Sachverständige fordern Steuerentlastung für Home Office
Berlin: (hib/HLE) Die Sachverständigen haben zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2020 (19/22850) zahlreiche Änderungen und Ergänzungen gefordert. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag unter Leitung der Vorsitzenden Katja Hessel (FDP) wurde von mehreren Sachverständigen auch der Vorschlag des Bundesrates (19/23551) unterstützt, Aufwendungen für das Home Office steuerlich anzuerkennen.
So erklärte die Deutsche Steuergewerkschaft, es könne nicht sein, dass eine wohlhabende Immobiliensituation mit einem eigenen Arbeitszimmer zum Steuerabzug führe, während das Steuerrecht das notwendige Arbeiten in der „Schreib-Ecke“ völlig ausblende. Dies würden die Betroffenen als höchst ungerecht empfinden. Zudem sei es den Finanzämtern nicht zumutbar, vermutlich in Millionen von Fällen das Vorliegen eines echten Arbeitszimmers aufwendig prüfen zu müssen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zeigte sich der Prüfbitte des Bundesrats gegenüber aufgeschlossen. Es müsse angesichts der kurzen Frist wenigstens eine Übergangslösung gefunden werden, zum Beispiel eine Steuerbefreiung von Pauschalzahlungen des Arbeitgebers beziehungsweise ein pauschal anzusetzender Freibetrag in Höhe von 50 Euro pro Monat. Professorin Deborah Schanz (Ludwig-Maximilians-Universität München) hielt eine temporäre, vereinfachte steuerliche Anerkennung der durch das Home Office entstandenen Aufwendungen für erforderlich. Der Ansatz von Werbungskosten unabhängig vom Vorhandensein eines Arbeitszimmers sei aus Gründen der Gerechtigkeit sinnvoll, damit „der Abzug auch weniger Vermögenden, die über eine geringe Anzahl von Wohnräumen verfügen, zur Verfügung steht“.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht unter anderem vor, dass EU-weit agierende Unternehmen nicht mehr in jedem Mitgliedstaat einzeln ihre Steuerpflichten erfüllen müssen. Dies kann in Zukunft allein im Heimatland des Unternehmens über ein Webportal erfolgen, wo die Mehrwertsteuer zentral für alle Online-Umsätze abgerechnet wird. Steuerbetrug von Händlern aus Ländern, die nicht zur Europäischen Union gehören, soll intensiver bekämpft werden. Geplant ist, dass Betreiber von Online-Marktplätzen fiktiv in die Lieferkette eingebunden und damit stärker in die Pflicht genommen werden. Außerdem gibt es Änderungen bei der Besteuerung von Zusatzleistungen des Arbeitgebers. Die Regelung, dass Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld steuerfrei bleiben, soll bis Ende des Jahres 2021 verlängert werden. In diesem Zusammenhang forderte Professor Heribert Anzinger (Universität Ulm), das beim Bezug von Kurzarbeitergeld entstehende Problem des steuerlichen Progressionsvorbehalts „zielgenauer zu gestalten“. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wies darauf hin, dass der Progressionsvorbehalt bei Beziehern des eigentlich steuerfreien Kurzarbeitergelds zu Steuernachforderungen führen könnte.
Auch die Besteuerung von Mieteinnahmen ist Gegenstand des Jahressteuergesetzes. So soll die Regelung für besonders günstig vermieteten Wohnraum verbessert werden. Bisher können Werbungskosten vom Vermieter in diesen Fällen nur dann geltend gemacht werden, wenn die Miete mindestens 60 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete beträgt. Diese Grenze sinkt auf 50 Prozent. Damit soll verhindert werden, dass Vermieter aus rein steuerlichen Gründen Mieten erhöhen. Diese Änderung wurde von Professorin Schanz grundsätzlich begrüßt. Sie warnte jedoch vor einer erhöhten Missbrauchsanfälligkeit durch verbilligte Wohnraumüberlassung an Angehörige und schlug Ergänzungen vor.
Der Deutsche Steuerberaterverband mahnte ebenso wie der Bundesrat Änderungen bei der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Einkünften aus Kapitalvermögen an. Es gebe das Grundprinzip einer symmetrischen Berücksichtigung von Gewinnen und Verlusten innerhalb der Kapitaleinkünfte. Die Verlustausgleichsbeschränkung stehe diesem Kernprinzip entgegen und sei daher aus rechtssystematischen Gründen abzulehnen. Auch Professor Roland Ismer (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) sagte, es sei schwer, einen Rechtfertigungsgrund für diese Regelung zu erkennen.
Mit Verlustverrechnungsmöglichkeiten von Unternehmen befasste sich das Institut der Wirtschaftsprüfer in seiner Stellungnahme. Angeregt wurde, die Verlustverrechnungsmöglichkeiten des Paragraphen 10d des Einkommensteuergesetzes insgesamt deutlich auszuweiten. Mit einer Verbesserung der Verlustverrechnung könnte den Steuerpflichtigen weitere Liquidität verschafft werden. Auch die Mindestbesteuerung für Unternehmen sollte abgeschafft oder in der aktuellen Krisensituation zumindest für eine gewisse Zeit ausgesetzt werden. Kontrovers diskutiert wurden in der Anhörung auch die Änderungen beim Investitionsabzugsbetrag nach Paragraf 7g des Einkommensteuergesetzes.
Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass sie weitere steuerliche Maßnahmen für erforderlich halten, damit die Unternehmen erfolgreich durch die gegenwärtige Corona-Krise kommen würden. Dafür müssten auch in der Steuerpolitik Entlastungen der Unternehmen auf die Agenda kommen, damit sie im internationalen Steuerwettbewerb bestehen könnten. Dabei müsse die Stärkung von Liquidität und Eigenkapital höchste Priorität haben.
Nachdem der Bundesrat verlangt hatte, sogenannte Freifunk-Initiativen steuerrechtlich als gemeinnützig anzuerkennen, sprach sich Professor Sebastian Unger (Ruhr Universität Bochum) dafür aus, den Gemeinnützigkeits-Katalog auch um die politische Betätigung zu erweitern. Die Organisation Campact forderte ebenfalls die Aufnahme weiterer Zwecke in die Abgabenordnung, darunter die Förderung der Grund- und Menschenrechte, der sozialen Gerechtigkeit und Demokratie. Außerdem sprach sich die Organisation für eine Demokratieklausel aus, die es etwa einem Sportverein ohne Gefahr für seinen Gemeinnützigkeitsstatus erlauben würde, sich bei aktuellen Anlässen zum Beispiel gegen Rassismus zu engagieren. Auch der Bundesverband deutscher Stiftungen sprach sich für die Erweiterung gemeinnütziger Zwecke aus und nannte unter anderem die Förderung des gemeinnützigen Journalismus oder der Menschenrechte.