligte Fiskalpakt stand im Zentrum der knapp einstündigen Regierungsbefragung am Mittwoch, 7. März 2012, im Bundestag. Das Vertragswerk, das in der vergangenen Woche 25 der 27 EU-Regierungen unterzeichnet haben, sieht unter anderem die Festschreibung nationaler Schuldenbremsen und einen strikteren Defizitabbau vor. Zudem soll es automatische Sanktionen beim Bruch der Defizitregeln geben. Mit dem vertraglich abgesicherten Bekenntnis zu soliden Staatshaushalten werde ein „neues Kapitel in der europäischen Integrationsgeschichte“ aufgeschlagen, sagte Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP), der gemeinsam mit dem parlamentarischen Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), die Ziele und einzelne Bestimmungen des Vertrags im Plenum erläuterte. Mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf sollen sie bis Juni in deutsches Recht umgesetzt sein.
„Rückkehr zum Stabilitätsmechanismus“
Der Fiskalpakt ruhe auf den Säulen Solidarität und Solidität, sagte Westerwelle in einer fünfminütigen Erklärung zu Beginn der Regierungsbefragung. „Mit dem Vertrag kehren wir zum Stabilitätsmechanismus zurück, wie er im Vertrag von Maastricht schon angelegt war, bevor er in den Jahren danach aufgeweicht wurde“, so der Außenminister. Vor diesem Hintergrund sei es richtig, Schuldenbremsen auch in den anderen europäischen Verfassungen zu verankern.
Der Fiskalpakt sehe außerdem automatische Sanktionen vor. „Der Spielraum für politische Opportunität wird zurückgedrängt“, so Westerwelle. Dies sei auch immer das Anliegen des Deutschen Bundestages gewesen, betonte er und appellierte gleichzeitig an das Verantwortungsbewusstsein der Parlamentarier. „Wir haben die Verantwortung für Europa und unsere gemeinsame Währung.“
„Abkehr vom schuldenfinanzierten Wachstum“
Gegenleistungen für eine Zustimmung der Opposition zum Fiskalpakt erteilte der FDP-Politiker hingegen eine Absage: „Wir werden keine Kuhhandel-Geschäfte machen.“
Steffen Kampeter ergänzte in einer anschließenden Erklärung die Ausführungen Westerwelles: Von dem Vertrag gingen, so der parlamentarische Staatssekretär, zwei wichtige Signale aus: Konsolidierung und Rückkehr der Wachstumskriterien. „Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille ‚nachhaltiges Wirtschaften’.“ Gleichzeitig stelle der Fiskalpakt die „Abkehr vom schuldenfinanzierten Wachstum“ dar, so der CDU-Politiker.
Verfassungsänderung notwendig
Carsten Schneider (SPD) interessierte sich insbesondere für die verfassungsrechtliche Verankerung der EU-Schuldenbremse und eine mögliche Änderung des Grundgesetzes: Wenn zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Umsetzung des Fiskalpakts eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig sei, so hieße dies auch, dass der Inhalt des Grundgesetzes geändert oder ergänzt werden, mutmaßte Schneider und fragte: „Wo und an welcher Stelle wird das der Fall sein?“
Außenminister Westerwelle antwortete, die Verfassungsrelevanz entstehe vor allem dadurch, dass Deutschland sich mit dem Vertrag des Fiskalpakts politisch und völkerrechtlich verpflichte, die im Grundgesetz bereits verankerte Schuldenbremse beizubehalten.
Klage vor dem EuGH als Sanktion
Norbert Barthle (CDU/CSU) wollte unter anderem wissen, was geschehe, wenn ein Mitgliedstaat die Defizitregeln nicht achte. Außerdem fragte er, wie die Bundesregierung selbst die vereinbarten 60 Prozent Gesamtverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt einhalten wolle.
In seiner Antwort unterstrich Bundesaußenminister Westerwelle, dass der Fiskalpakt als Sanktion erstmals die Möglichkeit der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof vorsehe. „Fiskalpakt und europäischer Rettungsschirm ESM geben den Anreiz, sich dem Stabilitätsregime rechtszeitig und umfassend zu unterwerfen.“ Die Bundesregierung erfülle die Regeln, sagte Westerwelle und fügte hinzu: „Aber wir sind auf Mehrheiten angewiesen und werden sicher noch über Konsolidierungsschritte streiten.“
Sozialstaat ist ein Erfolgsmodell
Andrej Hunko (Die Linke) erkundigte sich nach der Haltung der Bundesregierung zum Sozialstaat. Hintergrund seiner Frage sei ein Interview, das Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, einer Zeitung gegeben habe. In diesem habe Draghi den Sozialstaat als Auslaufmodell bezeichnet, so Hunko. „Ist das auch die Position der Bundesregierung – und wenn nein, was haben Sie getan, um Draghi darüber zu informieren, dass die Bundesrepublik per Grundgesetz ein Sozialstaat ist?“, wollte der Linkspolitiker wissen.
Westerwelle lehnte es ab, diese Aussage zu kommentieren, stellte aber klar: „Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass sich der Sozialstaat mehr als bewährt hat.“ Die Soziale Marktwirtschaft sei ein Erfolgsmodell.
Vorschläge zum Korrekturmechanismus stehen noch aus
Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) interessierte sich vor allem für die noch ausstehenden Vorschläge der EU-Kommission zum automatischen Korrekturmechanismus: „Was sollen das genau für Vorschläge sein und wann werden sie auf dem Tisch liegen?“, fragte die Abgeordnete.
Steffen Kampeter räumte ein, dass die Kommission tatsächlich noch Vorschläge sowohl zum „Anpassungspfad“ als auch zum Korrekturmechanismus abgeben müsse. Der Staatsekretär wies in diesem Zusammenhang auf eine am 7. Mai 2012 geplante große Anhörung hin. „Ich gehe davon aus, das bis dahin die Vorschläge auf dem Tisch liegen.“ (sas)