„Wir brauchen eine neue Partnerschaft“
Hinsichtlich der Transformations- prozesse richten die Länder Nordafrikas an keine Region so große Erwartungen wie an Europa. Das sagte Prof. Dr. Volker Perthes, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, am Mittwoch, 13. April 2011, im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Zunächst sei es „konsequent und richtig“, sagte Perthes, „wenn die EU erklären würde, dass die Union für das Mittelmeer gescheitert ist. Wir brauchen eine neue Partnerschaft“. Denkbar sei etwa eine „Gemeinschaft der Demokratien“ im Mittelmeerraum. Anders als bei der Mittelmeerunion hänge die Mitgliedschaft eines Landes dann nicht mehr von geopolitischen Kriterien wie einer Küste ab, sondern von demokratischen Standards, die erfüllt sein müssten. Nach Einschätzung des Wissenschaftlers haben Staaten wie Ägypten und Tunesien „die Chance auf eine konsolidierte Demokratie“.
„Türkei kann als Modell dienen“
Unterstützen könne die EU diese Länder beispielsweise bei Wahlen oder Justizreformen. Wichtig sei aber, betonte Perthes, dass es seitens der EU und anderer keinen Paternalismus gebe. „Wir können und dürfen den Staaten nicht sagen, was ihre Ideen zu sein haben.“ Allerdings sei es ebenso wichtig, „unsere Prinzipien zu nennen“, sagte Perthes. „Die Wahrung der Menschenrechte ist ein unverhandelbares Prinzip.“
Als wichtigen Akteur für die Transformationsprozesse in Nordafrika und dem Nahen Osten nannte Perthes die Türkei, die „intensive Kontakte“ mit den Ländern der Region pflege. Sie könne auch als Modell für die Transformationsländer dienen. Schließlich sei sie von einer Militärdiktatur zu einer Demokratie geworden, „die den Namen verdient“.
„Transformation muss uns etwas wert sein“
Perthes machte auch deutlich, dass „man keine Transformation umsonst bekommt. Sie muss uns auch etwas wert sein“. Damit nahm er Bezug auf Forderungen, die Grenzen für Flüchtlinge zu schließen. Zum einen sei dies gar nicht möglich. Auf der anderen Seite brauche Europa gut ausgebildete Migranten, und mit denen habe man es in diesem Fall in der Regel zu tun.
„Die Realpolitiker müssen sich überlegen, ob sie lieber 30.000 Bootsflüchtlinge haben wollen oder 30.000 Graduierte, an die Visa verteilt werden.“ Diese könnten sich in Europa weiter bilden und ihre Erfahrung mit in ihre Länder nehmen, wovon letztlich auch die EU profitiere. „Das wäre ein Anfang“, sagte Perthes. „Und Europa würde zeigen, dass es offen ist.“ (nt)