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Entwicklung

Erfolge und Versäumnisse der Forschungspolitik

Chipintegrierte Brennstoffzelle

(© dpa)

Die Beratung über den Bundesbericht für Forschung und Innovation 2010 (17/990) und das aktuelle Gutachten der unabhängigen Expertenkommission für Forschung und Innovation (17/1880) hat im Bundestag am Donnerstag, 10. Juni 2010, zu einem Wortgefecht zwischen Regierung und Opposition über die Situation des Wissenschaftsstandortes Deutschland geführt.

Während Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan (CDU/CSU) in der rund einstündigen Debatte im Plenum die Entwicklung Deutschlands lobte und mit Blick auf die Forschungsinvestitionen eine „erhebliche Dynamik“ feststellte, wies die Opposition vor allem auf Versäumnisse in der Forschungspolitik hin.

So kritisierte etwa die SPD, noch immer klaffe eine Transferlücke zwischen wichtigen Ergebnissen der Grundlagenforschung und der Umsetzung in erfolgreiche Produkte oder Dienstleistungen. Diese Lücke müsse schnell mit einem „tragfähigen Konzept zur Stärkung der Innovations- und Validierungsforschung“ geschlossen werden, so die Fraktion in ihrem Antrag (17/1958).

Steigende Forschungsinvestitionen

Die Fortschritte ihrer Politik wollte sich die Ministerin von der Opposition jedoch nicht absprechen lassen. Der Bundesbericht ebenso wie das Expertengutachten belegten anhand der Zahlen eindeutig eine „gute und dynamische Entwicklung“ im Bereich der Investitionen in Forschung und Innovation, unterstrich Schavan.

Seit 2005 seien die öffentlichen Ausgaben um insgesamt 21 Prozent gestiegen. „Seit der Wiedervereinigung hat es keinen so hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt gegeben“, so die CDU-Politikerin. Erfreulich sei zudem, dass auch die Investitionen der Unternehmen um 19 Prozent zugenommen hätten.

„Innovationsweltmeister werden“

Ermutigend nannte Schavan auch die steigenden Zahlen an Patenten und Publikationen. Doch trotz dieser Ergebnisse werde die Regierung in ihrem Bemühen, den Wissenschaftsstandort Deutschland weiter zu fördern, nicht nachlassen. „Wir wollen Weltmeister der Innovationen sein“, sagte Schavan.

Aus diesem Grund investiere die Bundesregierung bis 2013 zusätzlich zwölf Milliarden Euro in Bildung und Forschung. „Das ist eine eindeutige Priorität.“ So habe es dies noch nie gegeben. Die Ministerin appellierte an die Parlamentarier, den „Weg zur Bildungsrepublik Deutschland“ gemeinsam weiterzugehen.

„Handschrift von Edelgard Bulmahn“

Auch René Röspel, stellvertretender Sprecher der SPD-Fraktion für Bildung und Forschung, lobte ausdrücklich, dass Bildung und Forschung endlich einen neuen Stellenwert bekommen hätten. Diese Entwicklung hätten aber nicht Ministerin Schavan und die schwarz-gelbe Bundesregierung eingeleitet, sondern Rot-Grün, erinnerte der Abgeordnete.

Die heute so gelobten Reforminitiativen wie der Pakt für Forschung und Innovation, die Exzellenzinitiative und der Hochschulpakt trügen die Handschrift der früheren Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD).

„Validierungsforschung stärken“

Als großen Erfolg ebenfalls rot-grüner Technologieförderung stellte Röspel das Erneuerbare-Energien-Gesetz heraus: „Heute sind wir Weltmeister in diesem Bereich!“ Ganz falsch sei deshalb die Entscheidung der Koalition, die Förderungen für die Solarbranche zu kürzen und so den Technologiezweig zu „verunsichern“.

Auch fehle Schwarz-Gelb noch immer ein sinnvolles Konzept zur Stärkung der Validierungsforschung. Das Expertengutachten habe zu Recht angemahnt, diese Innovationslücke zu schließen.

„Deutsche Stärken besser ausspielen“

Dr. Martin Neumann, forschungspolitischer Sprecher der FDP, zeigte sich erfreut über die Ergebnisse des Bundesberichts für Forschung und Entwicklung: „Sie belegen, dass Deutschland wieder ein führender Forschungs- und Industriestandort ist.“

Dennoch dürfe es kein einfaches „Weiter so“ geben, mahnte der Abgeordnete. Die Expertenkommission habe Recht, wenn sie fordere, Deutschland müsse seine Stärken besser ausspielen. Aus diesem Grund habe die Koalition auch längst einen Antrag zur Stärkung der Validierungsforschung vorgelegt.

„Fette Datensammlung mit Hang zum Schulterklopfen“

Im Gegensatz zu der von der SPD neu eingebrachten Vorlage schaffe dieser aber keine „neuen bürokratischen Strukturen“, sondern setze auf flache Hierarchien und schnelle Entscheidungen. „Einfach, schnell und gut - das muss die Devise sein.“

Dr. Petra Sitte, forschungs- und technologiepolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte den neuen Bundesbericht für Forschung und Innovation als „fette Datensammlung mit einem Hang zum Schulterklopfen“. Was Deutschland wirklich brauche, sei ein öffentlich finanziertes Wissenschaftssystem, das vor allem Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung gewährleiste. Darauf habe auch die Expertenkommission erneut in ihrem Gutachten hingewiesen, so Sitte. „Da grüßt doch das Murmeltier!“

„Bologna-Reformziele verfehlt“

Sitte monierte, dass die Bundesregierung deutliche Versäumnisse in ihrem eigenen Bericht nicht benenne - so etwa hinsichtlich der Bologna-Reformen. Das Expertengutachten spreche da eine andere Sprache. Sämtliche Reformziele seien bislang nicht erreicht worden.

„Die Öffnung der Hochschulen für Studierenden aus sozial schwachen Schichten? Erste Ergebnisse nähren diese Hoffnung nicht“, zitierte die Politikerin aus dem Gutachten. „Die Erhöhung der Studierendenzahl? Erwartung enttäuscht. Verringerung der Studienabbrecher-Quote? Nicht spürbar reduziert!“

„Forschungspolitische Vorhaben gefährdet“

Auch Krista Sager, Sprecherin für Wissenschafts- und Forschungspolitik von Bündnis 90/Die Grünen, übte heftige Kritik an der Politik der Bundesregierung - insbesondere an deren Versäumnis, eine steuerliche Förderung für kleinere und mittlere Unternehmen einzuführen.

„Stattdessen verteilen Sie Steuergeschenke an Hotelier“, schimpfte Sager. Es sei ein „Trauerspiel“, so die Abgeordnete. Nun seien die Kassen leer, und aus Förderung werde „wohl nichts mehr“. Dabei sei diese dringend notwendig, da gerade kleinere und mittlere Unternehmen nicht von Projektförderungen profitierten.

Auch der Pakt für Forschung und Innovation stehe nun unter „Finanzierungsvorbehalt“, monierte die Abgeordnete. Die Länder hätten bereits signalisiert, dass sie ihre Aufgaben nur erfüllen könnten, wenn sie dazu die finanziellen Mittel hätten. „Ihre falsche Steuerpolitik gefährdet wichtige forschungspolitische Vorhaben“, so die Bilanz der Bündnisgrünen.

„Deutschland ist bei Investitionen wieder spitze“

Diese Kritik ließ Albert Rupprecht (CDU/CSU) an sich abperlen: Zwölf Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung - und das trotz Krise und Sparpaket - machten die Linie der Koalition sehr deutlich: „Bildung und Forschung hat Vorrang“.

Bundesbericht und Expertengutachten bestätigten zudem einen Aufbruch in diesem Politikfeld seit 2005. Im Gegensatz zu seinem Vorredner René Röspel bestand der CSU-Abgeordnete darauf, dass es die Ministerin Schavan gewesen sein, die die wichtigen drei Reforminitiativen - Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Innovation - unterzeichnet und insbesondere die Finanzierung gesichert habe.

Das Ergebnis dieser Anstrengung lasse sich nun an den gestiegenen Forschungsinvestitionen ablesen. „Deutschland gehört endlich wieder zur Spitzengruppe“, lobte Rupprecht. Nur wenige Länder wie etwa die USA oder China gäben mehr Geld für Forschung und Innovation aus als Deutschland.