„Zeitarbeitern nach drei Monaten gleichen Lohn zahlen“
Ein Verbot von Zeitarbeit lehnt der CSU-Abgeordnete Max Straubinger ab: Diese sei zur Bewältigung von Auftragsspitzen in Unternehmen sinnvoll, so der Vizevorsitzende des Arbeits- und Sozialausschusses, auch könnten auf diesem Weg Erwerbslose eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt finden. Im Blick auf eine für Freitag, 9. März 2012, terminierte Plenardebatte auf der Basis eines Antrags der Linksfraktion (17/8794) fordert Straubinger im Interview eine bessere Bezahlung von Zeitkräften, die nach drei Monaten den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten müssten. Die Linke verlangt in ihrem Antrag ein Verbot der Leiharbeit und deren Umwandlung in reguläre Beschäftigung. Die Fraktion kritisiert, Zeitarbeitnehmer seien „Beschäftigte zweiter Klasse“. Sie fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Leiharbeit untersagt. Das Interview im Wortlaut:
Warum muss es eigentlich Zeitarbeiter geben? Unternehmen können ihre Beschäftigten doch zu normalen Tarifbedingungen einstellen. In früheren Jahrzehnten hat das ja auch geklappt. Ist ein Verbot von Leiharbeit, wie es Die Linke in ihrem Antrag fordert, nicht sinnvoll?
Nein, ein solches Verbot lehne ich ab, das macht keinen Sinn. Zeitarbeit ist ein nützliches Instrument, um in Firmen Auftragsspitzen zu bewältigen. Die Wirtschaft und damit auch der Arbeitsmarkt sind ständig in Bewegung, und dieses Auf und Ab vermag die Zeitarbeit abzufedern. Für solche Beschäftigte erweist sich Zeitarbeit oft auch als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, und das kommt nicht zuletzt Langzeiterwerbslosen zugute. Ein gutes Beispiel ist BMW, wo viele Zeitarbeitnehmer in eine reguläre Beschäftigung übernommen wurden, nachdem sie sich zunächst bewährt hatten.
In der Tat führen Unternehmen häufig das Management von Auftragsspitzen als Argument für die Inanspruchnahme von Leihkräften an. Verbirgt sich dahinter aber nicht als wahres Motiv das Bestreben, Kosten zu sparen, da diese Beschäftigten in der Regel weniger verdienen als die Stammbelegschaft?
In Einzelfällen ist das sicher so, und ein solches Vorgehen ist nicht zu tolerieren. Die CSU fordert jedenfalls, dass Zeitarbeitnehmer nach drei Monaten den gleichen Lohn erhalten müssen wie Stammbeschäftigte. In erster Linie sind die Tarifparteien gefordert, für dieses Problem eine Lösung zu finden. Die Politik erwartet von Arbeitgebern und Gewerkschaften bis zum kommenden Frühjahr entsprechende Konzepte. BMW verpflichtet Zeitarbeitsfirmen übrigens, ihren bei dem Autobauer eingesetzten Beschäftigten zumindest den gleichen Eckstundenlohn wie den festen BMW-Mitarbeitern zu zahlen. Das ist ein Fortschritt, auch wenn diverse Zulagen in diese Regelung nicht einbezogen sind.
Mittlerweile gilt in der Zeitarbeitsbranche ein gesetzlicher Mindestlohn. Ist damit die Problematik gelöst oder werden auf diesem Weg nur die schlimmsten Auswüchse eingedämmt?
Ohne Zweifel bekommt man über den Mindestlohn nur die übelsten Auswüchse in den Griff, wobei dieser Schritt in seiner Tragweite keineswegs zu unterschätzen ist. Entscheidend aber ist, dass in Tarifverträgen für Zeitkräfte höhere Gehälter bis hin zum Equal Pay vereinbart werden, der gleichen Bezahlung wie Stammbelegschaften.
Bis zu zehn Prozent der Leiharbeitnehmer sind zusätzlich auf Hartz-IV-Unterstützung angewiesen. Das ist doch eine Lohnsubventionierung zugunsten von Unternehmen, und dies aus Steuergeldern. Ist das zu rechtfertigen?
So kann man das nicht darstellen. Die Aufstockung, also die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zur Sicherung des Existenzminimums, ist kein spezielles Phänomen der Zeitarbeit. Das kommt auch bei anderen Beschäftigten vor. Gerade kinderreiche Familien oder auch Alleinerziehende sind oft auf eine solche Unterstützung angewiesen, etwa in Form von Wohngeld. Deshalb ist es wichtig, für alle oder zumindest für möglichst viele Berufe in Tarifverträgen Löhne zu verankern, von denen man leben kann.
Gesetzliche Regelungen aus dem Jahr 2011 sollen den sogenannten Drehtüreffekt unterbinden: Firmen dürfen Beschäftigte nicht mehr in der Absicht entlassen, sie anschließend wieder als Zeitkräfte anzustellen. Dies hat den Boom der Branche offenbar aber nicht gebremst, inzwischen gibt es schon rund 900.000 Leiharbeiter.
Es ist uns gelungen, den Drehtüreffekt zu stoppen, und das ist ohne Zweifel ein Erfolg. Der Aufschwung der Zeitarbeitsbranche hat nichts damit zu tun, dass diese Regelung ihre Wirkung verfehlt hätte. Die wesentliche Ursache für den Zuwachs bei der Zeitarbeit ist der allgemeine Wirtschaftsaufschwung, die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt, und diese günstige Entwicklung macht auch um die Zeitarbeit keinen Bogen.
Die IG Metall versucht derzeit bei Tarifverhandlungen, für die Beschäftigung von Leihkräften in den Betrieben Obergrenzen durchzusetzen. Ist das ein erfolgversprechender Kurs?
Das kann durchaus ein sinnvoller Weg sein. Aber es ist nicht Sache der Politik, sondern der Tarifparteien, Höchstquoten für Zeitarbeiter in bestimmten Firmen zu beschließen oder zu vereinbaren, dass solche Kräfte nur mit Zustimmung von Betriebsräten beschäftigt werden können. Man sollte einen solchen Kurs jedoch politisch positiv begleiten.
(kos)