Dopingkontrollen greifen in Rechte der Sportler ein
Das auf den Richtlinien der Internationalen Antidopingagentur (Wada) aufbauende Antidopingsystem in Deutschland greift unter verschiedenen Gesichtspunkten in den Grundrechtsbereich der Sportler ein. Diese Ansicht vertraten die Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink (Rheinland-Pfalz) und Ulrich Lepper (Nordrhein-Westfalen) am Mittwoch, 19.Oktober 2011, in einer öffentlichen Anhörung vor dem Sportausschuss unter Vorsitz von Dagmar Freitag (SPD).
Insbesondere das Meldesystem ADAMS, in dem die Sportler ihre Aufenthaltsorte für drei Monate im Voraus angeben müssten, sowie die Weitergabe erhobener Daten durch die Nationale Antidopingagentur (Nada) an die Wada sind aus Sicht der Datenschützer problematisch.
„Friss oder stirb-Situation“für Sportler
Die Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte seien nicht dadurch zu rechtfertigen, dass die betroffenen Sportler einer entsprechenden Kontrolle nicht ausdrücklich widersprochen hätten, sagte Brink. Von einer freiwilligen Einwilligung könne nicht die Rede sein, da im anderen Fall die Berufsausübung nicht möglich sei. Es handle sich also um eine „Friss oder stirb-Situation“, urteilte der Datenschutzbeauftragte.
Sein nordrhein-westfälischer Kollege Lepper machte deutlich, dass es seiner Aufsichtsbehörde nicht darum gehe zu verhindern, dass deutsche Sportler an internationalen Wettkämpfen teilnehmen können. „Die Grundrechte gelten aber auch für Sportler“, stellte Lepper klar.
Konstruktive Gespräche mit Datenschutzbeauftragten
Die für die nationalen Dopingkontrollen zuständige Nada habe schon frühzeitig auf die Datenschutzproblematik hingewiesen, sagte Nada-Vertreter Lars Mortsiefer. Es gebe schon seit längerem „konstruktive Gespräche“ mit mehreren Landesdatenschutzbeauftragten über Probleme, „die auch wir sehen“.
So sei auch aus Sicht der Nada die Speicherung der erhobenen Daten über acht Jahre „nicht verhältnismäßig“. Gleichwohl stehe fest: „Die Nada muss internationale Vorgaben in Deutschland umsetzen.“ Wolle man also Verbesserungen im Bereich des Datenschutzes erreichen, könne dies nur in Zusammenarbeit mit den Athleten und den internationalen Partnern gelingen.
„Aufwendiges System“
Aus Sicht der Athleten warnte Silke Kassner vom Beirat der Aktiven im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vor überzogenen Datenschutzanforderungen. Die Athleten hätten die Regelungen des Wada-Codes 2009 akzeptiert, auch wenn das ADAMS-System sehr aufwendig sei.
„Das System ist aber aktuell alternativlos“, sagte Kassner. Sport bestehe nun einmal aus Regeln, wozu auch das Dopingkontrollsystem gehöre. Datenschutz, so die Wildwasser-Kanutin weiter, dürfe nicht das Kontrollsystem gefährden.
Kampf gegen Doping „wichtig und essenziell“
Der Basketball-Nationalspieler Heiko Schaffartzik nannte den Kampf gegen Doping „wichtig und essenziell“ und forderte zugleich, die Intimsphäre der Sportler stärker zu respektieren. So sei die sogenannte Sichtkontrolle beim Urinieren des Sportlers in den Messbecher „demütigend“.
Auch die im ADAMS-System geforderte Weitergabe der Adressdaten von Personen, bei denen man in den kommenden drei Monaten zu übernachten vorhabe, sei fragwürdig. Auf diese Weise würde etwa ein homosexueller Sportler durch die Angabe eines dauerhaften Übernachtungspartners „sich vor der Nada outen müssen, auch wenn er seine sexuelle Orientierung eigentlich geheim halten möchte“, kritisierte der Basketballer. (hau)
Geladene Sachverständige
- Stefan Brink, Landesdatenschutzbeauftragter Rheinland-Pfalz
- Silke Kassner, Beirat der Aktiven im Deutschen Olympischen Sportbund
- Ulrich Lepper, Landesdatenschutzbeauftragter Nordrhein-Westfalen
- Lars Mortsiefer, Nationale Antidopingagentur
- Heiko Schaffartzik, Basketball-Nationalspieler