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16.09.2020 Recht und Verbraucherschutz — Anhörung — hib 964/2020

Experten-Kritik an Inkasso-Verbraucherschutz

Berlin: (hib/MWO) Um Verbesserungen im Inkassorecht ging es bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch. Während Verbraucherschützer und Schuldnerberater in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/20348) keine Verbesserung der aktuellen Situation für Verbraucher sehen, hält ihn die Inkasso-Branche für unausgewogen. Kritik kam auch vonseiten der Rechtsanwälte.

Wie es in dem Entwurf heißt, hat sich infolge des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken die Transparenz im Inkassowesen deutlich verbessert. Sehr unbefriedigend stelle sich aber noch immer die Situation bei den geltend gemachten Inkassokosten dar, die im Verhältnis zum Aufwand zumeist als deutlich zu hoch anzusehen seien. Zudem gebe es teilweise noch unnötige Kostendoppelungen und würden mangelnde Rechtskenntnisse der Schuldner ausgenutzt. Hauptsächlich sollen Gebühren so angepasst werden, dass einerseits für die Schuldner keine unnötigen Belastungen entstehen, andererseits aber Inkassodienstleistungen nach wie vor wirtschaftlich erbracht werden können.

Bedenken aus der Praxis am Gesetzentwurf meldete Frank-Michael Goebel, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Koblenz, an. Zwar ziele er auf die Verbesserung der Verbraucherrechte, gleichwohl würden auch unberechtigt und ohne sachliche Begründung nichtleistende Unternehmen geschützt. Zudem gehe es nur um die Einziehung berechtigter Forderungen in Form von Inkassodienstleistungen. Wo Forderungen nur behauptet oder unbegründete Forderungen eingezogen werden, greife der Gesetzentwurf ebenso wenig wie dort, wo Inkassodienstleistungen von Personen erbracht werden, die nicht als Inkassodienstleister registriert sind. Es sei zu befürchten, dass der Gesetzentwurf das Entstehen unberechtigter Forderungen fördert.

Dagmar Beck-Bever von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) bedauerte, dass die von der BRAK geäußerten Bedenken und Anregungen in dem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt worden seien. Die BRAK sehe die meisten darin vorgesehenen Regelungen sehr kritisch und stehe ihnen ablehnend gegenüber, sagte Beck-Beyer. Die eklatanten Kürzungen der anwaltlichen Gebühren führten nach Auffassung der BRAK zu einer weiteren massiven Schwächung der Anwaltschaft. Rechtsanwalt Ludwig Gehrke von der Hamburger Kanzlei KSP, die sich nach eigenen Angaben auf das anwaltliche Forderungsmanagement spezialisiert hat, schloss sich der Kritik der BRAK an. Das Anliegen des Gesetzgebers, Verbraucher vor überhöhten und missbräuchlichen Inkassokosten zu schützen, sei aber im Grundsatz richtig. Es gebe jedoch Schlupflöcher.

Florian Stößel vom Verbraucherzentrale Bundesverband meinte, der Regierungsentwurf sei nicht geeignet, die Verbrauchersituation zu verbessern. So würden die Regeln verkompliziert, wodurch es für Verbraucher noch schwieriger sein werde, die Kostenforderungen nachzuvollziehen und sich gegen zu hohe Forderungen zu wehren. Birgit Vorberg von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erklärte, das Ziel von mehr Verbraucherschutz durch Senkung der Verfahrenskosten und die Schaffung von mehr Transparenz für die Schuldner solle offenbar ohne nennenswerte Umsatzeinbußen der Inkassobranche erreicht werden. Dies sei ein offensichtlicher Widerspruch und gehe zu Lasten der Verbraucher. Weiter kritisierte Vorberg, dass in dem Entwurf an einer Gleichsetzung von Inkasso- und Rechtsanwaltstätigkeiten festgehalten werde. Mit der Beibehaltung der bisherigen Praxis schütze der Entwurf vor allem die Interessen der Inkassobranche.

Der Rechtsanwalt Wolfgang Jäckle, Mitglied des Arbeitskreises InkassoWatch, sieht in dem Entwurf mehr Schatten als Licht. So wähle der Entwurf bezüglich der Höhe der Inkassokosten den Weg, die angemessene Reduzierung mit Hilfe des Kriteriums der zu erwartenden wirtschaftlichen Branchenverluste bestimmen zu wollen. Dies geschehe auf der Basis von Datenmaterial der Inkassoseite, dessen Richtigkeit nicht kritisch genug hinterfragt worden sei. Alles in allem bedürfe es noch erheblicher Anstrengungen, wolle man ein Gesetz schaffen, das den Verbraucherschutz im Inkassorecht wirklich verbessert.

Thomas Seethaler von der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung sprach sich für die Schaffung einer effektiven Inkassoaufsicht mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten aus. Gelinge dies wieder nicht, sei schon jetzt absehbar, dass die „Inkassoindustrie“ die sich ergebenden Spielräume erneut in erheblichen Maße extensiv und missbräuchlich ausnutzen werde. Wie die Verbraucherschützer kritisierte Seethaler, dass es im Regierungsentwurf an Einfachheit, Klarheit und Eindeutigkeit fehle. Er werde an entscheidenden Stellen davon geleitet, dass Inkassodienstleistungen nach wie vor wirtschaftlich erbracht werden können.

Die Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen, Kirsten Pedd, wies die Annahme des Gesetzentwurfs zurück, dass die Umsätze der Inkassodienstleister durch die Neuregelung um rund 20 Prozent zurückgehen würden. Selbst bei Zugrundelegung dieser viel zu niedrig angesetzten Prognose wäre die Inkassobranche existentiell bedroht. Außerdem gerate der Gesetzgeber in offensichtliche Wertungswidersprüche zu zeitgleich laufenden Gesetzgebungsverfahren. Die Abgeordneten hätten nun Gelegenheit, berechtigte verbraucherpolitische Ziele des Gesetzgebers und die legitimen Interessen der Wirtschaft in Einklang zu bringen sowie die Kohärenz des gesetzgeberischen Handelns wiederherzustellen. Ein vernünftiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen sei möglich.

Die Fragen der Abgeordneten betrafen vor allem die Auswirkungen der geplanten Regelungen für Inkassodienstleister, Anwälte und Schuldner. Ferner wollten sie wissen, wie Masseninkasso und individuelles Inkasso voneinander abgegrenzt werden könnten und wie eine effektive Aufsicht über Inkassounternehmen aussehen könnte. Auch die Rolle des mündigen Verbrauchers im Zusammenhang mit neuen Hinweispflichten über mögliche Inkassokosten wurde hinterfragt.

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