Kontroverse um die Abrüstungspolitik der Regierung
Außenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) hat das letzte Jahr als „gutes Jahr für die Abrüstung“ bezeichnet. In einer Debatte zum Jahresabrüstungsbericht 2010 (17/4620) wies der FDP-Politiker am Freitag, 8. April 2011, darauf hin, dass die Nato das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt zum Teil ihrer neuen Strategie gemacht habe. Deutschland habe im vergangenen Jahr zur Wiederbelebung der internationalen Abrüstungspolitik beitragen. Diese „neue Dynamik“ werde man nutzen.
Moskau sei in der Pflicht, so der Außenminister, etwas zu diesem Dialog beigetragen. Westerwelle verwies auf das bevorstehende Treffen der Nato-Außenminister in Berlin, wo man gemeinsam mit Russland über alle Bereiche der Abrüstung sprechen werde.
„Produktion von waffenfähigem Spaltmaterial verbieten“
Er wies besonders auf das Ziel hin, die Produktion von waffenfähigem Spaltmaterial „vollständig zu verbieten“ und das zu vernichten, was bereits produziert wurde. Westerwelle kündigte für den Fall, dass die Genfer Abrüstungskonferenz keine Fortschritte erbringen, eine entsprechende Initiative im UN-Generalversammlung in New York an.
Der Außenminister betonte, man dürfe „keine weitere Blockade zulassen“. Nukleare Spaltmaterial dürfe nicht in die Hände von Tyrannen oder Terroristen fallen.
SPD: Durchlavieren auf allen wichtigen Politikfeldern
Der SPD-Abgeordnete Michael Groschek unterstrich, das vergangene Jahr sei ein gutes Jahr für die Abrüstung gewesen. Über den Anteil der Bundesrepublik daran könne man allerdings streiten. Der Abgeordnete sprach vom „Durchlavieren auf allen wichtigen Feldern der Politik“, auch der Außen- und Sicherheitspolitik.
Außerdem vermisste der Sozialdemokrat einen Hinweis zu Libyen. Die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat sei daran gekoppelt gewesen, dass man dort militärisch nicht eingreifen werde. Die Marineeinheiten seien abzogen worden. Jetzt müsse man aus der Zeitung erfahren, dass die Koalition offen sei für eine militärische Absicherung humanitärer Einsätze.
Groschek betonte, eine Reihe von westeuropäischen Staaten habe eine ganz enge Rüstungszusammenarbeit mit Gaddafi betrieben. Er sprach gegenüber Westerwelle von einer „Enthauptung innerhalb Ihrer eigener Partei“ und davon, ob Westerwelle glaube, „noch am richtigen Platz in Kabinett“ zu sein.
Koalition: Drillinge einer sicherheitspolitischen Familie
Dies rief den Abgeordneten Dr. Rainer Stinner (FDP) auf den Plan: Die SPD habe in ihren Reihen einige Kollegen, die sich „sehr ernsthaft“ mit dem Thema beschäftigten. Ihm sei unerfindlich, warum die SPD gerade Groschek als Redner entsandt habe.
Dr. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) bestätigte, selbst der SPD-Fraktionsvorsitzende habe die Enthaltung in Weltsicherheit „in den eigenen Reihen“ für gut befunden. Deutschland wolle die Bombardierung nicht - aber es sei dabei, wenn es gelte, humanitäre Hilfe zu leisten
Kiesewetter wies darauf hin, dass sich Deutschland „mit hat aller Kraft“ für Abrüstung eingesetzt habe. Nun gelte es, intensiver den Dialog zu suchen. „Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sind die Geschwister von Abrüstung“, sagte der CDU-Abgeordnete, „es sind Drillinge einer sicherheitspolitischen Familie.“ Der Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland habe nur im Nato-Bündnis zu erfolgen.
Grüne: Zick-Zack-Kurs beenden
Dr. Gregor Gysi (Die Linke) sieht die Bundeswehr „Schritt für Schritt“ auf dem Weg zu einer „Armee zur weltweiten Intervention“. Der Fraktionsvorsitzende wies darauf hin, dass Deutschland drittgrößter Waffenexporteur der Welt sei, was „ein Skandal“ sei. Gysi rügte gleichzeitig, dass trotz des erreichten Verbots von Streumunition die USA Streumunition in Deutschland lagerten.
Agnes Malczak (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte, dass dem Außenminister offensichtlich der Wertekompass fehle. Erst entschließe man sic, in Libyen nicht dabei zu sein. Dann entschließe man sich offensichtlich zu einer Kehrtwende. Dieser „Zick-Zack-Kurs“ müsse beendet werden.
Beim Thema Landminen und Streumunition müsse das erreichte Abkommen auch durchgesetzt werden, sagte Malczak. Sonst würden Menschen auf „grausamte Weise weiter verstümmelt“. Man müsse dafür sorgen, dass das Abkommen nicht untergraben wird. Zwingend sei das Verbot von Investitionen in Unternehmen, die solche Waffen herstellen.
Oppositionsanträge abgelehnt
Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/4697, 17/5374) und der SPD (17/4863) überwies der Bundestag zur weiteren Beratung an den Auswärtigen Ausschuss.
Keine Mehrheit fanden ein weiterer Antrag der Grünen (17/122) und zwei Anträge der Linksfraktion (17/116, 17/886), die alle ein atomwaffenfreies Deutschland zum Ziel hatten. Der Auswärtige Ausschuss hatte dem Bundestag in allen drei Fällen die Ablehnung empfohlen (17/2213, 17/2214, 17/2215). (bob)