+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

+++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++ Archiv +++

Ernährung

Opposition fordert Aigner zum Handeln auf

In einer emotionalen Aussprache nahm sich der Deutsche Bundestag des immer noch nicht ausgestandenen Dioxinskandals an. Dazu hatte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) eine Regierungserklärung zum Thema „Verbraucher konsequent schützen - Höchstmaß an Sicherheit für Lebensmittel gewährleisten“ abgegeben. Im Anschluss an die Aussprache lehnte der Bundestag Entschließungsanträge der Oppositionsfraktionen SPD (17/4426) und Bündnis 90/Die Grünen (17/4430) mit Forderungskatalogen zur Vermeidung künftiger Skandale mit Koalitionsmehrheit ab.

Ministerin: Kriminelle Energie skrupelloser Täter

„Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren, am 22. Januar 2001, war das Verbraucherschutzministerium eingerichtet worden, weil die BSE-Krise die Verbraucher und Landwirte in eine Vertrauenskrise gestürzt hatte“, eröffnete Aigner ihre Rede.

Heute stehe die Politik vor einer ähnlichen Situation, weil verunreinigtes Futtermittel eines Unternehmers in die Nahrungsmittelproduktion eingebracht worden war. „Das ist ein Skandal“, sagte die Ministerin.

Aigner sprach von einem besonderen Maß krimineller Energie skrupelloser Täter, denn es sei klar gewesen, dass sich das belastete Futtermittel über die Republik verteilen würde. „Über 4000 Betriebe sind auf dem Höhepunkt betroffen gewesen“, sagte sie. „Das wird Konsequenzen haben.“

„Produktionsströme trennen“

Nach einem Treffen mit den Agrarministern der Ländern gab sich die Ministerin überzeugt: „Wir ziehen an einem Strang im Sinne der Verbraucher.“ Sicherheit gehe vor Schnelligkeit. Deswegen würden gesperrte Betriebe erst freigegeben, wenn zweifelsfrei eine Dioxinbelastung ausgeschlossen werden könne.

Als Gegenmaßnahme will die Ministerin die Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe verschärfen, die Produktionsströme trennen, vorschreiben, dass die Futtermittlekomponenten auf Gesundheitsgefährdung überprüft werden und auch die privaten Labore verpflichten, festgestellte Grenzwertüberschreitungen sofort zu melden.

„Es müssen Verbesserungen in der Kontrollpraxis durchgesetzt werden“, sagte Aigner. „Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, muss abschrecken.“ Nur so könne für Sicherheit und Transparenz gesorgt werden, damit das Vertrauen der Verbraucher wiedergewonnen werde. „Ein Zeitplan liegt vor, und die Forderungen werden umgesetzt“, versprach sie.

„Landwirte und Verbraucher natürliche Verbündete“

Die Verbraucherschutzministerin kündigte an, dass das in der Novellierung befindliche Verbraucherinformationsgesetz künftig besser und verbindlicher umgesetzt werde. Die Dioxinfunde hätten deutlich gemacht, dass Futtermittel einen langen und komplizierten Weg durchlaufen.

Zwar wolle die Regierung die Regionalisierung der Lebensmittelproduktion fördern, doch werde es weiterhin Handel und Produktionsteilung geben, die über die Region reicht.

„Die Landwirtschaft gehört in die Fläche, schafft Arbeitsplätze und belebt den ländlichen Raum“, sagte Aigner. Die Landwirte und Verbraucher seien natürliche Verbündete, wofür es sich lohne zu kämpfen.

SPD: Keine konkreten Vorschläge

„Nichts Neues aus dem Hause Aigner und wieder nur unverbindliche Phrasen“, kritisierte Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) das Krisenmanagement der Ministerin. Sie sei nur eine „Ankündigungsministerin“. Ergebnis ihre Arbeit sei der Zusammenbruch des Marktes für Geflügel, Eier und Schweine.

„Sicherlich haben Kriminelle den Skandal verursacht, aber auch die Krise bei der Bewältigung der Krise“, warf er Aigner vor. Mangelhafte Kommunikation nach außen habe für Vertrauensverlust gesorgt.

Die SPD-Fraktion habe bereits früh einen Forderungskatalog unterbreitet, der nach Ansicht Priesmaiers von Aigner wesentlich übernommen worden sei. „Die Menschen haben kein Verständnis für das Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern“, sagte der Sozialdemokrat in Richtung Regierungskoalition und forderte, dem Entschließungsantrag seiner Fraktion zuzustimmen.

FDP: Opposition verunsichert die Verbraucher

„Die Verbraucher sind verunsichert“, sagte Dr. Christel Happach-Kasan (FDP). Die SPD habe nichts dazu beigetragen, das Vertrauen der Verbraucher zu stärken.

„Auch für die kleinen Betriebe, die die Zeche zahlen, haben Sie nichts getan“, setzte sie den Angriffen der SPD entgegen. „Was hat denn der letzte SPD-Umweltminister getan, um die Dioxinbelastung in der Umwelt zu senken?“, fragte sie.

„In die Dioxinforschung investieren“

Jetzt liege ein zwischen Bund und Ländern abgestimmter Maßnahmenkatalog vor, der umgesetzt werde, und die Opposition solle sich dafür einsetzen. Die Liberale forderte: „Wir müssen in die Dioxinforschung investieren, denn wir wissen bisher nicht, wo die Dioxine herkommen.“

Seit den neunziger Jahren sei die Dioxinbelastung gesunken, das sei Ergebnis des „konsequenten Handelns“ der konservativ-liberalen Regierung aus jener Zeit gewesen. „Jetzt muss den Betrieben, die an der Krise leiden, geholfen werden.“

Linke: Ministerin verfällt in Aktionismus

Auch die Fraktion Die Linke griff die Ministerin an. „Es sind wohlfeile Worte über Klarheit und Wahrheit getroffen worden, doch Sie mussten zur Regierungserklärung getragen werden“, sagte Dr. Dietmar Bartsch. „Doch jetzt verfallen Sie in Aktionismus.“

Leidtragende seien die Verbraucher und Landwirte. Der konsequente Schutz vor Futtermittelpanschern sei nötig und „vielleicht ein eigenes Verbraucherschutzministerium“.

„Ursachen bekämpfen“

Die Linke sieht eine weitere Ursache im Weltagrarmarkt und den daraus resultierenden Preiskämpfen. Die Regierung solle die Ursachen bekämpfen und nicht die Symptome behandeln.

„Gammelfleisch, BSE, Dioxin - alle Minister haben bisher bessere Kontrollen versprochen, sind aber vor der Nahrungsmittelindustrie eingeknickt“, sagte Bartsch. „Sie müssen von der Ankündigungsminsterin zur Handlungsministerin werden“, rief er Aigner zu.

CDU/CSU: Gesetzesnovelle ermöglicht schnelles Handeln

„Die Ministerin hat die Quelle für die Dioxineinträge gestopft, dann hat sie die betroffenen Bauernhöfe gesperrt und die Lebensmittel vom Markt nehmen lassen“, unterstrich Peter Bleser (CDU/CSU) und sprach ihr „Lob und Dank für die Vorgehensweise in der Krise“ aus.

Die Vorschlagsliste der Ministerin umfasse wesentlich mehr als die von der Opposition vorgebrachten Punkte, verteidigte Bleser die Arbeit der Ministerin: „Und wir werden sehen, ob die Länder gemeinsame Standards mittragen.“ Zuversichtlich zeigte er sich, dass der Maßnahmenkatalog in diesem Jahres umgesetzt wird.

Gemeinsame Internetplattform

Zur Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes fügte er hinzu, dass in Fällen von Gesetzesverstößen unverzüglich Informationen ins Internet gestellt werden könnten. Auch die gemeinsame Internetplattform www.lebensmittelwarnung.de solle auf den Weg gebracht werden. „Dann ist für jeden nachlesbar, was beanstandet wird.“

„Bisher waren die Länder Bedenkenträger“, sagte er. Bleser kritisierte, dass allein durch Skandalisierung die Märkte zusammengebrochen seien, obwohl es durch die Dioxineinträge keine gesundheitliche Gefährdung gegeben habe.

Gegen „Denunziantenschutz“

In einer Kurzintervention forderte Thomas Oppermann (SPD), Arbeitnehmer in Form einer Informantenschutzregelung zu ermutigen, Meldungen über Gift in Lebensmittel zu machen.

Peter Bleser lehnte das ab. „Damit soll der Denunziantenschutz in Deutschland eingeführt werden“, sagte er. Wenn eine Straftat gemeldet werde, gelte der Kündigungsschutz ohnehin, entgegnete er Oppermann.

Grüne: Kriminelle sind nicht allein schuld

Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) glaubt nicht, dass allein Kriminelle schuldig sind. „Damit kommen Sie bei den Verbrauchern nicht mehr durch“, sagte sie an Aigner gewandt. Es stelle sich die Grundsatzfrage, welche Landwirtschaft Deutschland wolle.

„Bisher sind wir nur darauf ausgerichtet, immer mehr zu produzieren, überall hin exportieren zu wollen“, kritisierte Höhn. Die Konsequenz seien geringstmögliche Preise und eine zunehmende Arbeitsteilung. Futtermittel seien der größte Kostenfaktor, deshalb gebe es Druck auf die Preise.

„Das wird durch die Politik unterstützt, und dadurch entstehen solche Skandale“, sagte Höhn. Die Grünen erwarteten von Ilse Aigner, dass sie als Verbraucherschutzministerin und nicht als Vertreterin der Futtermittelindustrie und der industriellen Landwirtschaft handele. (eis)