„Deutlich stärker aufgestellt“
Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“
Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 6. Juni 2016) - bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung -
Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckhardt Rehberg, sieht in der Stärkung von Kontroll-, Mitwirkungs- und Prüfrechten in den Gesetzespaketen zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen einen Erfolg. „Bei den Rechten des Bundes, des Bundestages und des Bundesrechnungshofes haben wir deutliche Verbesserungen gegenüber den Gesetzentwürfen der Bundesregierung erreicht“, sagte Rehberg in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag: 6. Juni). „Wir als Bund und der Bundesrechnungshof sind damit deutlich stärker aufgestellt als vorher.“ Der Bundestag hatte die Gesetzespakete am Donnerstag beschlossen. Am Freitag stehen die Beratungen im Bundesrat an.
Kritik an zu umfangreichen Änderungen des Grundgesetzes wies der Unions-Abgeordnete zurück. „Für die neuen Kontroll- und Steuerungsrechte mussten wir das Grundgesetz ändern“, sagte Rehberg. „Auch bei den Themen Infrastrukturgesellschaft, Weisungsrecht des Bundes im Bereich der Steuerverwaltung oder bei der Digitalisierung der Verwaltung wären wir ohne Grundgesetzänderung nicht vorangekommen.“
Rehberg sieht in dem Vorhaben, mit Bundesmitteln marode Bildungsinfrastrukturen in finanzschwachen Kommunen zu sanieren, keine Aufweichung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich. Es werde nur ein kleiner „Teilaspekt“ herausgenommen. „Es geht auch gar nicht um die Aufhebung des Kooperationsverbotes, sondern um die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“, sagte der Abgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern. Rehberg sprach sich dafür aus, am Kooperationsverbot festzuhalten: „Sollte ein großer Teilbereich der Länderzuständigkeiten durch Aufhebung des Kooperationsverbotes wegfallen, dann ist es insgesamt fraglich, wie es mit dem Föderalismus weitergeht. Hier sollte man wirklich mal den klaren Blick behalten und nicht ideologischen Wunschträumen nachrennen.“
Das Interview im Wortlaut:
Nach intensiven Beratungen hat der Bundestag den Großkompromiss von Bund, Ländern und Koalition zu den künftigen Bund-Länder-Finanzen und zahlreichen weiteren Vorhaben verabschiedet. Sind Sie zufrieden?
Bei den Rechten des Bundes, des Bundestages und des Bundesrechnungshofes haben wir deutliche Verbesserungen gegenüber den Gesetzentwürfen der Bundesregierung erreicht. Es bestand aber auch starker Handlungsdruck, weil Bayern und Hessen gegen den Finanzausgleich klagten und wichtige Regelungen 2019 auslaufen. Gerade für die ostdeutschen Bundesländer brauchte es Planungssicherheit. Das umfangreiche Paket machte das Verfahren kompliziert und wir wurden als Bundestag – anders als bei der Föderalismusreform I und II – mit der 1. Lesung im Bundestag eingebunden.
So richtig glücklich mit der gefundenen Lösung der Länder zum Finanzkraftausgleich schien im Bundestag keiner zu sein. Warum haben die Abgeordneten daran nichts geändert?
Ich bin jetzt 27 Jahre in der Politik: Man muss immer wissen, was möglich ist und was nicht. Wenn wir an diesem Teil auch nur eine einzige Stellschraube gedreht hätten, dann wäre das ganze Konstrukt infrage gestellt worden. Glücklich kann mit diesem Reformteil sicher keiner im Bundestag sein, weil sich die Länder letztendlich zulasten des Bundes geeinigt haben.
Den Ländern wird vorgeworfen, sich durch die Neuregelung zu entsolidarisieren. Stört das unser föderales Gefüge?
Ich glaube nicht, dass sich die Länder damit einen Gefallen getan haben. Das ganze System wird noch intransparenter, als es vorher schon gewesen ist. Die horizontale Solidarität zwischen den Ländern ist deutlich zurückgegangen. Dafür springt und steht der Bund nun ein, auch bei Risiken. Auf der anderen Seite muss man als Bund auch sagen, dass wir den grundgesetzlichen Auftrag haben, für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu sorgen. Daher ist es eine Abwägungssache. Man kann die Bund-Länder-Finanzbeziehung aber nicht isoliert betrachten.
Wieso?
Wir entlasten Länder und Kommunen auf unterschiedlichsten Wegen. Der Bundesrechnungshof geht für 2016 von einer Gesamtentlastung von gut 70 Milliarden Euro durch Abgabe von Umsatzsteuerpunkten, Finanzzuweisungen und anderen Maßnahmen aus. Er kritisiert zu Recht ein intransparentes System und mahnt auch an, dass die Belastungen des Bundes inzwischen seine Grenzen erreicht haben. Gleichzeitig gibt es die Debatte, wir würden zu wenig investieren. Deswegen war es so wichtig, die Rechte des Bundesrechnungshofes und die Rechte des Bundes bei der Kontrolle, Steuerung, aber auch Sanktionierung von Investitionszuweisungen an die Länder deutlich zu stärken. Wir als Bund und der Bundesrechnungshof sind damit deutlich stärker aufgestellt als vorher.
An dem Gesamtpaket gab es auch in Ihrer Fraktion Kritik. 13 Änderungen am Grundgesetz schienen manchen zu viel. Wie stehen Sie dazu?
Schon die alten Regelungen der Bund-Länder-Finanzbeziehung waren sehr detailliert im Grundgesetz enthalten. Für die neuen Kontroll- und Steuerungsrechte mussten wir das Grundgesetz ändern. Anders wäre das nicht möglich gewesen, denn beispielsweise eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2010 hatte die Prüfrechte des Bundesrechnungshofes eingeschränkt. Auch bei den Themen Infrastrukturgesellschaft, Weisungsrecht des Bundes im Bereich der Steuerverwaltung oder bei der Digitalisierung der Verwaltung wären wir ohne Grundgesetzänderung nicht vorangekommen.
Es gibt auch Kritik an strukturellen Verschiebungen. Der Bund zahlt nun für Schulsanierungen in finanzschwachen Kommunen. Für Finanzen der Kommunen und Schulen sind aber klar die Länder zuständig.
Dieser Sündenfall fand schon 2005 und 2006 mit dem Kitausbauprogramm oder den Betriebszuschüssen für Kindergärten statt – und eigentlich schon davor unter Rot-Grün. Sie können aber heute als Bundestagsabgeordneter niemandem erklären, ob nun in Pasewalk oder Duisburg, dass für diese kaputte Schule die Kommune, der Landkreis oder das Land zuständig ist. Da gibt es sicher Eigenverschulden von Kommunen und von Ländern, aber auch der Bund ist in der Pflicht. Wir können gerade im Bildungsbereich nicht ganze Landstriche bei Investitionen hintanstellen.
Ihr Koalitionspartner hofft bereits auf das Anfang vom Ende des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Zu Recht?
Mit der Änderung im Grundgesetz wird das Kooperationsverbot nicht aufgeweicht. Wir nehmen nur einen ganz kleinen Teilaspekt raus, so dass wir unproblematisch Schulen sanieren können. Es geht auch gar nicht um die Aufhebung des Kooperationsverbotes, sondern um die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Sollte ein großer Teilbereich der Länderzuständigkeiten durch Aufhebung des Kooperationsverbotes wegfallen, dann ist es insgesamt fraglich, wie es mit dem Föderalismus weitergeht. Hier sollte man wirklich mal den klaren Blick behalten und nicht ideologischen Wunschträumen nachrennen.
Die Auftragsverwaltung der Länder für die Autobahnen wird aufgegeben, der Bund will das selbst übernehmen. Warum ist das so wichtig?
Gerade im Neubaubereich, aber auch im Ausbau- und Sanierungsbereich, sind die Länder schlichtweg nicht in der Lage, entsprechende Projekte baurechtlich umzusetzen. Wir haben noch vor wenigen Jahren etwa 75 Baufreigaben für Neubaustrecken gehabt. Dieses Jahr nur noch eine. Die Länder haben Planungskapazitäten zurückgefahren. Außerdem haben wir inzwischen ein viel zu kompliziertes Planungsrecht und viel zu hohe Standards. Wir sind der festen Überzeugung, dass das in Bundesverwaltung deutlich schneller und effizienter laufen wird.
Die Sorge vor einer Privatisierung trieb auch die Koalitionsfraktionen lange um. Mit den Änderungen wurden die Privatisierungsschranken nachgeschärft. Kritiker sagen, Privatisierung ist trotzdem noch möglich. Was entgegnen Sie?
Lesen bildet. Diese teilweise ideologisch geprägte Hetze gegen die Infrastrukturgesellschaft ist völlig fehl am Platz. Die Bundesautobahnen bleiben materiell und funktional im Eigentum des Bundes. Bei der Infrastrukturgesellschaft und den Tochtergesellschaften ist keine Beteiligung Dritter möglich. Was weiterhin möglich ist, und das ist auch sinnvoll, sind ÖPP-Projekte in einer Größenordnung von bis zu 100 Kilometern. Wir haben aktuell elf ÖPP-Projekte in Deutschland. Die sind alle termin- und kostengetreu. Das kann man von den großen Projekten, die unter der Auftragsverwaltung der Länder laufen, nicht im jedem Fall sagen.
Wenn ÖPP diese Vorteile haben, warum tragen Sie dann mit, dass ÖPP für das Gesamtnetz eines Landes schon im Grundgesetz ausgeschlossen wird?
Die SPD-Bundestagsfraktion wollte die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft überhaupt nicht. Ohne Kompromiss hätten wir diesen Schritt also nicht gehen können. Dabei war der Initiator der ganzen Geschichte der ehemalige Parteivorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Der wollte allerdings eine komplette Privatisierung. Insoweit hat er den Anstoß gegeben, aber wir sind hier einem Sozialdemokraten nicht gefolgt.
Das Interview führte Sören Christian Reimer.