Kontroverse um Zuwanderung und Einbürgerung
Bündnis 90/Die Grünen sind am Donnerstag, 28. Oktober 2010, mit einem Entwurf zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (17/3039) im Bundestag gescheitert. Die Fraktion wollte die Mindestgehaltsgrenze für die Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte auf 40.000 Euro im Jahr absenken. Diese Forderung stieß auf den Widerstand von Union und FDP, aber auch der Linksfraktion. Die SPD enthielt sich. Ein weiterer Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts (17/3411) wurde an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
Grüne: Willkommenskultur für Einwanderer
Eine „Willkommenskultur“ für Einwanderer forderte Memet Kilic (Bündnis 90/Die Grünen) zu Beginn der Debatte. Die Diskussion um Integration in den vergangenen Wochen erinnere ihn an die Debatte zu Zeiten der Wiedervereinigung, als sich viele über „zu viele Ausländer, die unseren Staat ausnutzen“ beschwerten. Diese Einstellung habe zu den Anschlägen auf Ausländer von Mölln und Solingen geführt.
Er plädierte dafür, die Fristen für die Einbürgerung zu verkürzen, vor allem bei einer besonders gelungenen Integrationsleistung. „Von Rentnern, die in ihrer Jugend dieses Land aufgebaut haben, dürfen wir dafür keinen Sprachtest verlangen - allein schon, um die Herzen ihrer Kinder und Enkel damit zu gewinnen“, sagte Kilic.
SPD: Vorrangprüfung beibehalten
Nach der Einschätzung des ehemaligen Bundesarbeitsministers Olaf Scholz (SPD) zufolge hat Deutschland seit Januar 2009 den offensten Arbeitsmarkt für Akademiker, den es gibt. Jeder EU-Bürger mit Hochschulabschluss könne schon heute unbefristet in Deutschland arbeiten, er müsse nicht auf die generelle Freigabe der EU-Arbeitsmärkte im kommenden Jahr warten.
Scholz plädierte für die Beibehaltung der sogenannten Vorrangprüfung, mit der die Bundesagentur für Arbeit zunächst den regionalen Arbeitsmarkt prüft, bevor sie einwilligt, dass eine Fachkraft aus dem Ausland eingestellt wird. Außerdem werde der Arbeitsmarkt im Mai kommenden Jahres ohnehin für alle EU-Bürger freigegeben.
FDP: Gleiche Rechte und Pflichten für alle
Hartfrid Wolff (FDP) warf den Grünen „Klientelbeschwichtigungsaktionismus“ vor. Sie hätten „die Zuwanderungsdebatte der letzten zehn Jahre verschlafen“, wenn sie forderten, Menschen ohne vorherigen Sprachtest den deutschen Pass zu geben.
Die Grünen hielten Zuwanderer offenbar für unfähig, Deutsch zu lernen und ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. „Erfolgreiche Integration bedeutet gleiche Rechte und Pflichten für alle“, sagte Wolff.
Linke: Tricksen, täuschen, tarnen
Die Regierung handele nach dem Motto „tricksen, täuschen, tarnen“, warf Sevim Dagdelen (Die Linke) dagegen Union und FDP vor. Sie seien bis heute nicht in der Lage, belastbare Zahlen zu nennen, die belegten, wie viele Menschen die Teilnahme an Integrationskursen verweigerten.
Außerdem reichten die Mittel für die Kurse nicht, sodass nicht jeder Interessierte schnell mit einem Kurs beginnen könne. Trotzdem habe die Regierung einen „Sanktionskatalog“ gegen Integrationsverweigerer beschlossen.
Am Gesetzentwurf der Grünen bemängelte sie, dass der „brain drain“ von Schwellen- und armen Ländern nicht berücksichtigt werde. Beispielsweise Indien lehne die „Abwerbestrategien“ reicher Länder ab, weil sie auf diese Weise ihre Fachkräfte verlören.
CDU/CSU: Keine Einbürgerung ohne Deutschkenntnisse
Eine Einbürgerung ohne ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache lehnte Reinhard Grindel (CDU/CSU) kategorisch ab. „Sie zementieren Zustände, die Bücher wie das von Thilo Sarrazin erst möglich machen“, rief Grindel. Es sei notwendig, sich mit den Gründen für den Fachkräftemangel zu beschäftigen.
Zum Beispiel gingen gut ausgebildete Menschen auch deswegen ins Ausland, weil sie dort nach ihrem Hochschulabschluss sofort einen festen Job bekämen und nicht nur niedrige Gehälter oder Praktika wie hierzulande. Die Bundesagentur für Arbeit solle weiterhin prüfen, ob eine Stelle mit einer Fachkraft aus der Region besetzt werden könne, bevor dafür jemand aus dem Ausland geholt werde.
Grindel widersprach Dagdelen in ihrer Behauptung, die Regierung stelle zu wenig Geld für Integrationskurse zur Verfügung. Er verwies auf Alphabetisierungskurse, spezielle Angebote für Jugendliche und gestiegene Mittel für Integrationslehrgänge. (ske)