„Es gibt eine Alternative, die aus der Krise herausführt“
Die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise steht für die Fraktion Die Linke auf der Agenda für das Jahr 2012 ganz oben, wie der Fraktionsvorsitzende Dr. Gregor Gysi im Interview betont. Die Menschen hätten das Vertrauen in die Politik verloren und auch Anlass dazu. Gysi: „Wir müssen deutlich machen, dass es eine politische Alternative gibt, die gerecht aus der Krise herausführt.“ Das Interview im Wortlaut:
Herr Gysi, was war aus Ihrer Sicht der wichtigste Erfolg der Linksfraktion 2011?
Es ist uns gelungen, im Bundestag eine andere Atmosphäre herzustellen. Wir werden ernster genommen. Von besonderem Wert ist, dass eine gemeinsame Entschließung aller Bundestagsfraktionen gegen Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen wurde. Das sehe ich schon als großen Erfolg an.
Was halten Sie für die größte Herausforderung im kommenden Jahr? Welche thematischen Schwerpunkte will Ihre Fraktion 2012 setzen?
Natürlich steht ganz obenan die Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir müssen deutlich machen, dass es eine politische Alternative gibt, die gerecht aus der Krise herausführt. Die Menschen haben das Vertrauen in die Politik verloren und, wenn ich mir das Agieren der Bundesregierung anschaue, auch Anlass dazu. Sie sehen doch, was die Spardiktate von Merkel und Sarkozy für die Menschen in Griechenland oder Portugal bedeuten. Zugleich wird mit jedem EU-Gipfel eine neue Runde der Verunsicherung gestartet. Doch weder die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch die Rentnerinnen und Rentner noch die Sozialleistungsbeziehenden tragen eine Schuld an der Krise. Sie haben sie nicht verursacht, also müssen sie auch nicht für die Finanz- und Wirtschaftskrise haften.
Dass die Bundesregierung vollkommen darauf verzichtet, die Profiteure der Krise, die Vermögenden zur Finanzierung der Krisenkosten heranzuziehen ist nicht nur ein verteilungspolitischer Skandal, sondern auch ökonomisch unsäglich dumm. In Deutschland übersteigt das Geldvermögen der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung mit drei Billionen Euro die deutschen Staatsschulden um das Anderthalbfache. Wir werden der Krise ohne eine Vermögensabgabe, die diesen Namen auch verdient, nicht Herr werden. Genauso wie wir die Massenkaufkraft im Inland ankurbeln müssen, um einer Rezession wirksam vorzubeugen. Höhere Löhne, Renten und Sozialleistungen dienen dabei nicht nur den Menschen, sondern tragen auch zur Wiederherstellung eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts in Europa bei.
Welche Ziele werden Sie als Fraktionsvorsitzender verstärkt verfolgen? Gibt es ein Thema, für das Sie sich persönlich besonders einsetzen wollen?
Chancengleichheit bei Kindern. Noch kein Mensch konnte mir erklären, warum es gerecht sein soll, dass ein in Kind Uganda so viel weniger Chancen hat als ein Kind in Deutschland, warum ein Kind einer Hartz-IV-Empfängerin bei uns so viel schlechtere Chancen hat als ein Kind von gut verdienenden Anwälten. Hier will ich, dass sich endlich etwas ändert. Hartz-IV-Bildungspäckchen reichen dafür eben hinten und vorne nicht aus.
Gerade weil die Aufdeckung der Nazi-Mordserie für mich das einschneidendste und bedrückendste innenpolitische Ereignis des Jahres 2011 gewesen ist, möchte ich zügig einen Untersuchungsausschuss im Bundestag sehen, am besten von allen Fraktionen gemeinsam eingesetzt. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung einer umfassenden und öffentlichen Aufklärung verlangt nach einem Untersuchungsausschuss. Das sind wir den Opfern und ihren Angehörigen schuldig. Daran wird sich zeigen, was die gemeinsame Entschließung aller Fraktionen des Bundestages wert ist.
(hau)