Gemeinsame Erklärung der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe zur Lage in der Türkei
Vom 5. bis 9. Februar reiste die Delegation der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe unter Leitung der Vorsitzenden, Michelle Müntefering (SPD), nach Istanbul und Ankara. Während ihrer offiziellen Reise konnten die Abgeordneten mit Regierungsvertretern, den Oppositionsparteien (CHP, HDP), aber ebenso mit der Zivilgesellschaft und dem Management der großen deutschen Unternehmen sprechen. Hierbei sei es gelungen, einen weiteren, tiefen Einblick in die türkische Innen- und Außenpolitik, die Gesellschaft und ihre Betrachtungsweisen zu erhalten. Im Anschluss an diese offizielle Parlamentariergruppen-Reise verständigten sich die Delegationsteilnehmer aller im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen, Michelle Müntefering (SPD), Azize Tank (LINKE.), Özcan Mutlu (Bündnis90/Grüne), Dr. Andreas Nick (CDU/CSU), Ekin Deligöz (Bündnis90/Grüne), Dr. Dorothee Schlegel (SPD) auf eine gemeinsame Erklärung:
„Die deutsch-türkische Freundschaft ist älter als unsere Staaten selbst, zugleich gehen die deutsch-türkischen Beziehungen derzeit durch eine ihrer schwierigsten Phasen. Trotz zahlreicher Verwerfungen, insbesondere im Nachklang der Armenien-Resolution des Bundestages, setzen wir auf respektvollen Austausch, auf die Verständigung unserer Völker und auf Dialog. Unsere Gesellschaften sind über Familien und Freundschaften eng miteinander verflochten, unsere Kulturen haben sich gegenseitig bereichert“, so die Parlamentarier.
Die Türkei sei in der Vergangenheit immer wieder Opfer von Terrorismus und Gewalt geworden. „Jeglicher Terror ist ebenso zu verurteilen wie der Putschversuch vom 15. Juli. Gewalt und Terror sollten nirgendwo auf der Welt Platz haben. Unsere Anteilnahme gilt der Bevölkerung der Türkei und den Angehörigen der Opfer“, so die Delegationsteilnehmer, die überdies feststellen: „Die Maßnahmen der türkischen Regierung, die Entlassungen von über hunderttausend Staatsbediensteten, Akademikern etc., sind dabei unverhältnismäßig. Unsere Sorgen um den Abbau der Rechtsstaatlichkeit und den Demokratieabbau sind dabei nicht verflogen, sondern haben sich abermals bestätigt.“
Die Parlamentarier hätten in den Gesprächen zum Ausdruck gebracht, dass rechtsstaatliche Verfahren unabdingbar seien. „Am Beispiel der inhaftierten Journalisten Ahmet Şık und Kadri Gürsel haben wir den Zustand der Pressefreiheit und der inhaftieren 151 Journalisten kritisiert und mit Nachdruck darauf verwiesen, dass sich der innere Frieden und die Lage der Kurden über die Wiederaufnahme eines politischen Friedensprozesses verbessern muss. Wir betonen den Austausch der Zivilgesellschaft zur Schaffung von neuem Vertrauen, auch in Fragen der Zusammenarbeit mit den muslimischen Gemeinden in Deutschland.“
Das anstehende Referendum zu einem Präsidialsystem müsse frei und fair durchgeführt werden. Die Abgeordneten teilten die Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger in der Türkei über die Gefahr einer Abwendung von der Demokratie. „Aus unserer Sicht muss jede demokratische staatliche Ordnung die Grundlage der Gewaltenteilung durch eine starke parlamentarische Kontrolle sowie der Unabhängigkeit der Justiz gewährleisten. So wie in der Vergangenheit bereits geschehen, sollte die Türkei auch bei dieser Abstimmung die OSZE-Wahlbeobachtermission einladen.“ Bei ihren Gesprächen hätten die Parlamentarier hierzu zustimmende Signale aufgenommen.
Die Delegationsteilnehmer betonen: „Wir stehen klar an der Seite der Demokraten und der Meinungsfreiheit in der Türkei. Ihre Zivilgesellschaft ist es, die darüber entscheidet, welchen Weg die Türkei weiter geht. Unser vitales Interesse gilt einer Türkei, die sich nicht von Europa abwendet, sondern die uns eng verbunden bleibt. Als Parlamentarier ist es deswegen auch unsere Aufgabe, nach Wegen der Verständigung und nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen. Der Jugend- und Sportaustausch, die Wissenschaftskooperationen und die Förderung der kulturellen Vielfalt bleiben von großer Bedeutung und sollten weiter gestärkt werden, ebenso wie die Arbeit der deutschen politischen Stiftungen sichergestellt werden muss. Damit dies gelingt, dürfen Gräben zwischen den Menschen nicht vertieft werden. Die Stärkung der Zivilgesellschaft bedeutet gleichsam auch die Stärkung von Pluralität und Demokratie.“