Leere Kassen in Kommunen
Der Vorstoß der SPD-Fraktion, angesichts eines drohenden Defizits von bis zu zwölf Milliarden Euro einen „Rettungsschirm für Kommunen“ zu schaffen, war Thema einer gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragten Aktuellen Stunde am Mittwoch, 10. Februar 2010. Dabei kritisierte Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Steuerpläne der Regierung als „größte Bedrohung für die kommunalen Finanzen“. Hermann-Otto Solms (FDP) verteidigte hingegen die Pläne der Bundesregierung. Sie werde an dem Ziel festhalten, ein „stabiles Finanzierungssystem für die Gemeinden zu schaffen“.
Als „dramatisch“ bezeichnete der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Frank-Walter Steinmeier, die Lage der Kommunen. „In vielen Gemeinden gehen buchstäblich die Lichter aus“, sagte Steinmeier. Grund dafür sei sicherlich auch die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise. Aber: „Die größte Bedrohung für die kommunalen Finanzen ist die Bundesregierung“ befand der SPD-Politiker.
Das von der Regierungskoalition verabschiedete „so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ koste die Kommunen jährlich 1,6 Milliarden Euro. „Ihre Politik führt dazu, dass bei Mövenpick neue Swimmingpools gebaut werden und zugleich städtische Bäder geschlossen werden“, kritisierte Steinmeier und forderte einen „Rettungsschirm“, der die durch das Gesetz entstandenen Einnahmeausfälle bei den Kommunen ausgleichen soll.
CDU/CSU: Jahr der großen Steuererleichterungen
„Wir machen das Jahr 2010 zum Jahr der großen Steuererleichterungen“, sagte die Unionsabgeordnete Antje Tillmann und verwies auf eine Entlastung von zehn Milliarden Euro bei der Einkommensteuer. Auch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz entlaste Familien erneut mit 4,6 Milliarden Euro. „Diese Familien leben in den Kommunen“, sagte Tillmann an Steinmeier gewandt. Auf diesem Weg werde die Koalition weiter gehen.
Mit dem ehemaligen Koalitionspartner SPD sei es leider nicht möglich gewesen, „Facharbeiter und kleine Handwerker, die ganz wesentlich die Gesellschaft mittragen“, zu entlasten. Gleichwohl habe man in der alten Regierung Maßnahmen zur Unterstützung der Kommunen getroffen. „Ich wundere mich, dass Sie nicht stolz darauf hinweisen, dass Sie teilweise daran beteiligt waren“, sagte Tillmann mit Blick auf die SPD.
Im Konjunkturpaket habe man zehn Milliarden Euro für die Kommunen zur Verfügung gestellt, für das Ganztagsschulprogramm acht Milliarden. „Wir werden die Einnahmesituation der Kommunen weiter verbessern“, kündigte sie an. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble werde eine Kommission einrichten, um die finanzielle Situation der Kommunen „genau zu betrachten“.
Grüne: Endlich Konzepte vorlegen
Es sei schon ein „starkes Stück“, sich nach einhundert Tagen schwarz-gelber Regierung mit „Federn aus rot-grüner Regierungszeit zu schmücken“, sagte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, an ihre Vorrednerin gewandt. „Das ist zu wenig“, befand sie und forderte die Koalition auf, „endlich Konzepte vorzulegen“. „Wir wollen vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen wissen, wo die Reise hingehen soll und wen Sie in diesem Land unterstützen und absichern wollen“, sagte Künast.
Den angekündigten Arbeitskreis brauche es nicht, so die Grünen-Abgeordnete. „Da gibt es nichts mehr zu betrachten, wir kennen die Situation.“ Diese sei durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, steigende Arbeitslosigkeit, einen „horrende“ Staatsverschuldung und Kommunen, die pleitegehen, gekennzeichnet. Insbesondere um Kindern ein funktionierendes soziales Umfeld zu schaffen, brauche es „Kommunen, die Geld dafür haben und nicht eine Kommission, die prüft, ob wir die Realität schon wahrnehmen“, sagte Künast.
FDP: Hauptproblem Gewerbesteuer
Er habe keinen einzigen konkreten Vorschlag von den Grünen gehört, kritisierte der FDP-Wirtschaftsexperte Dr. Hermann-Otto Solms. Seine Fraktion hingegen habe schon „seit Jahrzehnten“ angemahnt, dass die Basis für die Finanzierung der Gemeinden auf eine neue Grundlage gestellt werden müsse. Das Hauptproblem für die Gemeinden sei die Bindung an die Gewerbesteuer, die zuletzt massiv eingebrochen sei. „Die Gewerbesteuer ist für die Gemeinden eine benachteiligende Steuerart“, sagte Solms.
Diese Erkenntnis sei in allen Fraktionen vorhanden, doch habe es bisher an Mut gefehlt, dies zu ändern. Solms widersprach der Annahme, durch die Steuerentlastungspläne der Koalition würden die Gemeinden noch weiter „in die Bredouille“ geraten. „Das ist purer Unsinn“, sagte er. Vielmehr gehe es um die Schaffung von Steuergerechtigkeit für „Arbeitnehmer und kleine Selbstständige“. Dies sei auch im Interesse der Gemeinden.
Linke will Mitwirkungsrecht für Kommunen
„Kommunen brauchen keinen Schutzschirm, sondern eine solide Finanzausstattung“, sagte Katrin Kunert (Die Linke). Gleichzeitig bräuchten sie ein „verbindliches Mitwirkungsrecht“ im Deutschen Bundestag, damit dort keine Entscheidung getroffen werde könne, die zu ihren Lasten gehe.
Kunert kritisierte auch die Haltung von SPD und Grünen. Schon unter der rot-grünen Bundesregierung seien ständig Steuersenkungen vorgenommen worden. Dies habe auch unter Rot-Schwarz angehalten. „Durch diese Umverteilung von unten nach oben machen Sie den Staat arm“, sagte Kunert.
Nachdenken über andere Steuerausstattungen
Schuld an der schwierigen Finanzsituation der Kommunen sei zum einen die aktuelle Krise, sagte Hartmut Koschyk (CDUCSU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Zugleich gebe es jedoch „strukturelle Haushaltsprobleme“ in den Kommunen, die durch Veränderung der Einnahmesituation, aber auch der Ausgabenbelastung gelöst werden müssten.
„Diesen Herausforderungen stellt sich die Bundesregierung“, machte der Staatssekretär deutlich. „Ohne Tabu“ müsse mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber gesprochen werden, ob es nicht statt der Gewerbesteuer andere, nicht so konjunkturabhängige Steuerausstattungen der Kommunen geben sollte.