Wenn Informationen immer und überall verfügbar sind
Die Grenzen verschwimmen mit dem Wechsel vom „alten“ zum „neuen“ Internet. „Wir sind Prosumenten“, sagte der Sachverständige Sebastian Metzner von der trendONE GmbH, einem Trendforschungsunternehmen aus Hamburg. Das mobile Internet mit neuen Endgeräten wie Smartphones hält stürmischen Einzug in das Leben der Menschen und lässt nach Ansicht des Forschers Konsumenten und Produzenten eins werden. „Die Welt mischt sich“, sagte Metzner in einer öffentlichen Anhörung des Unterausschusses Neue Medien des Ausschusses für Kultur und Medien am Montag, 7. Februar 2011, zu dem Thema „Chancen und Herausforderungen im Bereich der Geodatendienste und anderer innovativer Anwendungen“.
Experte: Das Internet geht auf die Straße
Der Unterausschuss habe mit diesem Thema bewusst einen Blick in die Zukunft richten wollen. „Weil der Politik gerne nachgesagt wird, dass sie aktuellen Entwicklungen hinterherlaufe“, sagte Unterausschussvorsitzender Sebastian Blumenthal (FDP). Denn neben den Möglichkeiten neuer Dienstleistungen im Internet sollten drei Sachverständige auch über die Risiken informieren, wenn Standorte jederzeit geortet und die darüber gesammelten Daten verwertet werden können.
Metzner betonte begeistert: „Das Internet geht auf die Straße.“ An realen Orten könnten jederzeit Informationen verfügbar gemacht werden. „Jeder Ort wird zum Hyperlink“, umschrieb er den Umstand, dass zum Beispiel ein auf das Reichstagsgebäude gerichtetes Smartphone einen Verweis auf Informationen darüber im Internet herstellen kann, wenn sich ein Nutzer in Berlin vor das Parlament stellt.
Das Internet wird zum Outernet
Das herkömmliche Internet werde auf diesem Wege zum „Outernet“ - was die Anwendung von Dienstleistungen zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort statt vor dem heimischen PC meint. „Ein Markt, der von Unternehmen genutzt werden kann“, fuhr Metzner fort. So könnten auf diese Weise Cafés Kundenbindung betreiben, indem sie bei jeder Anmeldung eines mobilen Endgerätes, die in einem sozialen Netzwerk anzeigt, dass sich der Nutzer dort befindet, mit Gratisaktionen Werbung machen.
In naher Zukunft werden dem Forscher zufolge auch die Darstellungswege von Smartphones auf Brillen oder sogar Kontaktlinsen wechseln. „Auf diese Weise werden Wahrnehmungsänderungen entstehen“, gab Metzner zu bedenken, die der mobilen Dimension zwar gerechter werden, aber zur Folge haben könnten, dass die kritische Distanz zwischen dem Betrachter und dem Medium verschwindet.
Das Ende des anonymen Internets
Cornelia Tausch vom Verbraucherzentrale Bundesverband unterstrich, dass es schon lange möglich sei, via Handy Verträge abzuschließen, zu bezahlen und ortsbezogene Informationen abzurufen. Sie fragte: „Werden uns Unternehmen in Zukunft die anonyme Nutzung des Internets überhaupt ermöglichen?“
Es bedürfe einer Vielzahl eindeutigerer Regelungen, denn wie und wann habe der Nutzer zu bemerken, dass Daten abgerufen werden, wie die Haftung in Fällen von Schäden verteilt ist und wie eine Allgemeine Geschäftsbedingung eines Vertrages auszusehen hat. „Bisher sind sie schwer zu verstehen und zu lang“, sagte sie.
Datenschutz ein Wettbewerbsvorteil
Dem Credo Metzners wollte Tausch jedoch nicht ganz folgen: „Der Nutzer stellt zwar Daten ins Netz - wird also im gewissen Rahmen Produzent. Doch es gibt Dienstleister, die Plattformen zu Verfügung stellen.“ Insofern bestehe Verantwortlichkeit, die eingefordert werden kann. So könne auch auf dem von internationalen Unternehmen beherrschten Internetmarkt Recht durchgesetzt werden, „wenn wir den Standort des Verbrauchers zur Grundlage nehmen und geltendes Recht auch durchgesetzt wird.“
Datenschutz sei aber nicht nur ein Werkzeug zur Verhinderung, sondern biete auch Wettbewerbsvorteile, je stärker das Bedürfnis der Konsumenten nach Schutz werde. „Das kann später zum Wirtschaftsfaktor in der Konsumentenentscheidung werden“, betonte Tausch und verwies auf die frühe Förderung des Umweltschutzes, der heute neue Industrien hervorgebracht habe.
Überwachung, Kontrolle und Manipulation
Auch der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein und Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz, Dr. Thilo Weichert aus Kiel, sah darin ein Vorteil, denn in Amerika sei dieser Zweig schlecht ausgeprägt. Ein Grund dafür, warum sich die entsprechenden Unternehmen so stark wehrten.
Die Vermischung aller Lebensbereiche durch das mobile Internet von der Wohnung über den Arbeitsplatz bis in die Freizeit werde weiter zunehmen. „Die mögliche permanente Lokalisierung durch in Zukunft fest zuzuordnende IP-Adressen hat Nachteile“, sagte er. Überwachung, Kontrolle und Manipulation würden möglich.
„Politik muss klare Regeln festlegen“
Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die heute gelten, seien für die Zukunft nicht ausreichend und zu weich formuliert. So stehe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem Informationsfreiheitsgesetz gegenüber.
„Die Regeln müssen klarer werden“, forderte Weichert. Vorschläge auf EU-Ebene seien notwendig, um Rechtssicherheit zu schaffen. (eis)