Anhörung über Vorlagen zur geschlechtlichen Selbstbestimmung
Berlin: (hib/STO) Um mehrere Oppositionsvorlagen zur geschlechtlichen Selbstbestimmung geht es geht es am Montag, dem 2. November 2020, in einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat. Zu der Veranstaltung, die um 12 Uhr beginnt, werden sechs Sachverständige erwartet. Aufgrund der Corona-Pandemie wird die Öffentlichkeit ausschließlich über eine TV-Übertragung/-Aufzeichnung hergestellt.
Nach dem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (19/20048) soll das aktuelle Transsexuellengesetz und der Paragraf 45b des Personenstandsgesetzes abgeschafft und durch ein „Gesetz zur Selbstbestimmung über die Geschlechtsidentität“ ersetzt werden. Wie die Fraktion ausführt, haben Menschen, deren Geschlechtsmerkmale nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmen, in Deutschland die Möglichkeit, sich medizinisch und juristisch einer Transition zu unterziehen. Das juristische Änderungsverfahren werde durch das 1981 in Kraft getretene Transsexuellengesetz normiert, das zwei Optionen für Menschen vorsehe, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt: die Änderung des Namens sowie die formelle Änderung der Geschlechtszugehörigkeit über den Personenstand. Voraussetzung für die Änderung des Namens seien nach derzeitiger Rechtslage zwei Gutachten von Sachverständigen.
Zugleich verweisen die Abgeordneten darauf, dass es seit 2018 Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland möglich sei, über den Paragraf 45 b des Personenstandsgesetzes Vornamen und Geschlechtseintrag der eigenen Geschlechtsidentität entsprechend anzupassen. Laut Bundesregierung und Urteil des Bundesgerichtshof (XII ZB 383/19) sei die Anwendung dieses Paragrafen jedoch auf intergeschlechtliche Personen beschränkt.
„Auch intergeschlechtliche Menschen sind in ihrer geschlechtlichen Selbstbestimmung weiterhin eingeschränkt“, heißt es ferner in der Vorlage. So fänden weiterhin genitalverändernde chirurgische Eingriffe an intergeschlechtlichen Kindern statt, die „ein gravierender Eingriff in die Autonomie und körperliche Unversehrtheit“ seien.
Mit dem Gesetzentwurf sollen solche Operationen wirksam verboten werden, „sofern sie nicht zur Abwendung einer Gefahr für das Leben oder einer erheblichen Gefahr für die Gesundheit des Kindes dienen“. Ferner sollen medizinische Leistungsansprüche bei Geschlechtsinkongruenz und Intergeschlechtlichkeit nach dem Willen der Fraktion im Fünften Buch Sozialgesetzbuch verankert werden. Das Passgesetz wollen die Abgeordneten so ändern, „dass künftig auch die Geschlechtsangabe ,X' möglich ist“.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen führt in ihrem Gesetzentwurf „zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes“ (19/19755) aus, dass das Parlament mit der Änderung des Personenstandsgesetzes eine dritte Option beim Geschlechtseintrag („divers“) geschaffen habe, doch beanstandet worden sei, dass „die Entscheidung über den Geschlechtseintrag von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig gemacht wird“. Zudem bleibe unklar, „ob das Gesetz transsexuelle, transgeschlechtliche und transidente Menschen ausschließt, die sich immer noch durch das unwürdige Verfahren nach dem Transsexuellengesetz quälen müssen“.
Des Weiteren verweisen die Abgeordneten darauf, dass in Deutschland an intergeschlechtlichen Kindern immer noch genitalverändernde Operationen vorgenommen würden, „die medizinisch nicht notwendig sind“. Dem Entwurf zufolge soll das Transsexuellengesetz durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzt und im Personenstandsgesetz klargestellt werden, „dass alle Menschen eine Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei einem Standesamt abgeben können“. Zudem soll das Selbstbestimmungsgesetz genitalverändernde chirurgische Eingriffe bei Kindern verbieten sowie unter anderem „einen Anspruch auf Achtung des Selbstbestimmungsrechts bei Gesundheitsleistungen“ statuieren.
Nach dem Willen der Fraktion Die Linke sollen Entschädigungen an trans-und intergeschlechtliche Menschen gezahlt werden, an denen fremdbestimmte normangleichende Genitaloperationen durchgeführt wurden. In einem Antrag (19/17791) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, innerhalb eines Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Zudem sollen nach ihrem Willen die Antidiskriminierungsstelle des Bundes mit einem Gutachten zur Aufarbeitung menschenrechtswidriger medizinischer Eingriffe aufgrund des Transsexuellengesetzes beauftragt und die entsprechenden Patienten-Akten auch über die Aufbewahrungsfristen aufgehoben werden.