Berlins Innensenator zieht positive Bilanz
Berlin: (hib/WID) In den nunmehr vier Jahren seit dem radikalislamischen Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz haben Polizei und Staatsschutz der Hauptstadt nach Einschätzung des zuständigen Innensenators Andreas Geisel (SPD) an Schlagkraft und Abwehrbereitschaft erheblich zugelegt. „Die Sicherheitsbehörden sind seit März 2017 organisatorisch und technisch neu aufgestellt, robuster als vor dem Anschlag“, sagte Geisel am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss („Breitscheidplatz“). Der heute 54-jährige Politiker hat sein derzeitiges Amt im Dezember 2016 angetreten, genau elf Tage, bevor der Tunesier Anis Amri mit einem gekaperten Schwerlastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche preschte.
„Der Anschlag“, sagte Geisel, „hat viele Fragen aufgeworfen, schmerzliche Defizite offenbart und die Arbeit der Sicherheitsbehörden verändert.“ Diese seien damals in ihrer Schlagkraft durch einen gravierenden Mangel an Personal und Ressourcen beeinträchtigt und insgesamt „strukturell nicht robust genug aufgestellt“ gewesen. Auch habe es in der Verwaltung an dem Willen gefehlt, gegen radikalislamische Strukturen energisch vorzugehen.
Zu den „Versäumnissen“, wie er sich ausdrückte, rechnete Geisel die „inaktive“ Verschleppung des Verbotsverfahrens gegen die Moabiter Fussilet-Moschee, wo der spätere Attentäter Amri während seiner Aufenthalte in Berlin eine geistige Heimat gefunden hatte. Der Vorgang sei in seiner Behörde damals bereits „seit langem“ anhängig gewesen, jedoch „nicht entschlossen genug betrieben worden“. Er selbst, so Geisel, habe dann dafür gesorgt, dass der radikalislamische Trägerverein im Februar 2017 aufgelöst wurde: „Weitere Vereinsverbote im islamistischen Bereich werden seither fortlaufend geprüft.“
Als jüngsten institutionellen Zugewinn nannte Geisel die Gründung eines eigenen, für islamistischen Extremismus zuständigen Staatsschutzreferats in seiner Innenbehörde im Oktober 2020: „Damit erreichen wir eine viel höhere Schlagkraft und Energie, um islamistischen Terrorismus zu bekämpfen.“ Zum bevorstehenden Jahrestag des Attentats kündigte der Senator die Vorstellung eines Berliner „Antiterrorplans“ an, der auf den „vier Säulen“ Prävention, Frühwarnung, Schutz vor Anschlägen und Eindämmung der Auswirkungen von Attentaten beruhen solle.
Radikalislamische Gefährder sowie ausländische Mehrfach- und Intensivtäter seien intensiver zu beobachten, um ein realistisches Bild der von ihnen ausgehenden Gefahr zu gewinnen und wo immer möglich der Stadt zu entfernen, sagte Geisel. Zwar sei Abschiebung nicht der „Königsweg“ zur Lösung des Problems, da etwa zwei Drittel der Betroffenen deutsche Staatsbürger oder mit Deutschen verheiratet seien. „Eine mittlere zweistellige Zahl“ einschlägiger Fälle werde aber im Jahr erfolgreich bearbeitet: „Wir schöpfen aufenthaltsbeendende Maßnahmen besser aus.“ Zwar sehe die rot-rot-grüne Koalition in Berlin das Instrument der Abschiebehaft kritisch, räumte Geisel ein. Er habe aber durchsetzen können, dass die Stadt immerhin zehn Abschiebehaftplätze für Gefährder und Intensivtäter ständig vorhalte.
Seit Januar 2020 verfüge zudem das Berliner Landeskriminalamt über eine neue Abteilung 8 mit derzeit 177 Planstellen, in der die Zuständigkeiten für die Bekämpfung des islamischen Terrorismus und Extremismus gebündelt seien. Die Standards der Telekommunikations-Überwachung verdächtiger Personen, die im Fall Amri in Berlin versagt habe, seien „neu gefasst“ worden. Generell sei es sein Ziel, sagte Geisel, die durch die prekäre Finanzlage der Stadt seit Beginn des Jahrhunderts ausgezehrten Polizeikräfte zu stärken. Dieser Personalaufbau erfolge planmäßig durch jährlich 1.224 Neueinstellungen. Bis 2024 solle Berlin wieder 18.900 Polizistinnen und Polizisten aufbieten könne, 2.100 mehr als im Jahr 2017.