GAIA-X soll kein Konkurrenzprodukt werden
Berlin: (hib/LBR) Über Datensouveränität im Zusammenhang mit dem Projekt GAIA-X hat der Ausschuss Digitale Agenda in seiner 63. Sitzung am Mittwochnachmittag in öffentlicher Anhörung debattiert. GAIA-X ist ein Projekt für eine vernetzte europäische Datenstruktur mit strengen Schutzstandards, die Innovationen fördern soll. „Digitale Souveränität spielt für Unternehmen, Bürger und Staaten eine große Rolle - aktuell wird der weltweite Cloud-Service-Markt jedoch nicht von europäischen Anbietern getrieben“, sagte der Vorsitzende Manuel Höferlin (FDP) mit Blick auf ausländische Player wie etwa Google, Microsoft oder Alibaba einleitend.
Einig waren sich alle Sachverständigen darin, dass mit GAIA-X kein Konkurrenzprodukt zu existierenden Angeboten geschaffen werden soll, sondern per Open-Source-Ansatz Elemente über offene Schnittstellen und Standards miteinander vernetzt werden. Ziel sei ein gemeinsames Ökosystem von Anwendern und Anbietern aus Organisationen der öffentlichen Verwaltung, des Gesundheitswesens, Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen.
Axel Metzger (Humboldt Universität zu Berlin) verwies darauf, dass Datenschutz und Datenwirtschaft stark europäisierte Politikfelder seien, sodass die Handlungsspielräume für eine nationale Datenstrategie begrenzt seien. Während es bei der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) noch primär um den Schutz des Einzelnen vor einer weitgehenden Verarbeitung seiner Daten gegangen sei, habe es nun einen Perspektivwechsel zu einer stärkeren wirtschaftlichen Nutzung gegeben. Metzger sagte weiter, bei der Preisgabe personenbezogener Daten, etwa bei Verbraucherverträgen, bestehen Informationsdefizite: „Abhilfe könnten Pflichten zur Bereitstellung vereinfachter Informationen in Form von Grafiken leisten, die Verbrauchern zeigen, wie datenintensiv der Dienst ist“, sagte er.
Andreas Weiss vom eco - Verband der Internetwirtschaft e.V. betonte, er sei von den Zielen, Chancen und Potenzialen von GAIA-X überzeugt. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass stabile und resiliente Dienste von großer Bedeutung seien. GAIA-X werde jedoch häufig überinterpretiert und mit Begriffen wie „Europacloud“ überfrachtet. Weiss betonte, leistungsfähige Rechenzentren seien der Schlüssel für digitale Souveränität, für ein agiles digitales Ökosystem, in dem Daten vertrauensvoll geteilt und innovative Anwendungen entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Sowohl Deutschland als auch Europa seien von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) geprägt, sodass darauf ein Fokus gelegt werden solle. „GAIA X muss nicht alles neu erfunden, sondern Bestehendes zusammenführen“, sagte Weiss.
Der Sachverständigen Sven Herpig (Stiftung Neue Verantwortung e.V.) verwies darauf, dass eine offizielle Definition von Datensouveränität fehle und forderte die Bundesregierung auf, an einer breit akzeptierten Definition des Begriffes zu arbeiten. Grundlage für jede Debatte darüber seien die IT- und Cybersicherheit: „Nur weil IT-Produkte in Deutschland oder Europa betrieben werden, sind sie nicht automatisch sicherer“, sagte Herpig. Es komme stark auf die Implementierung der IT-Sicherheitsmaßnahmen an. Die korrekte Implementierung entsprechender Vorgaben, wie zum Beispiel der C5-Katalog des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) habe höchste Relevanz - auch für GAIA X. Weiter sagte er, sichere Datenverarbeitung, vor allem in Bereichen wie dem Training von Modellen für Maschinelles Lernen (KI) sei wegweisend für den Erfolg von GAIA-X.
„Wir wissen um den Wert von Daten“, sagte auch Fabian Biegel (SAP SE). Datensouveränität bedeute für ihn, jederzeit über die Speicherung, Verarbeitung, den Zugriff und die Nutzung frei entscheiden zu können. Dies impliziere eine Entscheidungsfreiheit, die in der derzeitigen Situation der Abhängigkeiten nicht gegeben sei. GAIA-X fördere neben dem Entstehen von Datenökosystemen vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Anbieterlandschaft, sagte Biegel. Es besteht eine sehr hohe Nachfrage nach einer gestärkten Anbieterlandschaft auf der einen und der einfachen, effizienten und sicheren Möglichkeit, Daten zu teilen auf der anderen Seite. Für die Marktreife müsse auf Anreize und eine marktnahe Umsetzung gesetzt werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor könne sein, die Nachfrage nach europäischen Cloud-Lösungen auch im öffentlichen Sektor und in regulierten Bereichen zu fördern, sagte Biegel weiter.
Elisabeth Lindinger (Superrr Lab gGmbH) sagte, Daten seien eine Ressource von einem enorm hohen finanziellen Wert. „Dieser vielleicht größte kollektive Schatz landet viel zu häufig in den Händen von Privaten“, sagte Lindinger. Sie begrüßte das Vorhaben, Open-Source-Technologien für mehr digitale und technologische Souveränität zu fördern, verwies aber darauf, die Schwachstellen und Eigenheiten dieser Technologien, wie etwa die chronische Unterfinanzierung, durch strukturelle Unterstützung zu beheben. In den letzten Jahren habe es erfolgreiche Beispiele gegeben, dass Daten kollektiver Besitz werden können: „Städte wie Barcelona oder Eindhoven sorgen durch eine öffentliche Daten-Governance dafür, dass Daten, die im öffentlichen Raum oder im Zuge öffentlicher Aufträge erhoben werden, Allgemeingut werden“, berichtete sie. Dies sei Grundlage für informierte Entscheidungen.
Auch Peter Ganten vom Open Source Business Alliance - Bundesverband für digitale Souveränität e.V. sagte, Datensouveränität sei eine Grundvoraussetzung für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen und Organisationen. Ohne sie seien vertrauensvolle Kommunikation und hohe Datenschutzstandards nicht zu erreichen. Durch den Trend zum Cloud-Computing und den dadurch entstehenden Druck auf Anwender habe sich ein Bewusstsein für die Bedeutung digitaler Souveränität entwickelt. „Oft werden sehr umfangreiche Datensätze etwa über das Verhalten gespeichert, ohne dass das Nutzer mitbekommen“, sagte er. Ziel könne es nicht sein, ein europäisches Konkurrenzunternehmen aufzubauen, um eine „Aufholjagd“ zu den großen Playern in Amerika und China zu starten, sondern einen eigenen europäischen Weg zu gehen. Dieser umfasse etwa Vertrauen, Offenheit, hohe Datenschutzstandards und eine kluge Governance, plädierte Ganten.