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Soziales

„Risikobereitschaft durch Haftung eindämmen“

Die Mitglieder der Enquete Wachstum bei der Arbeit.

Die Mitglieder der Enquete Wachstum bei der Arbeit. (© DBT/Neuhauser)

Den Blick auf ökonomische, ökologische, soziale und demografische Krisen, die das bisherige Wachstumsmodell bedrohen, und auf die aus diesen Herausforderungen zu ziehenden Lehren richtete bei ihrer Sitzung am Montag, 9. Mai 2011, die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ unter Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD). Als Konsequenz aus der Finanz- und Rezessionskrise der vergangenen Jahre mahnte der Sachverständige Prof. Dr. Kai Carstensen eine Stärkung des Haftungsprinzips an, um eine ausufernde Risikobereitschaft einzudämmen.

Vor zu großem Ressourcenverbrauch gewarnt

Der Experte Privatdozent Dr. Norbert Reuter erklärte, bei der Überwindung der Krise hätten sich staatliche Konjunkturprogramme wie auch Arbeitszeitverkürzungen etwa in Form von Kurzarbeit bewährt. Der Abgeordnete Dr. Hermann Ott (Bündnis 90/Die Grünen) warnte eindringlich vor einem zu großen Ressourcenverbrauch, da andernfalls das ökologische Gleichgewicht der Erde gefährdet werde.

Der Sachverständige Prof. Dr. Meinhard Miegel wies laut schriftlicher Stellungnahme darauf hin, dass sich mit Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung auch das Wirtschaftsgefüge hin zu mehr medizinischen und pflegerischen Dienstleistungen verändere.

„Haftungsrisiken erhöhen“

Aus Sicht von Carstensen ist die vom Platzen der Immobilienblase in den USA ausgelöste Krise auf tieferliegende Ursachen wie das Ausblenden von Risiken zurückzuführen. Eine Rolle habe auch gespielt, dass wegen der Haftungsbeschränkungen bei Banken wie Privatpersonen die Verschuldung als etwas Positives angesehen worden sei. Überdies sei Geld billig gewesen, zudem habe sich im Falle von Krisen das Finanzsystem als anfällig erwiesen.

Carstensen plädierte dafür, die Haftungsrisiken zu erhöhen und auch die Eigenkapitalquote bei Banken heraufzusetzen. International müssten die Finanzinstitute einer besseren Aufsicht unterstellt werden. Der Sachverständige wandte sich indes gegen die These, die große Krise habe das Ende der Marktwirtschaft eingeläutet: Sowohl in den USA als auch in Deutschland wiesen im historischen Kontext die Wachstumsraten weiterhin nach oben.

„Hausgemachte Ursachen nicht übersehen“

Norbert Reuter mahnte, hausgemachte Ursachen krisenhafter Entwicklungen nicht zu übersehen. So sei die Binnennachfrage zu schwach, was in der ungleichen Verteilung von Vermögen und Arbeitnehmereinkünften zulasten Letzterer eine wesentliche Ursache habe.

Anders als in den meisten EU-Ländern sei die Lohnentwicklung in der Bundesrepublik zeitweise sogar rückläufig gewesen. Auch dieser Faktor habe die deutsche Exportfähigkeit verbessert und die Exportüberschüsse noch weiter wachsen lassen, was jedoch international die Ungleichgewichte verstärke. Reuter: „Das kann kein Modell für die Weltwirtschaft sein.“

„Artensterben hält unvermindert an“

Für den Sachverständigen ergeben sich aus der Krise Lehren wie die Stärkung der Binnennachfrage und wirtschaftliche Reformen wie eine Ausweitung öffentlicher Ausgaben, ein ökologischer Umbau oder eine Aufwertung der Dienstleistungen. Finanzieren könne man dies über höhere Steuern auf große Einkommen und Vermögen.

Drastische Konsequenzen aus einem zu hohen Ressourcenverbrauch und Schadstoffausstoß malte Hermann Ott vor dem Gremium aus. So würden weltweit täglich  beispielsweise 75 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert, 50.000 Hektar Wald zerstört oder 350.000 Tonnen Fisch gefangen. Auch schreite das Aussterben biologischer Arten unvermindert voran.

Klimaerwärmung und Kohlendioxidausstoß

Entsprechend dem Ressourcenverbrauch und der Schadstoffbelastung wurden nach den Ausführungen des Abgeordneten 2005 eigentlich bereits 1,3 Erden benötigt. Der Grünen-Abgeordnete hob den engen Zusammenhang zwischen der Klimaerwärmung und dem Kohlendioxidausstoß hervor.

Setze sich diese Emittierung auf dem heutigen Niveau fort, sei das Ziel nicht zu erreichen, den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen.

„Jüngere Frauen wichtigste Arbeitskräftereserve“

Laut schriftlichem Referat ist es aus Sicht Miegels eine wesentliche Konsequenz der „unabänderlichen demografischen Verwerfungen“, nach Wegen zu suchen, um die Belastungen der Steuer- und Beitragszahler tolerabel erscheinen zu lassen. Hintergrund ist die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen den Finanziers und den Leistungsbeziehern der Sozialversicherung.

Da der durch Schrumpfung und Alterung der Gesellschaft verursachte Rückgang der Erwerbsbevölkerung nicht allein durch Zuwanderung und eine größere Zahl berufstätiger Älterer ausgeglichen werden könne, würden „jüngere Frauen zur wichtigsten Arbeitskräftereserve der Zukunft“, betonte Miegel.  Grundsätzlich, so der Sachverständige, nehme in einer älter werdenden Gesellschaft der Leistungswille ab. Eine solche Bevölkerung verhalte sich nicht „betont dynamisch-expansiv“. (kos)