SPD-Digitalpolitiker Falko Mohrs fordert „Mut zum Risiko“
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 25. Februar 2019)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Der SPD-Digitalpolitiker Falko Mohrs fordert eine „Kultur von Gründung, von Innovation und von Risikobereitschaft“, um die deutsche Wirtschaft fit für die digitale Zukunft zu machen. „Wir haben riesige Stärken im Mittelstand und in der Industrie. Diese Stärke können wir aber nur behalten, wenn wir weiter innovativ sind“, sagte Mohrs in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 25. Februar 2019) anlässlich der Debatte zur Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung. Das bedeute auch, „Mut zum Risiko zu haben und Mittel zu generieren, damit Gründungen erfolgreich und skalierbar sind und wachsen können“. Politik und staatliche Gelder könnten dies nicht alleine lösen. „Dafür braucht es Mittel aus der Privatwirtschaft und den mittelständischen Unternehmen, die dort auch vorhanden sind“, sagte der niedersächsische Sozialdemokrat.
Grundsätzlich dürften Digitalisierung und technischer Fortschritt nie nur Selbstzweck sein, betonte Mohrs. „Wir müssen uns daran messen lassen, ob unsere Digitalisierungsstrategie am Ende wirklich zu einer konkreten Verbesserung für die Menschen führt.“ Die Herausforderungen der Digitalisierung ließen sich dabei nicht isoliert betrachten. Neben der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sieht Mohrs dabei in der Qualifizierung und Weiterbildung sowie dem Ausbau der Infrastruktur wesentliche Handlungsstränge.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Mohrs, die Umsetzungsstrategie der Bundesregierung führt etliche Maßnahmen und Projekte auf. Aber was ist eigentlich die Vision dahinter? Wo soll es hingehen mit der Digitalisierung?
Das Wichtigste ist, dass Digitalisierung und technischer Fortschritt nie nur Selbstzweck sind. Wir müssen uns daran messen lassen, ob unsere Digitalisierungsstrategie am Ende wirklich zu einer konkreten Verbesserung für die Menschen führt. Lassen Sie mich da ein paar konkrete Dinge rausgreifen. Ganz aktuell ist die Einigung zum Digitalpakt Schule: Die Milliarden, die wir in diesem Bereich investieren wollen, machen deutlich, dass wir eine Gesellschaft wollen, die digital fit ist und die digitale Kompetenzen hat. Es geht auch darum, dass wir bei Infrastruktur, Wissen und Technologie weltweit Marktführer werden. Das muss unser Anspruch sein.
Was ist die größte Herausforderung, vor der Deutschland dabei steht?
Da lässt sich nicht die eine Herausforderung isoliert betrachten. Wie bei so vielen Dingen müssen wir auch hier das Ganze sehen. Da ist einmal die Frage der Infrastruktur, völlig klar, denn ohne entsprechende Infrastruktur bringt mir alles andere nichts. Aber auch eine Infrastruktur ohne das Wissen, wie gehe ich mit der Digitalisierung um, ist nicht gewinnbringend. Und eine Erkenntnis, wie ich damit umgehe, bringt mir ohne eine gute Wirtschaft, die daraus Geschäftsmodelle macht, ebenfalls wenig. Das sind für mich drei gleichrangige Handlungsstränge, die sich da herauskristallisieren: Infrastruktur, Qualifizierung und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft.
Die Koalition ist nicht erst seit gestern am Ruder und hat beim Breitbandausbau schon einiges versprochen, etwa 50 Mbit/s für jeden Haushalt bis 2018, aber nicht geliefert. Woran liegt das?
Vor Jahren haben viele Leute noch gedacht, Kupfer, Vectoring und 50 Mbit/s reichen völlig aus. Nur wenige – und das parteiübergreifend – haben damals schon geglaubt, dass wir Glasfaser brauchen. Wir haben uns in dieser Koalition nun erstmals darauf verständigt, nur noch Glasfaser zu fördern, wenn es um die Infrastruktur mit Kabeln geht. Das ist die einzig wirklich zukunftsfähige Technologie. Ich gehe davon aus, dass uns das einen deutlichen Schritt nach vorne bringt. Mit der Frequenzvergabe für das 5G-Netz schaffen wir zudem die Rahmenbedingungen dafür, dass wir auch in der mobilen Datenkommunikation in der Lage sind, schnell und mit hohen Datenmengen so zu arbeiten, wie es in der Industrie oder etwa beim autonomen Fahren benötigt wird. Wir machen da gute Fortschritte, aber wir müssen jetzt auch handeln – und das tun wir!
Von Teilen der Opposition wird kritisiert, dass bei der Digitalisierung die Kompetenzen über die ganze Regierung gestreut und nicht in einem Ministerium gebündelt sind. Braucht es ein Digitalministerium?
Wenn wir ein Digitalministerium hätten, müssten wir uns wahrscheinlich dauernd anhören, warum wir alles an einer Stelle gebündelt haben und was eigentlich die ganzen Fachministerien machen. Wir haben gesagt: Alle Ministerien müssen in ihren Fachbereichen dafür Sorge tragen, dass die Digitalisierung in der gesamten Gesellschaft vorankommt. So können wir das Thema in der ganzen Breite und Fachlichkeit angehen. Mit dem Digitalrat und dem Digitalkabinett haben wir beispielsweise Strukturen geschaffen, die das vernünftig koordinieren können.
Haben Sie das Gefühl, dass die Digitalpolitik inzwischen auch im Bundestag ausreichend institutionalisiert ist, etwa mit dem Ausschuss Digitale Agenda?
Natürlich geht immer mehr, aber ich finde, es gibt Fortschritte. Die Digitalstrategie wurde gerade heute in der Kernzeit diskutiert und wir haben einen Digital-Ausschuss, der sehr gut besetzt ist, und auch eine Enquete-Kommission zur Künstlichen Intelligenz. Man könnte natürlich darüber nachdenken, ob es mehr Federführung bei den wichtigen Themen durch den Digital-Ausschuss braucht, um die Strategie zu priorisieren und Themen voranzutreiben. Aber es war auch noch nie so viel Digitalisierung im Koalitionsvertrag wie jetzt. Wir sind endlich so auf der Landkarte angekommen, wie wir es brauchen, um Fortschritte zu machen.
Im Koalitionsvertrag heißt es „Digitalpolitik ist Gesellschaftspolitik.“ Wie sollen die Menschen mitgenommen werden?
Bildung ist der Schlüssel. Bildung beginnt in der Kita und hört nie im Leben auf, sondern passt sich nur der jeweiligen Lebensphase an. Es ist eine Grundaufgabe des Staates, das zu organisieren. Gucken wir uns etwa als ein Beispiel das Thema Kommunikation an und wie sie sich durch soziale Netzwerke verändert hat. Wie steht es um unsere Medienkompetenz? Sind wir in der Lage, in der Masse von Informationen die richtigen und wichtigen zu erkennen und Fake News zu hinterfragen? Das ist für mich eine riesige gesellschaftliche Aufgabe und eine Grundkompetenz, die wir noch stärken müssen.
Manche Menschen fürchten, ihren Job im Zuge der Digitalisierung zu verlieren. Was können Sie diesen Menschen konkret anbieten?
Man muss das ganz ehrlich sagen: Es wird Arbeitsplätze geben, die werden verschwinden, andere werden neu entstehen, wieder andere verändern sich. Davon wird fast jeder betroffen sein. Als Politik müssen wir den Bürgern Sicherheit in diese Veränderungen geben. Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen wissen, dass sie sich weiterbilden können. Konkret haben wir dazu das Qualifizierungschancengesetz auf den Weg gebracht. Wir wollen eben nicht erst handeln, wenn jemand arbeitslos geworden ist, sondern dann, wenn klar ist, dass sich der Arbeitsplatz und die Ansprüche an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verändern, und entsprechende Weiterqualifizierung nötig wird.
Auf ein europäisches oder deutsches Facebook oder Google wird noch immer gewartet. Was muss dafür geschehen?
Was wir in Deutschland brauchen, ist eine Kultur von Gründung, von Innovation und von Risikobereitschaft. Wir haben riesige Stärken im Mittelstand und in der Industrie. Diese Stärke können wir aber nur behalten, wenn wir weiter innovativ sind. Das bedeutet auch, Mut zum Risiko zu haben und Mittel zu generieren, damit Gründungen erfolgreich und skalierbar sind und wachsen können. Es muss unser Anspruch sein, in Innovations-, Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit zu investieren. Das kann nicht allein von der Politik und durch staatliches Geld gelöst werden, dafür braucht es Mittel aus der Privatwirtschaft und den mittelständischen Unternehmen, die dort auch vorhanden sind.
Auf viel Kritik stieß vergangene Woche die deutsche Zustimmung durch Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) auf EU-Ebene zu Upload-Filtern. Gerade die Digitalwirtschaft, die Sie fördern wollen, sieht das Vorhaben kritisch. Wie passt das zusammen?
Am Ende ist es eine Frage der Gesamtabwägung. Wir hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, dass es keinen Zwang zu Filtern geben soll. Nun ist es als eine Möglichkeit genannt und wir müssen davon ausgehen, dass die Unternehmen diese Upload-Filter einsetzen werden. Ich halte die Upload-Filter für falsch. Es besteht das Risiko, dass daraus Zensur entsteht, gerade in Ländern, die nicht unsere rechtsstaatlichen Maßstäbe haben. Aber am Ende ging es um das Gesamtpaket. Da musste sich unsere Ministerin natürlich fragen, ob dieser eine Punkt so dramatisch ist, das Gesamtpaket zu Urheber- und Leistungsschutz abzulehnen. In der Summe hat sich die Bundesregierung für die Zustimmung entschieden. Hätten wir nur über die Filter-Regelung im Artikel 13 abgestimmt, wäre die Entscheidung bestimmt anders ausgefallen.
Das Gespräch führte Sören Christian Reimer.
Falko Mohrs (SPD, 34) ist Mitglied der Ausschüsse Digitale Agenda sowie Wirtschaft und Energie und der Enquete-Kommission zur Künstlichen Intelligenz.