Regierung: Abweichung vom EU-Stabilitätspakt gerechtfertigt
Berlin: (hib/PST) Die Bundesregierung hält die derzeitigen Abweichungen vom Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU aufgrund der Coronakrise für gerechtfertigt und im Einklang mit dem europäischen Regelwerk, das für solche Fälle eine Ausweichklausel enthält. Dies erklärt sie in ihrer Antwort (19/24213) auf eine Kleine Anfrage (19/23654) der FDP-Fraktion. Diese hatte die Bundesregierung aufgefordert darzulegen, auf welche Rechtsgrundlagen sich die Europäische Kommission und der Europäische Rat bei der Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel gestützt haben. In der Vormerkung zur Kleinen Anfrage stellen die FDP-Abgeordneten fest, dass die Kommission seit Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel keine Empfehlungen mehr abgibt, ob gegenüber einem Mitgliedstaat ein Verfahren bei einem übermäßigen Haushaltsdefizit eröffnet werden soll. Damit sei die volle Funktionsweise der Stabilitäts- und Wachstumspakts derzeit nicht gegeben. Eine Überwachung der nationalen Haushaltspolitiken finde nur sehr eingeschränkt statt.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Regelungen zum Stabilitäts- und Wachstumspakt im EU-Vertrag und die darauf beruhenden Verordnungen, in denen es unter anderem heiße: „Bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt kann den Mitgliedstaaten gestattet werden, vorübergehend von dem Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel abzuweichen, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“. Der EU-Finanzministerrat habe am 23. März 2020 einstimmig festgestellt, dass aufgrund der Pandemie ein schwerer Konjunkturabschwung eingetreten sei und damit die Bedingungen für die Anwendung der allgemeinen Ausweichklausel erfüllt seien. Durch deren Aktivierung seien aber die „Verfahren des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht ausgesetzt“. Die Überwachung der nationalen Haushalte im Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters werde fortgesetzt, und auf die Eröffnung von Verfahren bei einem übermäßigen Defizit habe die Ausweichklausel keinen Einfluss. Die derzeitigen fiskalischen Maßnahmen der Mitgliedsstaaten sollten auch dazu dienen, dauerhafte Schäden in den Volkswirtschaften zu vermeiden, schreibt die Regierung. „Insofern können die temporären Abweichungen von den Anpassungspfaden hin zum mittelfristigen Haushaltsziel auch dem Erhalt der mittelfristigen Tragfähigkeit dienen.“ Allgemein stellt die Bundesregierung fest, dass sich der Aufbau fiskalischer Spielräume in konjunkturell guten Zeiten jetzt bezahlt mache. „Die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes haben in den Jahren vor der Krise mit dazu beigetragen, dass die Schuldenstandsentwicklung in der EU deutlich vorteilhafter verlief als beispielsweise in den USA oder Japan.“