Zeit-Autoren erhalten Medienpreis Politik 2010
„Der Dicke und die Demokraten“ – unter dieser Überschrift veröffentlichte die Wochenzeitung „Die Zeit“ am 30. September 2010 in ihrem Dossier einen Text des Geschwisterpaares Anita und Marian Blasberg über die ostvorpommersche Kleinstadt Anklam und ihren ungewöhnlichen Bürgermeister Michael Galander. Dafür erhielten die beiden Autoren am Mittwoch, 23. Februar 2011, den Medienpreis Politik 2010 des Deutschen Bundestages. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert überreichte die Urkunde des mit 5.000 Euro dotierten Preises im Großen Protokollsaal des Reichstagsgebäudes an Anita Blasberg.
Sonderpreis für Günter Bannas
Seit 1993 vergibt der Deutsche Bundestag den Medienpreis, der hervorragende publizistische Arbeiten würdigt, die zu einem „vertieften Verständnis parlamentarischer Praxis beitragen und zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen“. Bisher wurden 20 eingereichte Arbeiten aus dem Printbereich, Hörfunk, Fernsehen oder Online-Medien prämiert, der nicht dotierte Sonderpreis zweimal vergeben.
Als zweiten Träger dieses Sonderpreises zeichnete Norbert Lammert den langjähriger Parlamentskorrespondenten und Leiter der politischen Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in Berlin, Günter Bannas, aus.
„Der ursprüngliche Ort des Politischen“
Jury-Mitglied Stephan Detjen vom Deutschlandfunk betonte, dass mit dem Sonderpreis Bannas‘ bisheriges Gesamtschaffen gewürdigt werde, das er so umschrieb: „Günter Bannas führt uns immer an den ursprünglichen Ort des Politischen zurück, den parlamentarischen Raum.“
Seine journalistische Laufbahn begann 1979 bei der FAZ, für die er seit 1981 aus Bonn berichtete. Nach einem kurzen Intermezzo in der Parlamentsredaktion der Süddeutschen Zeitung in den neunziger Jahren kehrte Bannas wieder zur FAZ zurück.
„Kammermusiker unter Blechbläsern“
Den mit dem Parlaments- und Regierungsumzug von Bonn nach Berlin verbundenen Wandel habe Bannas „hochsensibel und kritisch“ beobachtet, nur selten mit etwas Wehmut im Blick zurück auf die Bonner Jahre, sagte Detjen. Bannas habe die Gabe das Wichtige vom Auffälligen zu unterscheiden, er sei ein Antipode, ein „Kammermusiker in einem Ensemble, in dem die Blechblässer den Ton angeben“, rühmte der Laudator den Preisträger. Seine Sprache sei stets frei von Manierismen, er sei ein Meister des Imperfekts, Perfekts und Plusquamperfekts.
Norbert Lammert fügte hinzu, der Preis für Bannas sei nicht nur angemessen, sondern überfällig und Ausdruck der Wertschätzung sowohl der Journalisten als auch der Parlamentarier.
Die weiteren Nominierten
Neben den Preisträgern Anita und Marian Blasberg hatte die Jury unter Leitung von Bettina Schausten vom ZDF-Hauptstadtstudio unter den insgesamt 51 eingereichten Beiträgen zwei weitere für den Preis in die engere Wahl gezogen. Zum einen war dies die ARD-Sondersendung zur Bundesversammlung am 30. Juni 2010 aus dem Reichstagsgebäude. Ulrich Deppendorf, der Leiter des ARD-Hauptstadtbüros, der stellvertretende Chefredakteur Rainald Becker und Tim Herden waren stellvertretend für das Team nominiert, das über zehn Stunden Live-Berichterstattung ohne nennenswerte Pannen meisterte, bis der neue Bundespräsident feststand.
Zur engeren Wahl stand schließlich Ralf Geißler von der Hörfunk-Redaktion „Figaro“ des Mitteldeutschen Rundfunks für sein 30-minütiges Hörfunk-Feature „Worte, die wirken. Der Bürgerrechtler Werner Schulz und die Kraft der politischen Rede“, das am 4. Januar 2010 ausgestrahlt wurde. Der Autor ging darin den „wortgewaltigen Auftritten“ des früheren DDR-Bürgerrechtlers, langjährigen Bundestagsabgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen und heutigen Europaabgeordneten auf den Grund.
„Ein politisches und journalistisches Lehrstück“
Jury-Mitglied Tissy Bruns vom „Tagesspiegel“ in Berlin begründete die Entscheidung für die Anklam-Geschichte der Geschwister Blasberg, die sie als „fabelhafte journalistische Leistung“ charakterisierte. „Man muss schon eine Vorstellung davon haben, was Demokratie sein kann, um so präzise aufdecken zu können, was in ihr schiefgehen kann“, sagte sie mit Blick auf die seit der Wende von 20.000 auf 14.000 Einwohner geschrumpfte Stadt im nordöstlichen Winkel Deutschlands und ihren ungewöhnlichen, aber dennoch wiedergewählten Bürgermeister.
Die Autoren stellen in dem Beitrag fest, dass den etablierten Parteien die Leute fehlen. Gleichzeitig seien die Menschen in Anklam in ihren Vereinen engagiert. Vielleicht, so die These des Dossiers, müsse man auf diese Kleinstadt schauen, um zu verstehen, wohin sich die Demokratie entwickelt.
„Ein doppeltes, ein politisches und journalistisches Lehrstück zugleich“, würdigte Norbert Lammert das preisgekrönte Stück.
„Beachtliche und bewahrenswerte Forschritte“
Lammert sprach von „beachtlichen und bewahrenswerten Fortschritten der zweiten deutschen Demokratie“, dass die Politik von den Journalisten zwar kritisch, aber „im Bewusstsein einer Verantwortung für dieses Land, diesen Staat und seine Verfassungsorgane“ beobachtet werde.
Der Präsident dankte im Übrigen Bettina Schausten für die Übernahme der Leitung der siebenköpfigen Jury des Medienpreises von ihrem Vorgänger Dr. Peter Frey, der im vergangenen Jahr vom ZDF-Hauptstadtstudio als Chefredakteur in die Mainzer Zentrale wechselte. (vom/23.02.2011)