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Familie

Sozialunternehmer als „Erfinder neuer Märkte“

Zwei Männer reichen sich die Hand

(© dpa)

Sozialunternehmer sind keine neues Phänomen. Insbesondere im Wohlfahrtssektor hat es sie schon immer gegeben. Diese Ansicht vertrat Prof. Dr. Dr. Rolf Heinze von der Ruhr Universität Bochum während eines öffentlichen Expertengesprächs des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement unter Vorsitz von Ute Kumpf (SPD) am Mittwoch, 29. Juni 2011. Diskutiert wurde die Frage: Sind Sozialunternehmer die innovativeren und besseren Problemlöser als Staat und Zivilgesellschaft? Sozialunternehmer, so der geschäftsführende Direktor des Centrums für Soziale Investitionen und Innovationen (CSI) der Universität Heidelberg, Dr. Volker Then, würden „neue Märkte erfinden“. Sie seien somit keine Wettbewerber, da sie insbesondere in ihrer Identifikationsphase vom Staats- oder Marktversagen profitieren würden.

„Sozialunternehmer gehen Nischenaufgaben an“

„Sozialunternehmer greifen Dinge auf, die der Staat noch nicht als gesetzlich regelungsbedürftig empfunden hat und der Markt als nicht profitabel genug einschätzt“, sagte Then. Die Existenz diese Non-Profit-Sektors sei wichtig, da dort „Nischenaufgaben“ angegangen würden. Mit einem Anteil von 4,1 Prozent trage dieser Sektor derzeit im gleichen Maße zur Wertschöpfung bei wie der Automobilsektor.

Mit ihren neuen Ideen würden die Sozialunternehmer bisherige Organisationsformen verunsichern, sagte der Wirtschaftssoziologe Heinze. „Das etablierte System wird aufgemischt, was nur gut sein kann.“ Derzeit sei es der Wohlfahrtssektor gegen den sich die „Wellenbewegung“ der Sozialunternehmer richte. Das habe auch damit zu tun, dass es zu einer „Verstaatlichung der Wohlfahrtsverbände“ gekommen sei, was mit einer geschrumpften Freiwilligkeit einhergehe.

„Begleiten und unterstützen“

Heinze warnte vor einer „politischen Instrumentalisierung der Sozialunternehmen“. In Großbritannien sei zu beobachten, dass staatliche Einrichtungen gezielt abgebaut würden, um sie durch Non-Profit-Unternehmen zu ersetzen. In Deutschland, so Heinze, sei dies jedoch nicht der Fall.

In der Frage, wie die Politik mit dem Phänomen Sozialunternehmer umgehen solle, riet Professor Heinze zu Gelassenheit. „Begleiten und unterstützen“ sei gefragt. Zudem sollte die öffentliche Hand offener werden für die neuen Formen, die derzeit „bei den großen Programmen nicht reinkommen“.

Eine engagierte Person hinter jeder erfolgreichen Idee

Felix Oldenburg, als Hauptgeschäftsführer von Ashoka Deutschland für die Entwicklung und Leitung von nationalen und internationalen Programmen zur Förderung von Sozialunternehmern verantwortlich, verwies darauf, dass hinter jeder später erfolgreichen Idee eine engagierte Person gesteckt habe. Als Beispiel nannte er die italienische Pädagogin Maria Montessori, die 1907 den ersten Kindergarten eröffnet hatte. Sie habe „eine Idee angestoßen, die ein ganzes Feld verändert hat“.

Ein aktuelleres Beispiel sei der unlängst mit dem Gründerpreis 2011 geehrte Andreas Heinecke, der durch die Konzepte „Dialog im Dunkeln“ und „Dialog im Stillen“ Behinderte und Nichtbehinderte zusammengeführt habe. In der vor mehr als 20 Jahren entwickelten Ausstellung „Dialog im Dunkeln“ führten blinde Menschen das Publikum durch völlig dunkle Räume. Mit seiner Idee habe er in wenigen Jahren ein weltweit agierendes Unternehmen aufgebaut und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen geschaffen. Die Aufgabe der Organisation Ashoka sei es, solche Unternehmer zu unterstützen, „bis ihre Idee ausgereift ist“.

Im Wettbewerb mit dem Staat und der Zivilgesellschaft

Sozialunternehmen würden durch ihre Aktivitäten die Produktion von öffentlichen Gütern in Frage stellen, sagte Prof. Dr. Stephan Jansen von der Zeppelin University Friedrichshafen. Sie seien „im Wettbewerb mit dem Staat und der Zivilgesellschaft“.

Jansen vertrat die Auffassung, dass der Erfolg eines Sozialunternehmens schlussendlich in seiner Auflösung bestehe, also in der Lösung des von ihm erkannten und aufgegriffenen Problems. Ebenso wie Professor Heinze gelangte auch Jansen zu der Feststellung, dass die Datenlage zum Thema Sozialunternehmen unzureichend sei. Es gebe kaum belastbare empirische Daten, kritisierten die Wissenschaftler. (hau)