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Gemischte Bologna-Bilanz

Die Bilanz zur europaweiten Hochschulreform, dem so genannten Bologna-Prozess, ist am Mittwoch, 27. Januar 2010, im Ausschuss für Bildung und Forschung unter Vorsitz von Ulla Burchardt (SPD) rgemischt ausgefallen. Vier Experten machten in einem öffentlichen Fachgespräch erneut deutlich, dass die Hochschulen wesentlich mehr Geld bräuchten, um die Lehre zu verbessern und einen Anstieg der Studierendenzahlen zu verkraften. Anja Gadow vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs) bemängelte die Schwierigkeiten, die sich bei einem Hochschul- oder Studiengangwechsel ergäben. „Die Mobilität funktioniert auf internationaler Ebene besser als auf innerdeutscher“, sagte Gadow. Es gebe eine solche Fülle von Studiengängen, dass die im Bologna-Prozess anvisierte Vergleichbarkeit nicht möglich sei.

Das führe auch zu Problemen, wenn Studierende beispielsweise im dritten Semester in einen anderen, aber ähnlich aufgebauten Studiengang wechseln wollten. Oft seien sie gezwungen, wieder „bei Null“ anzufangen. Sie forderte einen Ausbau des BAföGs und eine Anhebung der Altersgrenze für Bezugsberechtigte. „Stipendien helfen bei der Studienfinanzierung nur wenig“, sagte Gadow.

„Nicht alles nur schlechtreden“

Die Bilanz von Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister in Sachsen-Anhalt und Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK), fiel positiver aus. „Wir sollten uns hüten, alles nur schlechtzureden“, mahnte er. Die Umstellung von Magister- und Diplomstudiengängen auf Bachelor und Master sei für Deutschland ein größerer Schritt gewesen als für die europäischen Nachbarn, weil das System ein völlig anderes sei.

Zum Wintersemester 2009/2010 seien fast 80 Prozent der Studiengänge umgewandelt gewesen. Ein Problem sei die Verschulung der neuen Fächer. Die KMK habe „mit großem Nachdruck“ die Hochschulen gebeten, die Prüfungszyklen zu überprüfen, damit „die Studenten auch einmal zur Ruhe kommen“, sagte Olbertz.

„Hochschulen jahrzehntelang unterfinanziert“

Nach den Worten von Prof. Dr. Peter Strohschneider, Vorsitzender des Wissenschaftsrates, sind viele Probleme „der jahrzehntelangen Unterfinanzierung des Hochschulwesens“ geschuldet. Er forderte mehr langfristige Stellen für Professoren und Tutoren, um die Qualität der Lehre verbessern zu können. Mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr sei zusätzlich notwendig.

Strohschneider sprach sich daher für ein gemeinsames Programm von Bund und Ländern aus. Notwendig sei auch ein Ausbau der „räumlichen Infrastruktur“ der Hochschulen, um die Lehre zu verbessern. Neben Professuren mit einem Schwerpunkt auf Lehre, die gleichzeitig attraktive Karrieremöglichkeiten böten, sowie mehr Tutoren wäre ein gut dotierter Preis für den besten Lehr-Professor wünschenswert, sagte Strohschneider.

„Tiefgreifendste Reform seit 200 Jahren“

Unterstützung erhielt er von Prof. Dr Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz. „Der Bologna-Prozess ist die tiefgreifendste Reform seit 200 Jahren“, sagte Wintermantel. Für eine Bewertung sei es noch sehr früh. Immerhin studierten jetzt drei Viertel aller Erstsemester in Bachelor- und Masterstudiengängen, insgesamt seien es 43 Prozent aller Studenten. Die Abbrecherquote in den Geistes- und Kulturwissenschaften sei gesunken.

Die Studenten seien Umfragen zufolge positiv davon angetan, dass nun neben inhaltlichen auch „überfachliche“ Kompetenzen vermittelt würden, um auf das Berufsleben vorzubereiten. „Wir brauchen Kompetenzzentren, um neue Formen der Lehre und von Prüfungen zu entwickeln“, forderte Wintermantel.


Liste der Sachverständigen

  • Anja Gadow, Freier Zusammenschluss von StudentInnenschaften, Berlin
  • Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister Sachsen-Anhalt, Kultusministerkonferenz, Bonn
  • Prof. Dr. Peter Strohschneider, Wissenschaftsrat, Köln
  • Prof. Dr. Margret Wintermantel, Hochschulrektorenkonferenz, Bonn