Berufliche Bildung in Zeiten der Wirtschaftskrise
Sowohl die Wirtschafts- und Finanzkrise als auch der demografische Wandel haben sich im Ausbildungsjahr 2008/2009 entscheidend auf den Ausbildungsmarkt ausgewirkt. Das geht aus dem Berufsbildungsbericht 2010 der Bundesregierung (17/1550) hervor, den der Bundestag am Donnerstag, 20. März 2010, ab 9.10 Uhr diskutiert. Gegenstand der 75-minütigen Debatte ist außerdem ein Antrag von CDU/CSU und FDP mit dem Titel „Qualitätsoffensive in der Berufsbildung“ (17/1435).
Auch SPD (17/1745) und Die Linke (17/1734) haben eigene Anträge angekündigt. Während die SPD sich für eine Änderung des Berufsbildungsgesetzes ausspricht, fordert Die Linke „Konsequenzen aus dem Berufsbildungsbericht“. In einem weiteren Antrag (17/1759) setzt sich die SPD dafür ein, die berufliche Bildung als Garant zur Sicherung des Fachkräftebedarfs von morgen zu stärken.
Keine wesentliche Verschlechterung
Laut Berufsbildungsbericht 2010 wurden bundesweit zwischen Oktober 2008 und September 2009 rund 566.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Das sind krisenbedingt 8,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist jedoch auch die Zahl der ausbildungsinteressierten Jugendlichen gesunken. Damit habe sich die Ausbildungsmarktsituation im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verschlechtert, heißt es in dem Bericht.
Das zweite Mal in Folge hat es in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit mehr unbesetzte Ausbildungsplätze als unversorgte Bewerber gegeben. So blieben 17.225 Stellen unbesetzt, rund 9.600 Jugendliche fanden keinen Ausbildungsplatz.
Jeder fünfte Ausbildungsvertrag vorzeitig gelöst
Insgesamt wurden 21,5 Prozent der Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Rund 15 Prozent der 20- bis 29-Jährigen haben keinen Berufsabschluss. Die wesentlichen Gründe dafür sind laut Bericht persönliche Lebensumstände und schlechte Bildungsvoraussetzungen. Im Jahr 2008 verließen 6,2 Prozent der deutschen Jugendlichen die Schule ohne einen Abschluss.
Mit einem Anteil von 15 Prozent brechen Jugendliche mit Migrationshintergrund demnach mehr als doppelt so häufig die Schule ab wie deutsche Jugendliche. Auch in der Berufsausbildung sind sie unterrepräsentiert: Im Jahr 2008 lag die Ausbildungsbeteiligungsquote junger Ausländer mit 32,2 Prozent deutlich unter dem deutscher Jugendlicher mit 68,2 Prozent.
Verschärfung der Tendenzen in diesem Jahr
Für 2010 erwartet die Bundesregierung eine Verschärfung der Tendenzen: Sowohl das Ausbildungsangebot als auch die Zahl ausbildungssuchender Jugendlicher wird weiter abnehmen, heißt es im Bericht. Zwar bleibe der Einstieg in die Ausbildung für „eine nicht zu unterschätzende Zahl von Jugendlichen“ schwierig, andererseits verzeichneten einige Regionen schon jetzt Bewerbermangel.
Die Bundesregierung setzt ihre Prioritäten in der Berufsbildungspolitik daher auf die Fachkräftesicherung, die Modernisierung der beruflichen Bildung, die Optimierung des Übergangs zwischen Schule und Ausbildung, die Verbesserung des Weiterbildungssystems und auf eine Bildungs- und Ausbildungsoffensive für Jugendliche mit Migrationshintergrund.
CDU/CSU und FDP: Kein Potenzial vergeuden
Die Union- und FDP-Faktionen ziehen in ihrem Antrag eine positive Bilanz. Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt sei besser, als es angesichts der Finanz- und Wirtschafskrise zu erwarten gewesen sei. Um das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel „Bildungsrepublik Deutschland“ verwirklichen zu können, brauche es jetzt jedoch einen „qualitativen Aufbruch“. Kein Potenzial dürfe vergeudet werden.
Die Fraktionen fordern daher, den demografischen Wandel gezielt für die Chance leitungsschwächerer Jugendlicher zu nutzen. Unter anderem müsse die Einrichtung eines Bildungskontos gefördert, die Berufsorientierung in der Schule stärker betont und die Weiterbildung etwa mit einer Verdreifachung der Bildungsprämie unterstützt werden. Zudem solle der Ausbildungspakt mit der Wirtschaft verlängert werden, wobei die Unterstützung junger Menschen mit Förderbedarf ein wesentlicher Schwerpunkt sein soll.
SPD: Attraktivität und Leistungsfähigkeit sichern
„Deutschland braucht all seine Nachwuchskräfte“, das stellt auch die SPD-Fraktion in ihrem Antrag „Berufliche Bildung als Garant zur Sicherung des Fachkräftebedarfs von morgen stärken“ fest. DieFraktion fordert eine „Modernisierung und Konsolidierung“ der Berufe, sie will das Berufsprinzip sichern und die Transparenz und Anwendbarkeit im Übergang von Schule zu Ausbildung erhöhen.
Zudem sollen die politischen Zuständigkeiten möglichst in einem Ministerium gebündelt werden, um die berufliche Bildung besser koordinieren zu können. Die SPD-Fraktion spricht sich außerdem für einen Rechtsanspruch auf eine Berufsausbildung durch staatliche Förderung aus.
„Ausbildungsgänge in den Ländern angleichen“
In einem zweiten Antrag fordert die Fraktion, die Verordnungsermächtigung in Paragraf 43 Absatz 2 des Berufsbildungsgesetzes zu entfristen. Demnach können die Länder bis zum 1. August 2011 durch Rechtsverordnungen entscheiden, welche vollzeitschulischen Bildungsgänge zur Kammerprüfung zugelassen werden.
Bislang sei davon wenig Gebrauch gemacht worden, was die Angleichung schulischer Ausbildungsgänge in den Ländern erschwere, heißt es im Antrag. Die Entfristung sei eine „sachgerechte Lösung“ zur Entschärfung dieses Problems.
Linke: Konsequenzen aus Bildungsbericht ziehen
Die Linksfraktion sieht den Ausbildungsmarkt im Berufsbildungsbericht nicht korrekt abgebildet. Jugendliche dürften nicht als versorgt gelten, wenn sie in Ersatzmaßnahmen aufgenommen werden, die Ausbildungsplatzsuche aufgegeben oder sich eine Alternative gesucht haben. Der Bericht weise auf gravierende strukturelle Mängel in der Berufsausbildung sowie der allgemeinen und beruflichen Schulbildung hin.
Die Abgeordneten fordern daher eine integrierte Ausbildungsberichterstattung und einen Gesetzentwurf zur Umlagefinanzierung der Ausbildung, der alle Unternehmen an den Kosten der Ausbildung beteiligen soll. Darüber hinaus sollen benachteiligte oder leistungsschwächere Jugendliche sowohl in der Berufs- als auch in der Schulausbildung besser gefördert werden.